Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit eines Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheids
Leitsatz (NV)
Ein Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid ist nur dann inhaltlich hinreichend bestimmt, wenn der Sachkomplex (z. B. Nachtarbeitszuschläge für die Zeit von Juni 1976 bis August 1979) bezeichnet ist, der der pauschalen Lohnsteuer zugrunde liegt. Dies kann auch in einem dem Bescheid beigefügten Prüfungsbericht geschehen, auf den im Bescheid verwiesen ist.
Normenkette
EStG § 40 Abs. 1 Nr. 2; AO 1977 § 157 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung, die den Zeitraum von Juni 1976 bis August 1979 umfaßte, stellte der Prüfer fest, daß die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Nachtarbeitszuschläge in Höhe von . . . DM steuerfrei ausgezahlt hatte. Er ging davon aus, daß die Voraussetzungen des § 3 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) mangels Nachweises der tatsächlich geleisteten Nachtarbeitszeit nicht vorlägen, und berechnete die darauf entfallende Lohnsteuer nach entsprechendem Antrag der Klägerin gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG mit . . . DM sowie die römisch-katholische und evangelische Kirchenlohnsteuer mit . . . DM bzw. . . . DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) folgte dem Prüfer und forderte die vorgenannten Beträge durch Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid vom 17. Oktober 1979 von der Klägerin. In dem Bescheid ist der Lohnsteuerbetrag für den Zeitraum Juni 1976 bis August 1979 in einer Summe angegeben; Entsprechendes gilt für die Kirchenlohnsteuerbeträge. Der Bescheid verweist bezüglich der Berechnungsgrundlagen auf den als Anlage beigefügten Prüfungsbericht, dem ebenfalls nicht zu entnehmen ist, wann die Nachtarbeitszuschläge jeweils innerhalb des Prüfungszeitraums an die Arbeitnehmer ausgezahlt worden sind.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin allein die Ablehnung der Steuerfreiheit der Zuschläge für tatsächlich geleistete Nachtarbeit angreift, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hob den angegriffenen Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid aus formellen Gründen auf und führte zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen aus, der Bescheid entspreche nicht den inhaltlichen Anforderungen der §§ 119 Abs. 1 und 157 der Abgabenordnung (AO 1977). In einem Nachforderungsbescheid, in dem Steuern für mehrere Kalenderjahre angefordert würden, müßten die auf die einzelnen Kalenderjahre entfallenden Steuern betragsmäßig gesondert ausgewiesen werden. Zwar reiche es dazu aus, wenn sich aus einem gleichzeitig mit dem Bescheid bekanntgegebenen Prüfungsbericht die Aufteilung klar und eindeutig ergebe. Daran fehle es aber im Streitfall. Zwar verweise der angefochtene Bescheid auf den Zusatzprüfungsbericht vom 11. Oktober 1979. Doch seien die nachgeforderten Steuerbeträge in diesem Bericht ebenfalls nicht nach Jahren aufgeteilt. Soweit nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. März 1985 VII R 194/83 (BFH/NV 1986, 317) auf die Aufgliederung nach Besteuerungszeiträumen im Bescheid selbst verzichtet werden könne, wenn der Adressat aus den ihm bekannten näheren Umständen hinreichend Klarheit gewinnen könne, führe dies ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung, weil vorliegend keine Umstände erkennbar seien, die eine Aufteilung der Steuerbeträge zuließen. Eine Bezugnahme in einem Bescheid auf einen Prüfungsbericht reiche nur dann aus, wenn auf einen Blick erkennbar sei, für welche Steuer der Arbeitgeber nach Art und Betrag in Anspruch genommen werde. Seien hingegen weitere Ermittlungen und Berechnungen erforderlich, so werde die inhaltliche Bestimmtheit des Bescheides durch eine Bezugnahme auf einen Prüfungsbericht nicht hergestellt. Auf eine Aufteilung der Steuerbeträge könne auch nicht verzichtet werden, da die Aufteilung für die Feststellung einer etwa eingetretenen Verjährung notwendig sei. Nach § 38 Abs. 2 Satz 2 EStG entstehe die Lohnsteuer in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitslohn dem Arbeitnehmer zufließe. Übernehme der Arbeitgeber die auf seinen Antrag nach § 40 Abs. 1 EStG pauschal ermittelte Lohnsteuer, werde er Schuldner der pauschalen