Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsloses Darlehen zur Anschaffung eines Grundstücks als mittelbare Grundstücksschenkung?
Leitsatz (amtlich)
Bei einem zinslosen Darlehen ist Gegenstand der Zuwendung die unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen. Soll das Darlehen nach dem Willen des Darlehensgebers der Finanzierung eines Grundstückskaufs dienen, scheidet im Hinblick auf den eingeräumten Nutzungsvorteil eine mittelbare Grundstücksschenkung aus, weil dem Darlehensnehmer die Vorteile hieraus regelmäßig erst nach der Zahlung der Kaufpreise zufließen und diese deshalb nicht mehr mittelbarer Teil des bereits abgeschlossenen Grundstückserwerbs sein können.
Normenkette
ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1; BewG § 13 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt von ihren Schwiegereltern am 18. September 1991 darlehensweise jeweils 200 000 DM, zusammen 400 000 DM. Eine Rückzahlung des im Übrigen unverzinslichen Darlehens sollte "zu gegebener Zeit" erfolgen. Das Darlehen sollte zur Anschaffung eines in A gelegenen Grundstücks dienen. Am 19. September 1991 kaufte die Klägerin zusammen mit ihrem Ehemann, der ebenfalls insgesamt 400 000 DM von seinen Eltern darlehensweise bekommen hatte, dieses Grundstück zu einem Kaufpreis von 1 190 000 DM, wobei die Klägerin zu 1/3 Miteigentum erlangte. Der Kaufpreis war unter bestimmten Voraussetzungen am 31. Dezember 1991 fällig.
Aufgrund "Schenkungsvereinbarung" vom 12. Oktober 2000 verzichteten die Schwiegereltern u.a. gegenüber der Klägerin auf die Rückzahlung der gewährten Darlehen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) setzte durch zwei getrennte (Änderungs-)Bescheide vom 1. Juni 2001 wegen der zinslosen Darlehensgewährungen vom 18. September 1991 Schenkungsteuer gegen die Klägerin in Höhe von jeweils 8 575 DM fest.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, der Zinsvorteil aus der Gewährung der unverzinslichen Darlehen stelle eine mittelbare Grundstücksschenkung dar, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seiner klageabweisenden Entscheidung die Auffassung, dass die Grundsätze der mittelbaren Grundstücksschenkung auf eine unentgeltliche Kapitalnutzung nicht angewendet werden könnten. Eine mittelbare Schenkung setze voraus, dass der Beschenkte nach dem Willen des Schenkers nicht über das ihm zugewendete Geld, sondern erst über den hiermit erworbenen Gegenstand verfügen könne. Der dem Beschenkten gewährte Zinsvorteil diene aber nur mittelbar dem Grundstückserwerb, indem er dem Erwerber Aufwendungen (Zinszahlungen) erspare. Die Zuwendung eines Zinsvorteils könne deshalb nicht mehr als mittelbare Zuwendung von Grundbesitz angesehen werden. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 516 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung der Grundsätze zur mittelbaren Grundstücksschenkung. Es spiele keine Rolle, ob die zum Zwecke des Grunderwerbs bewirkte Vermögensmehrung durch Zuwendung eines Geldbetrages oder eines Zinsvorteils entstehe. Für die Schenkungsteuerfestsetzung sei deshalb von einem Drittel des erhöhten Einheitswerts des erworbenen Grundstücks auszugehen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen zu ändern und die Steuer auf jeweils 191,22 € festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es verweist darauf, dass die Vermögensmehrung bei der Klägerin nicht in Gestalt eines Grundstücksanteils, sondern in der Ersparnis von Zinsaufwendungen eingetreten sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG ist bei seiner Entscheidung zutreffend davon ausgegangen, dass als Gegenstand der Zuwendungen an die Klägerin vom 18. September 1991 nicht den jeweiligen Darlehen entsprechende Anteile an dem am 19. September 1991 erworbenen Grundstück, sondern die in der Gewährung zinsloser Darlehen liegenden Kapitalnutzungsmöglichkeiten anzusehen sind.
