Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines Eichaufnehmers und beeidigten Schiffs- und Ladungssachverständigen ist freiberuflich, wenn seine Ausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage beruht und seine Tätigkeit an die durch seine Ausbildung erworbenen Kenntnisse anknüpft.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Bf. hat nach Erlangung der mittleren Reife und nach Absolvierung der Seefahrtschule das Steuermanns- und Kapitänsexamen abgelegt. Nach dem Krieg hat er zunächst einen Binnenschiffahrtsbetrieb unterhalten. Seit 1956 ist er als beeidigter Eichaufnehmer und beeidigter Schiffs- und Ladungssachverständiger tätig. Streitig ist, ob diese Tätigkeit eine freiberufliche ist oder ob sie der Gewerbesteuer unterliegt. Das Finanzamt hat das Vorliegen eines freien Berufes verneint und den Bf. zur Gewerbesteuer veranlagt.
Im Rechtsmittelverfahren hat der Bf. hiergegen geltend gemacht, seine Tätigkeit sei eine freiberufliche im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG; denn sie knüpfe überwiegend an die Kenntnisse an, die er auf den verschiedenen Schulen (einschließlich Seefahrtschule) erworben habe. Auch das Gesamtbild der ausgeübten Tätigkeit spreche für einen freien Beruf. Die Berufsbezeichnung "Eichaufnehmer" sei ebensowenig ausschlaggebend wie das überwiegen der Einnahmen aus Eichaufnahmen im ersten Jahr seiner Tätigkeit. Um tätig werden zu können, habe er kein Gewerbe anzumelden brauchen. Er dürfe auch nicht werben. Sein Entgelt liege nach einer Gebührenordnung fest. Die Tätigkeit sei an seine Person gebunden und dulde keine Vertretung. Er arbeite als Treuhänder für alle Parteien. Daß er als Eichaufnehmer einen freien Beruf ausübe, sei auch die Ansicht mehrerer Industrie- und Handelskammern.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Nach § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehörten zu den freien Berufen nur die dort aufgeführten Berufstätigkeiten sowie ähnliche Berufe. Der Beruf eines Eichaufnehmers und Schiffs- und Ladungssachverständigen sei in dieser Aufzählung nicht enthalten. Es bestehe auch keine ähnlichkeit mit einem dort aufgeführten Beruf. Aufgabe des beeidigten Schiffseichaufnehmers sei es, das Gewicht von Massengütern zu ermitteln. Bei der Eichaufnahme werde der Tiefgang des Schiffes vor und nach der Entladung ermittelt. Dabei nehme der Schiffseichaufnehmer gleichzeitig die Mengen an Ballast, Betriebsstoffen, Vorräten usw. auf, die sich im Schiff befänden, und kontrolliere sie. Die Differenz zwischen Leer- und Volleichung ergebe das Gewicht des Massengutes. Diese Tätigkeit sei eine rein mechanische. Damit stehe sie den in § 36 der Gewerbeordnung (GewO) aufgeführten Gewerben der Wäger und Messer gleich. Eine solche mechanische Dienstleistung werde nicht vom Begriff des freien Berufes eingeschlossen, der voraussetze, daß der Berufsträger in der Hauptsache wissenschaftliche Kenntnisse verwerte und in gewissem Grad schöpferisch tätig werde. Dies könne von den Eichaufnehmern nicht gesagt werden. Zu solchen würden von den Industrie- und Handelskammern in der Regel Personen aus dem Schifferberuf bestellt. Diese knüpften neben den durch die Seefahrtschulen vermittelten Kenntnissen an das praktische Wissen aus der Zeit an, zu der sie zur See gefahren seien. Als Schiffs- und Ladungssachverständiger werde der Bf. für alle Arten der Schiffahrt tätig. Dabei habe er z. B. auch das Verladen von Kraftwagen nach übersee zu überwachen. Er sei für das Stauen, Laschen und die Sicherung der Wagen verantwortlich. Abschließend stelle er amtliche Stauatteste aus. Weiterhin habe er Luken und Ladungen zu besichtigen, Ladungen zu prüfen, Stauberichte zu erstatten, Tauglichkeitsatteste abzugeben, über Schäden zu berichten, Schäden zu taxieren, Werttaxen von Schiffen abzugeben sowie Gutachten und Obergutachten für Reedereien und Gerichte zu erstatten. Alle diese Tätigkeiten gingen entweder über den Rahmen einfacher mechanischer Arbeiten nicht hinaus und seien deshalb gewerbesteuerpflichtig, oder aber sie knüpften, wie die Gutachten, nicht an wissenschaftliche Schulung und Ausbildung an, sondern an praktische seemännische Erfahrung. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil IV 6/53 U vom 4. Februar 1954, BStBl 1954 III S. 147, Slg. Bd. 58 S. 618) müsse ein Unterschied gemacht werden zwischen einem Gutachter, der auf der Grundlage von Disziplinen, die an Hochschulen gelehrt würden, und nach sachlichen und objektiven Gesichtspunkten eine qualifizierte Tätigkeit ausübe, die der Lösung schwieriger Streitfragen diene, und solchen Gutachtern, die, wie z. B. Immobilienmakler und Baumeister, bei ihrer Tätigkeit an ihre Marktkenntnisse oder gewerblichen oder handwerklichen Erfahrungen anknüpften.
