Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Im Falle einer Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG sind bisher unversteuert gebliebene tarifbegünstigte Einkünfte im Sinne von § 34 Abs. 4 EStG vor Anwendung des ermäßigten Steuersatzes um den Härteausgleichsbetrag des § 70 EStDV zu kürzen.
Normenkette
EStG § 34/1, § 34 Abs. 4, § 46 Abs. 2 Ziff. 1, Abs. 5; EStDV § 70
Tatbestand
Der Bf. hatte im Jahr 1960 14.200 DM Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Steueramtmann, 583 DM Verlust aus Vermietung und Verpachtung und 1.804 DM Nebeneinkünfte aus selbständiger Arbeit (Vorlesungstätigkeit an einer Fachschule). Bei der Veranlagung gewährte das Finanzamt einen Härteausgleichsbetrag (§ 70 EStDV 1960) von 379 DM (1.600 DM ./. (1.804 ./. 583)), da die Einkünfte, die dem Lohnsteuerabzug nicht unterlagen, saldiert 1.221 DM betrugen. Den Betrag von 379 DM zog es von den nach § 34 Abs. 4 EStG begünstigten Einkünften ab, unterwarf 1.425 DM gemäß § 34 Abs. 4, Abs. 1 EStG einem Steuersatz von 10 v. H. und wandte auf das verbleibende Einkommen die Tabelle an.
Der Bf. vertrat demgegenüber in der mit Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts eingelegten Sprungberufung die Auffassung, daß nach dem Wortlaut des § 70 EStDV der Härteausgleichsbetrag nicht von den einzelnen Einkünften, sondern vom Einkommen abzuziehen sei. Erst wenn das zu versteuernde Einkommen ermittelt sei, komme die Tarifvorschrift des § 34 EStG zur Anwendung. Danach seien die vollen begünstigten Einkünfte nach § 34 EStG zu versteuern und das nach ihrer Aussonderung verbleibende übrige Einkommen nach der Tabelle.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht ließ sich hierbei im wesentlichen von der Erwägung leiten, daß bei Nebeneinkünften, die ohnehin nach § 46 EStG, § 70 EStDV außer Betracht blieben, für eine weitere Vergünstigung kein Raum mehr sei.
Entscheidungsgründe
Auch die Rb. ist nicht begründet.
Nach § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG 1960 wird ein Arbeitnehmer mit einem Einkommen bis zu 24.000 DM nur dann veranlagt, wenn die Einkünfte, von denen ein Lohnsteuerabzug nicht vorgenommen worden ist, insgesamt mehr als 800 DM betragen. Bei dem Betrag von 800 DM handelt es sich nicht um einen Freibetrag, sondern um eine Freigrenze. Um Härten in den Fällen, in denen die übrigen Einkünfte die Freigrenze nur geringfügig überschreiten, zu mildern, sieht § 46 Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 70 EStDV vor, daß vom Einkommen der Betrag abzuziehen ist, um den die übrigen Einkünfte niedriger als 1.600 DM sind. Die nicht lohnversteuerten Einkünfte sollen, wenn sie 800 DM übersteigen aber unter 1.600 DM liegen, nicht sofort voll, sondern nur zum Teil, wenn auch in steigendem Maß, erfaßt werden.
In übereinstimmung hiermit setzte das Finanzamt den unstreitigen Minderungsbetrag von 379 DM vom ermittelten Einkommen ab. Die Einkommensteuer wurde unter Berücksichtigung weiterer vom Einkommen abzusetzender Freibeträge nach einem unstreitig zu versteuernden Betrag von 11.326 DM berechnet. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanzen die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur in Höhe eines Betrags von 1.425 DM zubilligten, zuvor also den vollen Betrag der Einkünfte von 1.804 DM um den Härteausgleichsbetrag von 379 DM kürzten. Wie die Vorinstanz hierzu zutreffend darlegte, führt die Auslegung nach der Systematik des Einkommensteuerrechts, das heißt eine Auslegung, die § 34 Abs. 4 EStG im Sinnzusammenhang mit § 46 EStG und § 70 EStDV betrachtet, zwangsläufig zu dem Ergebnis, daß der ermäßigte Steuersatz nur noch auf den Teil der begünstigten Einkünfte anzuwenden ist, der in dem zu versteuernden Betrag noch enthalten ist. Wohl ist im § 70 EStDV vom Einkommen, von dem der Härteausgleichsbetrag abzuziehen ist, die Rede. Diese Vorschrift steht aber der Auffassung nicht entgegen, daß dieser Ausgleichsbetrag bei Anwendung des § 34 Abs. 4 EStG die Einkunftsart mindert, ohne deren Erzielung die Veranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG nicht notwendig gewesen wäre. Allein dieses Ergebnis entspricht dem Zweck der gesetzlichen Bestimmungen. Die Vorschrift des § 34 Abs. 4 EStG will lediglich einen steuerlichen Anreiz schaffen, durch Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer Tätigkeit ein höheres Einkommen zu erzielen. Soweit diese ohnehin gemäß § 46 EStG, § 70 EStDV unversteuert bleiben, ist für eine weitere Vergünstigung kein Raum. Auch eine wörtliche Auslegung des § 34 Abs. 4 EStG führt zu keinem anderen Ergebnis. Es liegt im Sinne dieser Vorschrift, sie auf Nebeneinkünfte auch insoweit anzuwenden, als diese nicht bereits infolge Härteausgleichs aus dem zu versteuernden Einkommen ausgeschieden sind. Es ist auch nicht Sinn der Vorschriften der § 46 Abs. 5 EStG und § 70 EStDV, den ermäßigten Steuersatz über die nach § 34 Abs. 4 EStG begünstigten Einkünfte hinaus auch für einen Teil der nichtbegünstigten Lohneinkünfte anzuwenden. Dies könnte zur Folge haben, daß bei Arbeitnehmern, die gemäß § 46 Abs. 2 Ziff. 1 EStG zu veranlagen sind, die ohne Berücksichtigung eines Teiles der tarifbegünstigten Einkünfte zu zahlende Steuer durch Einbeziehung dieser Nebeneinkünfte sinken würde.
Fundstellen
Haufe-Index 410843 |
BStBl III 1963, 379 |
BFHE 1964, 167 |
BFHE 77, 167 |
StRK, EStG:46/2/1 R 1 |
NJW 1963, 2096 |