Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung umgebauter Personenkraftwagen: Abgrenzung zwischen LKW und PKW, Fahrzeugart nach mangelnder finanzbehördlicher Ermittlung keine neue Tatsache, Maßgeblichkeit der Konzeption des Herstellers, Entfernung der Rücksitzbank und Einbau einer Abtrennung zur Ladefläche bei einem "Toyota LandCruiser", eingeschränkte revisionsrechtliche Überprüfbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Beurteilung umgebauter Personenkraftwagen.
2. Die Finanzbehörde verletzt ihre Ermittlungspflicht, wenn sie der Kraftfahrzeugsteuerveranlagung unter Verzicht auf für die Beurteilung notwendige Daten die verkehrsrechtliche Einstufung des umgebauten Fahrzeugs (1.) --als Lastkraftwagen-- zugrunde legt. Eine verbösernde Änderungsfestsetzung wegen nachträglich erkannter Unerheblichkeit der Umbauten scheidet in solchen Fällen aus.
Orientierungssatz
1. Die verkehrsrechtliche Einstufung von Fahrzeugen ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend. Ob ein Personen- oder ein Lastkraftwagen vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu beurteilen. Bei der Bewertung, ob Umbauten die Fahrzeugart verändert haben, spielt die ursprüngliche Konzeption des Herstellers eine wichtige Rolle. Eine von der Herstellerkonzeption abweichende Fahrzeugart kann sich nur aufgrund von Umbauten ergeben, die, auf Dauer angelegt, das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs wesentlich verändern. Ob dies anzunehmen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden.
2. Ob ein Umbau an einem Kraftfahrzeug zu einem Wechsel der Fahrzeugart führt, ist vom Tatsachengericht festzustellen; eine revisionsgerichtliche Überprüfung ist nur in beschränktem Umfang möglich. Das Ergebnis des FG, der Umbau an einem "J 6 Toyota LandCruiser" (im Streitfall: Entfernung der Rücksitzbank, Einfügung einer Abtrennung zur Sicherung von Ladegut) habe keine Änderung der Fahrzeugart vom PKW zum LKW bewirkt, ist daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 88; FGO § 118 Abs. 2; KraftStDV 1994 § 5 Abs. 3, § 6; KraftStG 1994 § 2 Abs. 2 S. 1, § 8 Nrn. 1-2
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war von 1986 bis 1996 Halter eines 1984 zugelassenen Diesel-Fahrzeugs, das zunächst als Personenkraftwagen besteuert, dann aber von der Zulassungsstelle nach vom Kläger veranlaßten Umbauten (Entfernung der Rücksitzbank, Einfügung einer Abtrennung zur Sicherung von Ladegut) 1989 verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen eingestuft und danach auch von dem beklagten und revisionsbeklagten Finanzamt (FA) kraftfahrzeugsteuerrechtlich entsprechend behandelt wurde (Nutzfahrzeugbesteuerung). Nachdem dem FA im Laufe einer 1996 angestellten Überprüfung ("Datenabgleich") bekanntgeworden war, daß es sich um einen umgebauten Geländewagen handelte, wurde das Fahrzeug rückwirkend als Personenkraftwagen nach dem Hubraum --höher-- besteuert.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Trotz der Umbauten sei das Fahrzeug ein Personenkraftwagen geblieben; auch durch Herausnahme der rückwärtigen Sitze sei die Eignung zur Personenbeförderung nur eingeschränkt, aber nicht aufgehoben worden. Die Voraussetzungen für die rückwirkende Festsetzungsänderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) lägen vor. Davon, daß das Fahrzeug ein als Personenkraftwagen zu besteuernder Geländewagen geblieben sei, habe das FA 1989 keine Kenntnis gehabt. Ihm seien nur die für den Steuerbescheid erforderlichen Daten übermittelt worden (mit dem Ergebnis der verkehrsrechtlichen Einstufung: "Lkw geschlossen Kasten"), ohne Hinweis auf den Fahrzeugtyp (J 6 Toyota LandCruiser), der erst die Feststellung eines als Personenkraftwagen zu versteuernden Geländewagens ermöglicht hätte. Die verspätete Erkenntnis beruhe nicht auf einer Verletzung amtlicher Ermittlungspflichten. Auf das Problem der kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Beurteilung von verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen anerkannten umgebauten Fahrzeugen seien die Finanzämter von den Aufsichtsbehörden erst im November 1993 hingewiesen worden; erst seither würden von den Zulassungsstellen veranlaßte Änderungen der Fahrzeugart kraftfahrzeugsteuerrechtlich überprüft.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des Klägers.