Mit der Rb. rügt der Bf. nicht genügende Aufklärung des Sachverhalts. Das Finanzgericht hätte ein Sachverständigengutachten, etwa von der Industrie- und Handelskammer oder vom Senator für Wirtschaft, einholen müssen, um sich ein zutreffendes Bild von seiner (des Bf.) Berufstätigkeit zu verschaffen. Mangels fachlicher Kenntnisse auf den einschlägigen Spezialgebieten sei es hierzu von sich aus nicht in der Lage gewesen. Unrichtig sei zunächst die Auffassung des Finanzgerichts, daß es sich bei der Tätigkeit als Eichaufnehmer um eine rein mechanische handle. Die Art der hierbei notwendigen technischen Verrichtungen erfordere gründliche Kenntnisse auf den Gebieten der höheren Mathematik und der Physik, und zwar hier insbesondere auf dem Gebiet der Mechanik und der Wärmelehre. Seine Tätigkeit sei der des Landmessers ähnlich, der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ausdrücklich aufgeführt sei. Hinsichtlich seiner Vorbildung sei zu bemerken, daß er während des Besuches der Seefahrtschule gleichzeitig sechs Semester Schiffsbau und Schiffsmaschinenkunde auf dem Technikum Bremen studiert habe. Soweit seine Tätigkeit bei ausländischen Schiffen in Betracht komme, müsse er auch die fremdsprachlichen Fachausdrücke beherrschen. Der Hinweis des Finanzgerichts auf § 36 GewO gehe fehl. Diese Vorschrift habe keine steuerliche Bedeutung. So sei in der alten, bis zum änderungsgesetz vom 5. Februar 1960 (BGBl 1960 I S. 61) in Kraft gewesenen Fassung dieser Bestimmung vom "Gewerbe der Feldmesser" die Rede. Auch in der Neufassung der Vorschrift seien noch auf dem Gebiet der Landvermessung tätige Personen erwähnt, während diese steuerlich zu den freien Berufen zählten. Daß die ausgeübte Tätigkeit neben den durch die Ausbildung gewonnenen Kenntnissen auch an die praktische Erfahrung anknüpfe, könne der Annahme eines freien Berufes nicht hinderlich sein; zur Ausübung eines solchen gehöre auch ein erhebliches Maß an praktischen Erfahrungen. Soweit er als Schiffs- und Ladungssachverständiger tätig werde, ähnle seine Tätigkeit der eines Ingenieurs und zum Teil auch wiederum der eines Landmessers, z. B. bei Winkelberechnungen in Kollisionsfällen. Auch diese Tätigkeit sei keine mechanische, sondern setze besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Physik (Mechanik, Schall-, Licht- und Wärmelehre, Magnetismus, Elektrizität), der Nautik und der Astronomie voraus. Seine Gutachtertätigkeit sei daher eine qualifizierte im Sinne des vom Finanzgericht angeführten Urteils des Bundesfinanzhofs IV 6/53 U vom 4. Februar 1954. Der Bf. hat schließlich noch auf das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf I 35/59 E vom 24. November 1960 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1961 S. 345) hingewiesen, in dem die Tätigkeit eines Eichaufnehmers als freiberuflich anerkannt worden ist, wobei sich das Gericht auf eine äußerung der Industrie- und Handelskammer gestützt hat.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Tätigkeit des Bf. nur dann zu den freien Berufen im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehört, wenn sie einem der dort aufgeführten Berufe ähnlich ist. Es hat zunächst hinsichtlich der Tätigkeit des Bf. als Eichaufnehmer die ähnlichkeit mit einem aufgeführten Beruf mit der Begründung verneint, daß es sich um eine rein mechanische Tätigkeit handle. Der Rb. ist darin beizutreten, daß diese Feststellung einer hinreichenden Begründung entbehrt. Es hätte festgestellt werden müssen, welche geistigen Anforderungen bei seiner Tätigkeit an den Eichaufnehmer gestellt werden. Dem Bf. ist auch zuzugeben, daß das Finanzgericht hierzu mangels eigener Sachkunde ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen. Die Bestimmung des § 36 GewO, auf die sich das Finanzgericht bezieht, kann, wie der Bf. ebenfalls zutreffend geltend gemacht hat, für die Frage, ob ein Berufsträger nach steuerlichen Grundsätzen als Gewerbetreibender oder als Angehöriger eines freien Berufes anzusehen ist, nicht herangezogen werden. Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen für die Beeidigung und öffentliche Anstellung von Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben, wobei ausdrücklich auch Nichtgewerbetreibende einbezogen sind (vgl. § 36 Abs. 1 Satz 2 a. a. O. neuer Fassung). Als eine Voraussetzung für die Annahme eines freien Berufes im steuerlichen Sinne kann auch nicht, wie das Finanzgericht meint, gefordert werden, daß der Berufsträger in gewissem Grad schöpferisch tätig wird (vgl. das einen Kraftfahrzeugsachverständigen und Schätzer betreffende Urteil des Bundesfinanzhofs IV 120/62 U vom 18. Juni 1963, BStBl 1963 III S. 557).
