Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Personenvereinigung ist dann nicht Unternehmer im Sinne von § 1 Abs. 1 BefStG 1955, wenn sie in Erfüllung ihres satzungsmäßigen Gesellschaftszwecks nur die allgemeinen Belange ihrer Mitglieder wahrnimmt und damit keine Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt. Es fehlt solchenfalls an einem Leistungsaustausch.
Normenkette
BefStG § 1 Abs. 1, 3; UStG § 2 Abs. 1
Tatbestand
Zweck des Bf., eines eingetragenen Vereins, ist nach § 3 seiner Satzung, die gemeinsamen Interessen der dem Verein angehörenden Mitglieder zur Hebung des Qualitätsgedankens und zum Schutze des Gütezeichens für Betonwaren im Lande X. zu wahren, zu vertreten und zu fördern. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. Die Mitglieder sind verpflichtet, sich jederzeit einer Kontrolle ihrer Erzeugnisse nach Maßgabe eines "Gütesicherungsverfahrens" zu unterziehen. Die Einzelheiten dieses Verfahrens sind in einem Anhang zur Satzung niedergelegt. § 3 dieses Gütesicherungsverfahrens sieht u. a. vor, daß die Mitglieder dem Prüfingenieur des Bf. die Besichtigung ihres Werkes und ihrer Erzeugnisse gestatten und daß sie die von dem Prüfingenieur ausgewählten Erzeugnisse für Prüfzwecke ("Prüfungsgut") kostenlos zur Verfügung stellen müssen. Die so für die Prüfung ausgewählten Erzeugnisse werden, soweit es für den Streitfall von Bedeutung ist, durch einen dem Bf. gehörenden Lastkraftwagen zu den amtlichen Materialprüfungsanstalten in A., B. und C gefahren. Die Kosten der Beförderungen werden aus den Mitgliederbeiträgen getragen, die für alle Mitglieder 1 0/00 vom Vorjahresumsatz, mindestens aber 70 DM betragen. Die Regierung Y. entschied im Verfahren nach § 8 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG), daß es sich bei den Beförderungen des Prüfungsgutes um einen Vorgang handele, der dem GüKG nicht unterliege.
Das Finanzamt war der Auffassung, daß die Beförderungen des Prüfungsgutes, soweit sie nicht in der Nahzone durchgeführt worden seien, der Steuer unterlägen. Es setzte, da die Errechnung der Tonnenkilometer erhebliche Schwierigkeiten bereitete, die Beförderungsteuer für die Zeit vom 1. April bis 31. Dezember 1955 pauschal auf 450 DM fest. Auch für die Jahre 1956 und 1957 wurde die Steuer nicht auf Grund der in den Beförderungs- und Begleitpapieren enthaltenen Eintragungen, sondern auf Grund der pauschalen Anmeldungen des Bf. festgesetzt. Diese Steuerfestsetzungen wurden unanfechtbar. Im Juni 1959 fand bei dem Bf. eine Beförderungsteuerprüfung statt. Der Prüfer ermittelte dabei für die Zeit vom 1. Juni 1955 bis 31. Dezember 1958 eine noch zu erhebende Steuer von 3.063,95 DM. Das Finanzamt sah die Beförderungen als Beförderungen im Werkfernverkehr an und forderte auf Grund von § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG 1955 in für jedes Kalenderjahr getrennten Steuerbescheiden insgesamt den genannten Betrag an.
Im Einspruchs- und Berufungsverfahren machte der Bf. - unter Hinweis auf zahlreiche äußerungen in den Umsatzsteuer-Kommentaren - ohne Erfolg geltend, er sei nicht Unternehmer im Sinne des BefStG 1955. Maßgebend für den Begriff des Unternehmers im Sinne dieses Gesetzes sei gemäß § 1 Abs. 3 der umsatzsteuerrechtliche Unternehmerbegriff. Eine für ihre eigenen Mitglieder tätige Personenvereinigung sei hiernach aber nur dann Unternehmer, wenn die Personenvereinigung ihren Mitgliedern Sonderleistungen erbringe und dementsprechend Unternehmerentgelte vereinahme (Plückebaum-Malitzky, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Auflage, 1958, Bd. I Tz. 111).