Das FA hält die Vorentscheidung für zutreffend und meint, aufgrund der vor der Änderungsfestsetzung eingeholten telefonischen Auskunft des Klägers (geschlossener Geländewagen) sei eine Besichtigung des in seinem äußeren Erscheinungsbild nicht geänderten Fahrzeugs nicht geboten gewesen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und der angefochtenen Bescheide (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar richtig entschieden, daß das Fahrzeug des Klägers auch nach den erfolgten Umbauten kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Personenkraftwagen zu behandeln war, doch hat es die angegriffene verbösernde Änderungsfestsetzung zu Unrecht für rechtmäßig erachtet.
1. Keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen die Beurteilung des --umgebauten-- Fahrzeugs als Personenkraftwagen, der der Hubraumbesteuerung unterliegt (§ 8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes 1994 --KraftStG--). Nach den gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG maßgebenden verkehrsrechtlichen Vorschriften (zu ihnen Senat, Urteile vom 28. Juli 1992 VII R 118/91, BFHE 169, 468, BStBl II 1993, 250, und vom 5. Februar 1985 VII R 181/82, BFHE 142, 515, BStBl II 1985, 230) sind "Personenkraftwagen" nach Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als 8 Fahrgastplätzen einschließlich der sogenannten Kombinationskraftwagen, die geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen (jetzt § 23 Abs. 6 a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung). Lastkraftwagen --"andere", gewichtsbesteuerte Fahrzeuge i.S. von § 8 Nr. 2 KraftStG-- sind Kraftfahrzeuge, die nach ihrer Bauart und Einrichtung zur Beförderung von Gütern bestimmt sind (§ 4 Abs. 4 Nr. 3 des Personenbeförderungsgesetzes).
Die verkehrsrechtliche Einstufung ist kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht bindend (arg. § 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG; Senat, Urteile vom 26. November 1991 VII R 88/90, BFH/NV 1992, 414, und vom 30. November 1993 VII R 49/93, BFH/NV 1994, 741; BFHE 169, 468, 471 a.E.; Olbertz, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuerrecht --UVR-- 1996, 383 f.; unklar FG Düsseldorf, Urteil vom 26. Januar 1993 8 K 435/89 Verk, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1993, 608).
Ob ein Personen- oder ein Lastkraftwagen vorliegt, ist unter Berücksichtigung von Bauart und Einrichtung des Fahrzeugs zu beurteilen. Bei der Bewertung, ob Umbauten die Fahrzeugart verändert haben, spielt die ursprüngliche Konzeption des Herstellers eine wichtige Rolle (vgl. BFH/NV 1992, 414 - Zugmaschine; FG München, Urteil vom 19. Juli 1995 4 K 2575/94, EFG 1995, 1122; FG Münster, Urteil vom 31. Januar 1996 13 K 6455/94 Kfz, EFG 1996, 500; FG Nürnberg, Urteil vom 17. Juli 1995 VI 83/94, EFG 1995, 1121). Eine von der Herstellerkonzeption abweichende Fahrzeugart kann sich nur aufgrund von Umbauten ergeben, die, auf Dauer angelegt, das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs wesentlich verändern (vgl. EFG 1995, 1122; FG Düsseldorf, Beschluß vom 16. Oktober 1996 8 V 4392/96 A (Verk), EFG 1997, 143; ferner Bruschke, UVR 1996, 303, 305). Ob dies anzunehmen ist, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden; eine revisionsgerichtliche Überprüfung ist nur in beschränktem Umfang möglich. Umbauten, wie sie im Streitfall erfolgt sind, an typgleichen Fahrzeugen (Entfernung der Rücksitzbank und der Sicherheitsgurte; Einbau einer Trennwand) bewirken nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung keine Änderung der Fahrzeugart vom Personen- zum Lastkraftwagen (FG Düsseldorf in EFG 1997, 143; FG Münster, Urteil vom 29. August 1995 13 K 228/95 Kfz, EFG 1995, 1123; die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen dieses Urteil ist vom erkennenden Senat durch den gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung ergangenen Beschluß vom 2. April 1996 VII B 258/95 zurückgewiesen worden).
Unter Zugrundelegung der dargestellten rechtlichen Maßstäbe ist das kraftfahrzeugsteuerrechtliche Ergebnis, zu dem die Vorinstanz gelangt ist, nicht zu beanstanden. Es ist jedenfalls möglich, ein als Personenkraftwagen hergestelltes Fahrzeug auch in Hinblick auf Umbauten der hier festgestellten Art als weiterhin (auch) zur Personenbeförderung geeignet und bestimmt anzusehen. Die Beschaffenheit der Ladefläche, auf die die Revision verweist, zwingt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die tatsächliche Bewertung durch das FG ist, da Verfahrensrügen nicht erhoben worden sind, für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
2. Trotz zutreffender kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Beurteilung des Streitfalles kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Sie ist vielmehr mit den angefochtenen Bescheiden aufzuheben, weil sich das FA entgegen der Auffassung des FG nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 stützen kann.
