Leitsatz (amtlich)
Bei Betriebsaufspaltung kann das gewerbesteuerpflichtige Besitzunternehmen nicht die - nur für vermögensverwaltende Grundstücksunternehmen geltende - Vorschrift über die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags in Anspruch nehmen.
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Kläger und Revisionsbeklagter (Kläger) ist der Inhaber des aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangenen Besitzunternehmens. Ursprünglich hatte eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR) als Besitzunternehmen bestanden. Betriebsgesellschaft war seit der Betriebsaufspaltung im Jahre 1941 eine GmbH. Das Besitzunternehmen hatte bei der Betriebsaufspaltung die Grundstücke, die Fabrikgebäude und die Wohngebäude behalten, während alle anderen Anlage- und Umlaufgüter an die GmbH gefallen waren.
Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) lehnte in den Gewerbesteuer-Meßbescheiden für die Erhebungszeiträume 1964 bis 1967 die Anwendung der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf die aus der Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes erzielten Teile des Gewerbeertrages ab, da Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft wirtschaftlich ein einheitliches Unternehmen bildeten. Die Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Das FG gab der Klage statt. Es ging davon aus, daß die Begünstigungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auch bei einer Betriebsaufspaltung für das Besitzunternehmen gelte. Wenngleich nach der ständigen Rechtsprechung des BFH - vgl. Urteil vom 28. Januar 1965 IV 179/64 U, BFHE 81, 40, BStBl III 1965, 261; dazu Beschluß des BVerfG vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62, BStBl II 1969, 389 - das Besitzunternehmen über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt sei, so folge hieraus nicht, daß beide Unternehmen eine unternehmerische Einheit im Sinne des Gewerbesteuergesetzes bildeten. Vielmehr bestünden auch dann zwei getrennte, selbständige Gewerbebetriebe nebeneinander. Diese hätten dementsprechend ihre Gewinne selbständig zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 1967 VI 169/65 BFHE 88, 319, BStBl III 1967, 387). Für jedes der beiden Unternehmen müßten auch Gewerbeertrag und Gewerbekapital gesondert ermittelt werden. Daraus folge, daß die Vorschriften, die die Ermittlung des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals beträfen, jeweils gesondert für jedes der beiden Unternehmen angewendet werden müßten. Die mittelbare Beteiligung des Besitzunternehmens über die Betriebsgesellschaft am wirtschaftlichen Verkehr habe nur zur Folge, daß das Besitzunternehmen als Gewerbebetrieb im Sinne des Gewerbesteuergesetzes gelte und seine Erträge damit gewerbesteuerpflichtig seien. Eine wirtschaftliche Einheit beider Unternehmen liege indessen nicht vor. Der Kläger habe in den Streitjahren nur eigenen Grundbesitz genutzt und verpachtet.
Das FA beantragt in seiner Revision die Aufhebung der Vorentscheidung und die Wiederherstellung der ursprünglichen Gewerbesteuer-Meßbescheide 1964 bis 1967. Es ist der Auffassung, daß die Tätigkeit des Besitzunternehmens nicht losgelöst von der des Betriebsunternehmens gesehen werden könne. Die Ablehnung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ergebe sich bereits aus der Bejahung der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens.
Der Kläger beantragt die Abweisung der Revision. Er führt aus, daß er in den Geschäftsjahren 1964 bis 1967 nur Grundbesitz verpachtet habe.
Zu Unrecht nehme das FA ein einheitliches Unternehmen an, das aus dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen bestehe (vgl. BFH-Beschluß vom 8. November 1971 Gr. S. 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63). Der BFH gehe hiernach von dem Vorhandensein zweier Unternehmen aus, die losgelöst voneinander zu betrachten seien. Für Besitz- und Betriebsunternehmen müsse deshalb getrennt geprüft werden, ob die gewerbesteuerlichen Kürzungsvorschriften anzuwenden seine.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
1.Das FG ging bei seiner Entscheidung von der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens aus. Nach dem BFH-Beschluß Gr. S. 2/71 ist für die Bejahung der Gewerbesteuerpflicht erforderlich, daß die Person, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrscht, in der Lage ist, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist nach den Verhältnissen des einzelnen Falles zu entscheiden. Da das FG die Beteiligungsverhältnisse an der Betriebsgesellschaft nicht festgestellt hat (zu welcher Feststellung von seinem Rechtsstandpunkt kein Anlaß bestanden hatte), kann der Senat nicht beurteilen, ob in beiden Unternehmen ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille im Sinne des Beschlusses Gr. S. 2/71 geherrscht hat. Die Sache muß deshalb an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.