Das Finanzgericht entschied, ebenso wie das Finanzamt, daß eine unternehmerische Tätigkeit schon dann vorliege, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber den eigenen Mitgliedern tätig werde. Damit sei der Unternehmerbegriff im beförderungsteuerrechtlichen Sinne ebenso erfüllt wie im umsatzsteuerrechtlichen Sinne, denn umsatzsteuerrechtlich sei Unternehmer auch derjenige, der keine umsatzsteuerbaren Leistungen erbringe. Der Unterschied zwischen Mitgliederbeiträgen und Sonderentgelten berühre umsatzsteuerrechtlich zwar die Steuerpflicht, nicht aber die Unternehmereigenschaft. Da es das BefStG nicht auf eine umsatzsteuerbare Leistung, sondern auf Beförderungen abstelle, sei für das Tatbestandsmerkmal der Beförderung die Frage, ob Mitgliedsbeiträge oder Sonderleistungsentgelte vereinnahmt wurden, unbeachtlich.
Mit der Rb. wendet sich der Bf. dagegen, daß das Finanzgericht ihn als Unternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 und 3 BefStG 1955 angesehen hat.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Nach § 1 Abs. 1 BefStG 1955 unterliegen der Beförderungsteuer u. a. Beförderungen von Gütern im Kraftfahrzeugverkehr, wenn die Beförderung von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens für Dritte oder für Zwecke des eigenen Unternehmens durchgeführt wird. Unstreitig hat der Bf. im Streitfall Beförderungen von Gütern im Kraftfahrzeugverkehr ausgeführt. Streitig ist, ob er sie als Unternehmer vorgenommen hat. Der Begriff des Unternehmers richtet sich gemäß § 1 Abs. 3 BefStG 1955 nach dem Umsatzsteuerrecht. Unternehmer ist daher - und zwar auch im Sinne des Beförderungsteuerrechts -, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt; gewerblich oder beruflich ist dabei jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (ß 2 Abs. 1 UStG).
Eine Personenvereinigung bewirkt umsatzsteuerrechtlich, soweit sie den gemeinschaftlichen Belangen ihrer Mitglieder dient, keine steuerbaren Umsätze. Die allgemeine Vereinstätigkeit kommt zwar allen Mitgliedern und damit auch dem Einzelmitglied zugute. Nach § 1 Ziff. 1 UStG ist aber Voraussetzung für die Annahme eines steuerbaren Umsatzes u. a., daß eine "Leistung gegen Entgelt" bewirkt wird. Eine solche ist nur gegeben, wenn Leistung und Gegenleistung in einem derartigen wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander stehen, daß von einem Leistungsaustausch gesprochen werden kann.
Dagegen sind Leistungen, die gegenüber dem Einzelmitglied besonders bewirkt werden (sogenannte Sonderleistungen), sofern die übrigen Voraussetzungen des § 1 Ziff. 1 UStG vorliegen, umsatzsteuerbar. Dementsprechend wird (systematisch nicht ganz zutreffend) zwischen nicht steuerbaren Mitgliedsbeiträgen und steuerbaren Leistungsentgelten unterschieden.
Die Entscheidung darüber, ob die Tätigkeit einer Personenvereinigung gegenüber ihren Mitgliedern umsatzsteuerbar ist, ist daher danach zu treffen, ob einer Leistung eine Gegenleistung (Entgelt) gegenübersteht. Die Frage, ob die Personenvereinigung Unternehmereigenschaft besitzt, spielt in diesem Zusammenhang eine nur geringe Rolle. Denn bei Leistungen zur Erreichung des allgemeinen Zwecks der Vereinigung, die durch die Mitgliedsbeiträge finanziert werden, fehlt es am Leistungsaustausch: ein steuerbarer Umsatz entfällt; bei Sonderleistungen gegenüber einzelnen Mitgliedern gegen Sonderentgelte ist ein Leistungsaustausch, gleichzeitig aber auch eine nachhaltige Tätigkeit der Personenvereinigung gegenüber ihren Mitgliedern zur Erzielung von Einnahmen gegeben: ein steuerbarer Umsatz liegt vor, sofern die Leistungen im Inland bewirkt werden.