Nur diese Vorschrift kommt im Streitfall für die dem Kläger nachteilige Änderungsfestsetzung in Betracht (vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90, BFHE 166, 395, 397, BStBl II 1992, 324); die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Neufestsetzung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG sind nicht erfüllt.
Als neue Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 kommt die nachträgliche Feststellung der auch nach Umbau nicht wesentlich veränderten Fahrzeugbeschaffenheit in Betracht. Deren Unkenntnis muß rechtserheblich, d.h. für die Veranlagung --1989-- ursächlich gewesen sein, was der Fall ist, wenn das FA bei rechtzeitiger Kenntnis des wahren Sachverhalts bei der früheren Festsetzung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre (hierzu Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, 311, BStBl II 1995, 293, und vom 15. Januar 1991 IX R 238/87, BFHE 164, 492, 494, BStBl II 1991, 741). Diese Frage ist maßgeblich unter Berücksichtigung der damals für die Finanzverwaltung geltenden Verwaltungsanweisungen zu beurteilen (vgl. auch FG München, Beschluß vom 4. September 1996 4 V 2398/96, UVR 1997, 27, das allerdings nach seiner neueren Rechtsprechung schon bei Fehlen von Anweisungen zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Beurteilung von Umbaufällen die Rechtserheblichkeit verneinen möchte). Ob unter diesem Gesichtspunkt im Streitfall Bedenken gegen die Anwendung von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bestehen, kann offen bleiben. Denn auch, wenn die Rechtserheblichkeit und damit die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bejaht wird, könnte sich das FA nicht auf diese Rechtsgrundlage berufen.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine verbösernde Änderungsfestsetzung ausscheidet, wenn sie auf Tatsachen gründet, die der Finanzbehörde infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht trotz ordnungsgemäßer Mitwirkung des Steuerpflichtigen --zunächst-- unbekannt geblieben sind (vgl. für die Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung Senat in BFHE 166, 395, 397; allgemein auch BFH in BFHE 176, 308, 312); verletzt ist die Ermittlungspflicht (§ 88 AO 1977; vgl. für die Kraftfahrzeugsteuer auch § 6 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung --KraftStDV--) allerdings nur, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlage aufdrängen mußten, nicht nachgeht. Die letztere Voraussetzung hält der Senat nach den im Streitfall getroffenen Feststellungen für gegeben. Das FA hat sich bei der Neufestsetzung 1989 mit Daten begnügt --ihm von der Zulassungsstelle datentechnisch übermittelt (§ 5 Abs. 3 KraftStDV)--, die offenbar nicht vollständig waren. Es fehlte die Angabe des Fahrzeugtyps aus der im bezeichneten Verfahren nicht mehr an das FA übersandten Steuererklärung (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 KraftStDV; vgl. FG München, Urteil vom 19. Juli 1995 4 K 1586/94, EFG 1995, 1124), damit ein Hinweis, der die Beurteilung der Bedeutsamkeit der der verkehrsrechtlichen Umstufung zugrundeliegenden Umbauten ermöglicht. Insoweit wäre eine Rückfrage bei der Zulassungsstelle, u.U. sogar eine eigene Überprüfung des Fahrzeugs durch das FA, geboten gewesen. Daß Maßnahmen dieser Art in dem damals geübten Verfahren unterlassen wurden, kann nicht zu Lasten des steuerpflichtigen Halters gehen, sondern wirkt zum Nachteil des FA (richtig FG Düsseldorf in EFG 1997, 143). Ohne Bedeutung ist, daß der Aufklärungsbedarf sich nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar aus dem Fehlen eines Hinweises ergab. Wesentlich ist, daß die Sachlage nach den Gesamtumständen zwingend eine nähere Aufklärung erforderte. Die nach der Vorentscheidung später veranlaßte Änderung der datentechnischen Verfahrensweise bestätigt, daß die ursprüngliche Handhabung unzureichend war. Daß zur Zeit der Neufestsetzung entsprechende ausdrückliche Verwaltungsanweisungen noch fehlten, ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Die Maßgeblichkeit der Fahrzeugart für die Kraftfahrzeugbesteuerung steht unabhängig von Anweisungen zur Überprüfung von Umbaufällen fest.
Fundstellen
Haufe-Index 66329 |
BFH/NV 1997, 360 |
BStBl II 1997, 627 |
BFHE 183, 272 |
BFHE 1998, 272 |
BB 1997, 1350 (Leitsatz) |
DStRE 1997, 606-608 (Leitsatz und Gründe) |
DStZ 1997, 834 (Leitsatz) |
HFR 1997, 598-599 (Leitsatz) |
StE 1997, 401 (Kurzwiedergabe) |