Leitsatz (amtlich)
Der Begriff des im Hauptberuf bewirtschafteten, dem Landwirt oder seinem Ehegatten oder den Ehegatten gemeinsam gehörigen landwirtschaftlichen Betriebs setzt Eigenland in einem Umfang voraus, der den hauptberuflichen, d. h. überwiegenden Einsatz wenigstens einer erwachsenen Arbeitskraft bedingt.
Bewirtschaftet der Erwerber als Nur-Landwirt zusätzlich noch einen größeren Pachtbetrieb, so bleibt er doch Landwirt im Hauptberuf auch hinsichtlich der Bewirtschaftung seines Eigenbetriebes.
Baden-Württembergisches Gesetz über Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der inneren Verkehrslage land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 6. Februar 1956 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1956 S. 8, BStBl 1956 II S. 46) in der Fassung des änderungsgesetzes vom 21. Juli 1958 (Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1958 S. 190,
Tatbestand
I. -
Durch notariellen Kaufvertrag vom 28. März 1962 erwarb der Bg. einen 0,5167 ha großen Acker in der Gemeinde St. Er beantragte Grunderwerbsteuerbefreiung, da er auf der Gemarkung St. einen landwirtschaftlichen Betrieb unterhalte (§ 1 Abs. 1 Ziff. 2 des Gesetzes über Erleichterungen bei der Grunderwerbsteuer für den Erwerb von Grundstücken zur Verbesserung der inneren Verkehrslage land- und forstwirtschaftlicher Betriebe vom 6. Februar 1956 - Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1956 S. 8, BStBl 1956 II S. 46 - in der Fassung des änderungsgesetzes vom 21. Juli 1958 - Gesetzblatt für Baden-Württemberg 1958 S. 190, BStBl 1958 II S. 169 -, im folgenden: Gesetz 1956/58). Zwar habe er die dort gelegenen, ihm gehörigen Grundstücke von zusammen 8,95 ha an andere Landwirte verpachtet, 2 ha aber - darunter auch das hinzuerworbene Grundstück - bewirtschafte er selbst von dem auf der Gemarkung Sch. gelegenen, 33,43 ha großen Gut X. aus, das er ab 1. Juni 1961 gepachtet habe. Er sei selbständiger Nur- Landwirt. Der Einheitswert seines eigenen landwirtschaftlichen Grundbesitzes betrage nicht 15.000 DM.
Das Finanzamt versagte die Grunderwerbsteuerbefreiung, da der Bg. im Hauptberuf keinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafte.
Seinen Einspruch begründete der Bg. damit, daß er in St. immer noch 2,5 ha eigene landwirtschaftliche Fläche mit eigenen Wirtschaftsgebäuden bewirtschafte, in denen er die dortige Ernte lagere.
Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Landwirt im Hauptberuf im Sinne des Gesetzes 1956/58 sei ein Landwirt nur dann, wenn er seine Arbeitskraft zum überwiegenden Teil für die Bewirtschaftung seines eigenen landwirtschaftlichen Betriebes einsetze. Da der Bg. in St. aber nur rd. 2,5 ha Eigenland von seinem rd. 15 bis 20 km entfernten Wohnsitz in Sch. aus, im übrigen aber den 33 ha großen Pachtbetrieb X. bei Sch. bewirtschafte, sei mit Sicherheit anzunehmen, daß er im Hauptberuf nicht seinen eigenen, sondern einen fremden landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschafte.
Die Berufung des Bg. - im wesentlichen darauf gestützt, daß die zusätzliche Bewirtschaftung eines Pachtbetriebes dem Bg. die Eigenschaft als hauptberuflicher Landwirt seines eigenen Betriebes nicht nehmen könne - hatte Erfolg. Das Finanzgericht hielt die Voraussetzung für gegeben, daß der Bg. einen ihm gehörigen landwirtschaftlichen Betrieb im Hauptberuf bewirtschafte, da er ausschließlich als selbständiger Landwirt tätig sei.
Mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Rb. macht der Vorsteher des Finanzamts erneut geltend, daß der Bg. hauptberuflich nicht seine rd. 4 ha großen eigenen Grundstücke in St., sondern den landwirtschaftlichen Pachtbetrieb von 33 ha in Sch. bewirtschafte.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rb. führt - wenn auch aus anderen als den vorgebrachten Gründen - zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Befreiungsvorschrift des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 des Gesetzes 1956/58 setzt zu ihrer Anwendung, soweit dies im Streitfall wesentlich ist, voraus, daß der Erwerber als Landwirt im Hauptberuf einen ihm gehörigen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet. Der Begriff "Hauptberuf" im Sinne dieser Vorschrift ist - und dies hat die Vorinstanz verkannt - in zweifacher Weise bedeutsam: Der Erwerber muß überhaupt Landwirt im Hauptberuf sein. Er muß außerdem einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften, dessen Größe den hauptberuflichen Einsatz einer landwirtschaftlichen Arbeitskraft fordert.
Der Bg. ist als Nur-Landwirt unstreitig Landwirt im Hauptberuf im Sinne des Gesetzes 1956/58, da er selbständig nur einen landwirtschaftlichen Pachtbetrieb und eigene landwirtschaftliche Grundstücksflächen bewirtschaftet, darüber hinaus eine andere Tätigkeit aber nicht ausübt. Es ist durchaus denkbar - darin ist dem Finanzgericht beizupflichten -, daß ein Landwirt im Hauptberuf zugleich sowohl einen Pachtbetrieb als auch einen Eigenbetrieb bewirtschaftet. Daraus folgt, daß die zusätzliche Bewirtschaftung eines Pachtbetriebes dem Landwirt die Eigenschaft als Landwirt im Hauptberuf auch bezüglich der Bewirtschaftung seines Eigenbetriebes nicht nehmen kann. In Fällen dieser Art kann es, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Nur-Landwirt seine eigene Arbeitskraft überwiegend im eigenen oder im Pachtbetrieb einsetzt. Insoweit bemerkt das Finanzgericht richtig, daß der Kernpunkt des Urteils des erkennenden Senats II 83/58 U vom 26. Juli 1961 (BStBl 1961 III S. 540, Slg. Bd. 73 S. 752) - wie auch sein Rechtsspruch zeigt - in der Entscheidung lag, ob die Tätigkeit als selbständiger Landwirt hauptberuflich ausgeübt werde, wenn diese Tätigkeit von einer außerlandwirtschaftlichen oder auch von einer nicht selbständigen landwirtschaftlichen Tätigkeit zu unterscheiden war, etwa von der eines sogenannten Arbeiter-Landwirts, eines ländlichen Handwerkers, eines Gutsverwalters oder auch eines Landarbeiters. Wenn solche Personen ihre Arbeitskraft überwiegend in einem eigenen nichtlandwirtschaftlichen (z. B. gewerblichen) Betrieb oder auch in einem fremden (nichtselbständig auch in einem landwirtschaftlichen) Betrieb einsetzen, dann können sie nicht mehr als selbständige Landwirte im Hauptberuf angesprochen werden. Nur diese Unterscheidung liegt auch dem in dem oben angeführten Urteil II 83/58 U vom 26. Juli 1961 zitierten Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 30. August 1957 S 4500 - 172/56 zugrunde.
Die Tatsache allein, daß der Bg. außer eigenen Grundstücken den flächenmäßig erheblich größeren Pachtbetrieb in Sch. bewirtschaftet, kann also nicht zur Versagung der beantragten Steuerbefreiung führen.
Andererseits bedingt der Umstand, daß der Bg. selbständiger Nur-Landwirt im Hauptberuf ist, aber nicht ohne weiteres, daß er auch seine eigenen und eigengenutzten landwirtschaftlichen Grundstücksflächen als einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. a des Gesetzes 1956/58 bewirtschaftet, wie dies zur Steuervergünstigung erforderlich ist. Das Finanzgericht unterstellt dies, ohne jedoch darzutun, was es unter einem landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Gesetzes 1956/58 versteht und worin es diesen eigenen und auch eigenbewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb des Bg. erblickt, zu dem das Grundstück hinzuerworben sein muß.