Für die Beförderungsteuer, die an den Unternehmerbegriff des Umsatzsteuerrechts anknüpft (ß 1 Abs. 3 Satz 1 BefStG), ist das oben erwähnte Problem der Unternehmereigenschaft aber von erheblicher Bedeutung. Die Formulierung des Begriffs "Unternehmer" in § 2 Abs. 1 UStG deutet bereits auf das Erfordernis des Leistungsaustauschs hin. Denn die Tätigkeit muß "zur Erzielung von Einnahmen" ausgeübt werden. Es muß die Absicht bestehen, für die Tätigkeit als Gegenleistung Einnahmen zu erzielen. Im letzten Halbsatz des § 2 Abs. 1 UStG klingt bei Personenvereinigungen das Erfordernis des Leistungsaustausches nochmals besonders an, wenn hervorgehoben wird, daß eine gewerbliche Tätigkeit auch vorliegt, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren eigenen Mitgliedern (durch Sonderleistungen) tätig wird. Eine Personenvereinigung tritt daher insoweit nicht als Unternehmer auf, als sie die allgemeinen Belange ihrer Mitglieder in Erfüllung ihres satzungsmäßigen Gemeinschaftszwecks wahrnimmt.
Im Streitfall sind die Zahlungen der Mitglieder an den Verein als echte Mitgliedsbeiträge zu beurteilen.
Nach § 3 Abs. 1 der Satzung ist Zweck des Vereins, um es zu wiederholen, "die Wahrung, Vertretung und Förderung der gemeinsamen Interessen der dem Verein angehörenden Mitglieder zur Hebung des Qualitätsgedankens und zum Schutze des Gütezeichens für Betonwaren im Land X. Es soll angestrebt werden, eine gleichbleibende Güte der Betonwaren zu erzielen und zu gewährleisten". Zur Erfüllung dieses Vereinszwecks entnehmen Prüfingenieure aus der laufenden Produktion der Mitglieder Proben, die kurze Zeit darauf von dem vereinseigenen Fahrzeug beim Mitglied abgeholt und zur Prüfung den Materialprüfungsanstalten übergeben werden. Die Beförderung des Probegutes zu den Materialprüfungsanstalten ist zur Erreichung des satzungsgemäßen Vereinszwecks notwendig. Die Tätigkeit des Vereins dient mithin den in der Satzung vorgesehenen gemeinschaftlichen Belangen der Mitglieder. Es werden durch seine Tätigkeit nicht Sonderinteressen des einzelnen Mitglieds, sondern Gesamtinteressen aller Mitglieder wahrgenommen. Es fehlt an einem Leistungsaustausch im Sinne des § 1 Ziff. 1 UStG. Fehlt es aber an einem Leistungsaustausch, so ist der Bf. nicht Unternehmer im Sinne des Umsatz- und Beförderungsteuerrechts. Der Senat befindet sich mit dieser Rechtsauffassung in übereinstimmung mit der Ansicht des V. Senats.
Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgeht, war somit aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Nachdem unstreitig ist, daß der Bf. nur die Gesamtbelange seiner Mitglieder erfüllt und seine Einnahmen nur aus echten Mitgliederbeiträgen bestehen, ist er, wie oben dargelegt, nicht Unternehmer im Sinne von § 1 Abs. 1 BefStG 1955. Daher sind auch die Einspruchsentscheidung des Finanzamts und die ihr zugrunde liegenden Steuerbescheide aufzuheben, für die Zeit vom 1. Juni 1955 bis 31. Dezember 1957 jedoch nur insoweit, als die änderung reicht (ß 234 AO).
Fundstellen
Haufe-Index 411045 |
BStBl III 1964, 114 |
BFHE 1964, 285 |
BFHE 78, 285 |