Falls das FG zu dem Ergebnis gelangt, daß die Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens nach den obigen Grundsätzen zu bejahen ist, kann dem Kläger - entgegen der Auffassung des FG - die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht zugebilligt werden. Das ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:
2. Nach der Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, die Kürzung der Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen (§§ 7, 8 GewStG) um den Teil des Gewerbeertrags in Anspruch nehmen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.
a) Ein Grundstücksunternehmen in diesem Sinne liegt nur dann vor, wenn die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes als solche keine gewerbliche Tätigkeit bildet, d. h. für sich betrachtet den Rahmen einer Vermögensverwaltung nicht überschreitet.
Der Bereich der Verwaltung und Nutzung im Sinn der erweiterten Kürzungsvorschrift ist von der Rechtsprechung dahin abgegrenzt worden, daß es sich um eine Tätigkeit handeln muß, die als solche nicht gewerbesteuerpflichtig ist (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juli 1969 I R 21/67, BFHE 96, 362, BStBl II 1969, 629; I R 134/66; vom 24. September 1970 I R 21/70, BFHE 100, 210, BStBl II 1970, 871). Das Ergebnis dieser Rechtsprechung kann dahin zusammengefaßt werden, daß die in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bezeichnete Verwaltungstätigkeit eine Vermögensverwaltung im Sinne des § 9 GewStDV sein muß.
Für diese Auslegung spricht eindeutig die Entwicklungsgeschichte der erweiterten Kürzungsvorschrift. Die Vorschrift bezweckte ursprünglich die Gleichstellung von reinen Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft, die nur wegen dieser ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig waren (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GewStG), mit den die gleiche Tätigkeit ausübenden Personenunternehmen, die mit dieser Tätigkeit nicht der Gewerbesteuerpflicht unterlagen (vgl. zur Entstehungsgeschichte insbesondere BFH-Urteil vom 7. April 1967 VI 294/65, BFHE 89, 130, BStBl III 1967, 559). Die späteren Erweiterungen der Vorschrift, welche die Errichtung und Veräußerung von Eigenheimen usw. und die damit zusammenhängende Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereiches der Vorschrift betrafen, berührten diesen ursprünglichen Kern der gesetzlichen Regelung nicht. Ihr Grundgedanke ist daher für die Auslegung des Begriffes der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes weiterhin maßgebend geblieben (so zutreffend Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, Anm. 16 zu § 9 Nr. 1, S. 16a f.).
b) Bloße Vermögensverwaltung ist indessen dann nicht mehr gegeben, wenn wegen Vorliegens besonderer Umstände eine gewerbliche Tätigkeit anzunehmen ist. Das ist der Fall bei einer echten oder sogenannten unechten Betriebsaufspaltung, die zur Bejahung der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens führt.
Die Vorinstanz ging zwar davon aus, daß die erweiterte Kürzungsvorschrift in Fällen der Betriebsaufspaltung deshalb nicht angewendet werden könne, weil Besitzunternehmen und Betriebskapitalgesellschaft eine wirtschaftliche Einheit bildeten, aufgrund deren das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehme. Der Annahme einer solchen wirtschaftlichen Einheit bedarf es indessen für die Bejahung gewerblicher Tätigkeit nicht. Das hat der Große Senat des BFH in seinem vom Kläger angeführten Beschluß Gr. S. 2/71 dargelegt. Danach kommt es für die Beurteilung der Frage, ob sich das Besitzunternehmen gewerblich betätigt, nicht darauf an, ob dieses Unternehmen mit der Betriebsgesellschaft ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen bildet. Der Große Senat ging deshalb für die Entscheidung der ihm vorgelegten Rechtsfrage von dem Vorhandensein zweier Unternehmen aus. Es genügt nach seiner Auffassung bereits für die Annahme der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens, daß dessen Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit durch besondere sachliche und personelle Merkmale gekennzeichnet ist. Diese bestehen darin, daß Wirtschaftsgüter, insbesondere Grundstücke, die zu den wesentlichen Grundlagen des übergegangenen Betriebs gehören (Fall der echten Betriebsaufspaltung), bei dem Besitzunternehmen verbleiben und daß nach der Betriebsaufspaltung eine enge personelle Verflechtung beider Unternehmen gegeben ist. Eine entsprechende Gestaltung führt auch bei der sogenannten unechten Betriebsaufspaltung zur Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens (vgl. außerdem BFH-Urteil vom 24. Juni 1969 I 201/64, BFHE 97, 125, BStBl II 1970, 17). Es handelt sich nach alledem um eine besonders qualifizierte Grundbesitzverpachtung oder -vermietung, die, wie der Große Senat, a. a. O., dargelegt hat, den Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung im Sinne des § 9 GewStDV überschreitet. Daraus folgt, daß die Bejahung der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ausschließt. Auf die Frage einer wirtschaftlichen Einheit von Besitzunternehmen und Betriebskapitalgesellschaft, die in anderen Beziehungen von steuerrechtlicher Bedeutung sein kann, braucht der erkennende Senat hier nicht einzugehen.
Fundstellen
Haufe-Index 70519 |
BStBl II 1973, 686 |
BFHE 1973, 456 |