Der Begriff des landwirtschaftlichen Betriebs ist im Gesetz 1956/58 selbst nicht bestimmt. Bei der sich aus § 1 Abs. 1 Ziff. 2 Buchst. c des Gesetzes 1956/58 durch ausdrückliche Verweisung auf § 5 Ziff. 2 BewDV ergebenden unmittelbaren Anlehnung an das Bewertungsrecht muß nach Auffassung des Senats davon ausgegangen werden, daß nach Wortlaut und Willen des Gesetzes 1956/58 als landwirtschaftlicher Betrieb im allgemeinen (dem Grundsatz nach) die dauernd einem landwirtschaftlichen Zweck dienende wirtschaftliche Einheit im Sinne des Bewertungsrechts (§ 29 in Verbindung mit § 2 BewG) zu gelten hat, soweit sich nicht aus dem Gesetz 1956/58 selbst Abweichungen ergeben. So werden angesichts des Umstandes, daß das Gesetz 1956/58 die Bewirtschaftung durch einen Landwirt im Hauptberuf fordert, reine Stückländereien (ohne Betriebsgebäude und Betriebsmittel) in der Regel einen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Gesetzes 1956/58 nicht bilden können, obwohl solche Ländereien als landwirtschaftliche Betriebe im Sinne des BewG gelten (vgl. Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 29 BewG, Tz. 2; Urteil des Bundesfinanzhofs IV 134/54 U vom 31. März 1955, BStBl 1955 III S. 150, Slg. Bd. 60 S. 392). Denn das Gesetz 1956/58 will, wie sich aus der Entstehungsgeschichte in übereinstimmung mit dem entsprechenden Wortlaut (der überschrift und) des § 1 Abs. 1 Ziff. 2 ergibt, im Interesse der Verbesserung der landwirtschaftlichen Betriebsführung die Aufstockung kleinbäuerlicher "wirklich lebender Betriebe" fördern (vgl. Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg zum Gesetzesentwurf 1956: 1. Wahlperiode, 76. Sitzung, Beilage 1713 S. 2523 ff., 89. Sitzung, S. 4315 f., und zum Entwurf des änderungsgesetzes 1958: 2. Wahlperiode, 32. Sitzung, S. 1516 ff., 1517 rechte Spalte letzter Abs.). Nach Auffassung des Senats setzt dies allerdings nicht voraus, daß ein solcher Betrieb bereits vor dem Zuerwerb einen vollen landwirtschaftlichen Besatz aufweist; es kann vielmehr genügen, daß der Erwerber ihm gehörige landwirtschaftliche Grundstücke mit Hilfe von Betriebsgebäuden und Betriebsmitteln bewirtschaftet, die ihm z. B. nur auf Grund eines Pacht- oder sonstigen Nutzungs- (auch Mitbenutzungs) rechts, jedoch in dem für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen.
Die hauptberufliche Bewirtschaftung eines dem Erwerber (oder seinem Ehegatten oder den Ehegatten gemeinsam) gehörigen, also in seinem Eigentum befindlichen landwirtschaftlichen Betriebs verlangt zwar nach dem Gesetzeswortlaut nicht bestimmte Mindestgröße eigener landwirtschaftlicher Grundstücksflächen. Andererseits setzt aber die Gewährung der Steuervergünstigung doch Eigenland in einem Umfang voraus, der diesen hauptberuflichen, d. h. überwiegenden Einsatz wenigstens einer erwachsenen landwirtschaftlichen Arbeitskraft bedingt (vgl. auch Verhandlungen des Landtags von Baden-Württemberg, 2. Wahlperiode, 32. Sitzung, S. 1518 linke Spalte 1. Abs.). Diese Erfordernis steht im Einklang mit dem Zweck des Gesetzes, das der Vergrößerung der für eine rationelle Bewirtschaftung zu kleinen, aber immerhin bereits bestehenden und (objektiv) aufstockungswürdigen Betriebe dienen soll, nicht aber erst der Bildung neuer, wieder aufstockungsbedürftiger Betriebe (vgl. auch Verhandlungen des Landtags Baden-Württemberg, 1. Wahlperiode, 76. Sitzung, Beilage 1713, S. 2524 linke Spalte Mitte; 2. Wahlperiode, 32. Sitzung, S. 1517 rechte Spalte 3. Abs.). Dagegen wird nicht gefordert werden können, daß der erwerbende Landwirt als Betriebsleiter in jedem Fall die landwirtschaftlichen Flächen auch persönlich (eigenhändig) bestellt.