Lohnsteuer. Diese Übernahme könne sich grundsätzlich nur auf solche Jahre erstrecken, in denen die Lohnsteuer beim Arbeitnehmer noch nicht verjährt sei. Etwas anderes folge auch nicht daraus, daß die Steuerschuld der Klägerin erst mit der Übernahmeerklärung im Jahre 1979 entstanden sei. Zwar solle sich nach dem Urteil des BFH vom 5. November 1982 VI R 219/80 (BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91) die pauschale Lohnsteuer nicht auf ein Kalenderjahr, sondern kalenderjahrunabhängig lediglich auf die nachzuversteuernden Bezüge beziehen. Aus § 40 Abs. 1 Satz 4 EStG in der im Jahre 1979 geltenden Fassung ergebe sich aber eindeutig, daß die Berechnung der Steuer jahresabhängig bleibe, weil der durchschnittliche Steuersatz unter Zugrundelegung der durchschnittlichen Jahresarbeitslöhne und der durchschnittlichen Jahreslohnsteuer in jeder Steuerklasse zu ermitteln sei. Der nach § 38 a EStG zu ermittelnde Pauschsteuersatz könne daher von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausfallen. Darauf, ob die Höhe der Jahrespauschsteuersätze oder die Frage der Verjährung im Streitfall tatsächlich von Bedeutung sei, komme es nicht an; denn die inhaltliche Bestimmtheit eines Bescheides könne nicht davon abhängen, daß diese Fragen zusätzlich zu prüfen seien.
Mit seiner Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Zur Begründung legt es im einzelnen dar: Nach dem BFH-Urteil in BFHE 137, 46, BStBl II 1983, 91 handele es sich bei der pauschalen Lohnsteuer um eine Unternehmenssteuer eigener Art, die kalenderjahrunabhängig erst mit der Durchführung der Lohnsteuer-Pauschalierung, also in Fällen des § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG mit Erlaß des Nachforderungsbescheides entstehe. Der Bescheid datiere vom 17. Oktober 1979, die nachgeforderte Steuer sei damit eine Steuer des Jahres 1979. Daran ändere nichts der Umstand, daß die Berechnung der Steuer jahresunabhängig sei. Im übrigen sei der Bescheid durch Bezugnahme auf den Prüfungsbericht hinreichend bestimmt. Denn aus diesem ergebe sich, daß es sich bei der nachgeforderten Steuer um von der Klägerin übernommene pauschale Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer auf im Prüfungszeitraum Juni 1976 bis August 1979 gezahlte Nachtarbeitszuschläge handele.
Die Klägerin ist nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Entgegen der Auffassung des FG ist der streitige Bescheid vom 17. Oktober 1979 inhaltlich hinreichend bestimmt. Welche Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheiden zu stellen sind, hat der Senat im Urteil vom heutigen Tage VI R 115/87, BFHE 163, 536, BStBl II 1991, 488, dargelegt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidung verwiesen. Die im Urteil VI R 115/87 aufgestellten Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Bescheid ist als ,,Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid" bezeichnet und enthält den Hinweis, daß die Klägerin die nach Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer getrennt aufgeführten Beträge nach den Pauschalierungsvorschriften des EStG und nach den entsprechenden Vorschriften der Kirchensteuergesetze schuldet. Weiterhin ist dem Bescheid in Verbindung mit dem als Anlage beigefügten Prüfungsbericht (zur Bezugnahme auf Prüfungsberichte s. BFH-Beschluß vom 1. August 1985 VI R 28/79, BFHE 144, 244, BStBl II 1985, 664, 668, rechte Spalte; BFH-Urteil vom 18. Juli 1985 VI R 208/82, BFHE 145, 29, BStBl II 1986, 152, 153, linke Spalte) zu entnehmen, aus welchem Sachkomplex die Klägerin in Anspruch genommen worden ist. Es geht um die Nachforderung von Lohnsteuer aus in der Zeit von Juni 1976 bis August 1979 gezahlten Nachtarbeitszuschlägen, die die Klägerin nach Auffassung des FA zu Unrecht steuerfrei ausgezahlt haben soll. Durch diese Bezeichnung ist klar, was von der Klägerin verlangt wird. Der Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid erfüllt damit die inhaltlichen Anforderungen des § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977.
Das FG hat damit den Lohnsteuer-Pauschalierungsbescheid zu Unrecht aus formellen Gründen aufgehoben. Die Sache geht an die Vorinstanz zurück, damit diese über die materiell-rechtlichen Streitfragen entscheidet.
Fundstellen
Haufe-Index 417475 |
BFH/NV 1991, 665 |