Allerdings muß, wie in dem vorgenannten Urteil unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtsprechung ausgeführt ist, dann, wenn der zu vergleichende angeführte Beruf ein wissenschaftlicher Beruf ist, auch der andere Beruf auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen. Dabei braucht jedoch die Ausbildung zu diesem Beruf keine akademische zu sein; es genügt vielmehr, daß sie auf wissenschaftlicher Grundlage beruht. Da im vorliegenden Fall nur ein Vergleich mit den Berufen des Landmessers und des Ingenieurs in Betracht kommt und es sich bei diesen Berufen um wissenschaftliche im vorgenannten Sinne handelt, muß im Streitfall für die Anerkennung der Tätigkeit des Bf. als eine freiberufliche verlangt werden, daß seine Ausbildung auf wissenschaftlicher Grundlage beruht. Diese Voraussetzung kann beim Bf. schon durch den Besuch der Seefahrtschule und weiterhin durch das in der Rb. erwähnte Studium am Technikum als erfüllt angesehen werden. Erforderlich ist weiter, daß der Bf. bei seiner Tätigkeit in der Hauptsache an die durch seine Ausbildung erworbenen Kenntnisse anknüpft.
Wenn das Finanzgericht hinsichtlich der Tätigkeit des Bf. als Schiffs- und Ladungssachverständiger ausgeführt hat, die darunter fallenden Verrichtungen gingen entweder über den Rahmen einfacher mechanischer Arbeiten nicht hinaus oder sie knüpften, wie die Gutachten, nicht an wissenschaftliche Schulung und Ausbildung, sondern an praktische seemännische Erfahrung an, so ist auch diese Feststellung nicht ausreichend begründet. Auch hierzu hätte das Finanzgericht ein Sachverständigengutachten einholen müssen. Für die steuerliche Beurteilung dieser Tätigkeit des Bf. gelten ebenfalls die oben angeführten Grundsätze. Wenn sich der Bf. bei seiner Gutachtertätigkeit auf die durch seine wissenschaftliche Ausbildung erworbenen Kenntnisse stützt, dann bestehen keine Bedenken, diese Tätigkeit als eine qualifizierte im Sinne des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 6/53 U vom 4. Februar 1954 (a. a. O.) anzusehen (vgl. das angeführte Urteil IV 120/62 U vom 18. Juli 1963).
Hiernach war die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Dieses hat nach Anhörung eines oder - falls wegen der verschiedenen Tätigkeitsarten erforderlich - mehrerer technischer Sachverständiger festzustellen, ob und inwieweit die Tätigkeit des Bf. unter Zugrundelegung der Verhältnisse im Streitjahr nach den oben angeführten Grundsätzen als freiberuflich anzusehen ist. Den Sachverständigen werden für ihre Beurteilung Arbeitsunterlagen des Bf. aus dem Streitjahr zugänglich zu machen sein. Kommt das Finanzgericht zu dem Ergebnis, daß von den verschiedenen Arten der Tätigkeit des Bf. ein Teil als freiberuflich, ein Teil als gewerblich zu behandeln ist, so hat es entsprechend der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu prüfen, inwieweit eine einheitliche Beurteilung oder eine getrennte Behandlung der einzelnen Tätigkeitsarten geboten ist (vgl. die Urteile des Bundesfinanzhofs I 116/55 U vom 23. Oktober 1956, BStBl 1957 III S. 17, Slg. Bd. 64 S. 46; IV 390/55 U vom 28. März 1957, BStBl 1957 III S. 182, Slg. Bd. 64 S. 490, und IV 235/60 U vom 16. Februar 1961, BStBl 1961 III S. 210, Slg. Bd. 72 S. 574).
Fundstellen
Haufe-Index 411124 |
BStBl III 1964, 273 |
BFHE 1964, 112 |
BFHE 79, 112 |