Wann die Voraussetzung genügend umfangreichen Eigenlandes in diesem Sinne erfüllt ist, wird sich im Einzelfall nach der (auch durch die örtlichen Verhältnisse bedingten) Art der betriebsüblichen Nutzung durch den Eigentümer richten.
Das Urteil der Vorinstanz, das den Bg. von der Grunderwerbsteuer aus anderen rechtlichen Erwägungen freigestellt hat, war deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das Finanzgericht, an das die Sache zurückverwiesen wird, hat - wie bereits erwähnt - bisher noch nicht dargetan, worin es den dem Bg. gehörigen landwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Gesetzes 1956/58 erblickt, zu dem das strittige Grundstück hinzuerworben sein kann. Das Finanzgericht wird also nunmehr unter Beachtung der vom Senat entwickelten Rechtsgrundsätze zu prüfen haben, ob der Bg. im maßgebenden Zeitpunkt des Zuerwerbs in St. einen eigenen landwirtschaftlichen, wirklich lebenden Betrieb mit Hilfe ihm zur Verfügung stehender Betriebsgebäude und Betriebsmittel bewirtschaftet hat. Die bisherigen Angaben über die eigenbewirtschafteten Grundstücksflächen schwanken zwischen 2 bzw. 2,5 ha (ohne Hinzuerwerb) und 3,2 ha (einschließlich Hinzuerwerb) Ackerland zuzüglich 0,02 ha Gartenland und 0,72 ha Wald. Die Frage, ob ein landwirtschaftlicher Betrieb zu bejahen ist, ist nach dessen tatsächlichem Zustand ohne den Hinzuerwerb zu beantworten. Auch die dem Bg. zwar gehörenden, aber verpachteten Grundstücksflächen scheiden als nicht eigenbewirtschaftet aus. Insoweit wäre eine Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit (Einheiten) durch die Bewertungsstelle des Finanzamts für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung nicht bindend (s. z. B. Entscheidung des Bundesfinanzhofs II 213/59 vom 28. Februar 1962, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 Nr. 293 S. 307).
Kommt das Finanzgericht zu der Feststellung, daß der Bg. im maßgebenden Zeitpunkt über einen solchen eigenen und auch eigenbewirtschafteten Betrieb verfügte, so wird es außerdem zu untersuchen haben, ob der Umfang des Eigenlandes und die (bisher ebenfalls nicht genügend aus den Akten ersichtliche) Art seiner Bewirtschaftung - wiederum abgestellt auf den Zeitpunkt des Zuerwerbs - den hauptberuflichen, d. h. überwiegenden Einsatz einer erwachsenen landwirtschaftlichen Arbeitskraft bedingten.
Dagegen kann es - entgegen dem Hinweis des Finanzgerichts - trotz der überschrift des Gesetzes 1956/58 auf die Lage des hinzuerworbenen Grundstücks als Zwischenstück zwischen zwei dem Bg. und dessen Sohn bereits gehörigen Grundstücken nicht entscheidend ankommen, da § 1 Abs. 1 Ziff. 2 anders als Ziff. 1 des Gesetzes 1956/58 eine Verbesserung der inneren Verkehrslage des Betriebes weder fordert noch als ausreichend bezeichnet. Ebenso ist schließlich die Absicht des Bg. unerheblich, später die zur Zeit verpachteten Grundstücke in St. wieder selbst zu bewirtschaften, da die Frage, ob die Voraussetzungen einer Steuervergünstigung vorliegen, bei der Grunderwerbsteuer als einer Einzelverkehrsteuer nur nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld zu beantworten ist.
Fundstellen
Haufe-Index 411121 |
BStBl III 1964, 249 |
BFHE 1964, 46 |
BFHE 79, 46 |