a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes ―ErbStG―) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ―BGB―). Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 5. Februar 1986 II R 188/83, BFHE 146, 164, BStBl II 1986, 460, und vom 6. März 2002 II R 85/99, BFH/NV 2002, 1030). Auszugehen ist danach zunächst vom Parteiwillen, im Falle der freigebigen Zuwendung vom Willen des Zuwendenden, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll. Entscheidend für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes ist indes, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker ―endgültig― tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dies ist die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) darstellende Bereicherung des Bedachten, an die die Wertermittlung gemäß den §§ 11, 12 ErbStG in der jeweils geltenden Fassung anknüpft (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 44/02, BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188, m.w.N.).
b) Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, muss sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen. "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein. In der Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks kann eine Grundstücksschenkung (sog. mittelbare Grundstücksschenkung) gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm ggf. übergebene Geld, sondern (erst) über das Grundstück frei verfügen kann; in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um die Geldsumme, sondern erst um das mit den zur Verfügung gestellten Geldmitteln erworbene Grundstück bereichert (BFH-Urteil in BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002 II R 75/00, BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273).
c) Eine durch die Hingabe des Darlehenskapitals vermittelte ―und deswegen mittelbare― Zuwendung des von der Klägerin erworbenen Miteigentumsanteils an dem Grundstück scheidet schon allein deshalb aus, weil durch die Darlehensgewährung als solche keine, auch keine teilweise (vgl. hierzu Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 7 Rdnr. 51) Entreicherung bei den Darlehensgebern eingetreten ist. Denn der Verpflichtung des Darlehensgebers, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, steht die Verpflichtung des Darlehensnehmers gegenüber, das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zurückzuerstatten (vgl. §§ 607 ff. BGB i.d.F. bis 31. Dezember 2001; § 488 BGB i.d.F. ab 1. Januar 2002). Die Darlehenshingabe führte deshalb bei den Schwiegereltern ―wie auch bei der Klägerin― zunächst nur zu einer Vermögensumschichtung, nicht aber zu einer Ent- bzw. Bereicherung. Soweit die Schwiegereltern objektiv nicht entreichert wurden, fehlt es an einem schenkungsteuerbaren Vorgang. Darauf, dass die Klägerin nach dem Willen ihrer Schwiegereltern gehalten war, den Darlehensbetrag für den Erwerb des Grundstücksmiteigentumsanteils einzusetzen, kommt es nicht an, weil ein solcher Wille allein keinen Schenkungsteuertatbestand erfüllt.
d) Die Hingabe des Darlehenskapitals hat auch nicht teilweise zu einer mittelbaren Grundstücksschenkung geführt. Soweit Meincke (a.a.O.) die Auffassung vertritt, Gegenstand der Zuwendung bei einer zinslosen Darlehensgewährung sei der Teilbetrag des Kapitals, dessen Zuwendung nicht durch die (abgezinste) Rückzahlungspflicht ausgeglichen werde, läge zwar eine (teilweise) Entreicherung der Darlehensgeber vor, die sich bei der Klägerin als (mittelbare) Grundstücksschenkung niedergeschlagen haben könnte. Dieser Bestimmung des Zuwendungsgegenstandes kann jedoch nicht zugestimmt werden. Es trifft zwar zu, dass der Darlehensnehmer Eigentümer des Kapitals und damit schon aus dieser Position heraus nutzungsberechtigt wird. Entscheidend ist aber nicht die Einräumung der Nutzungsberechtigung als solche, sondern die gleichzeitige Vereinbarung der Zinslosigkeit. Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631; vom 30. März 1994 II R 105/93, BFH/NV 1995, 70, und in BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273) bei einem zinslosen Darlehen Gegenstand der Zuwendung die unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen. Der Darlehensnehmer ist ―entgegen der Auffasung von Meincke― auch bei dieser Sichtweise "aus dem Vermögen des Darlehensgebers" bereichert, denn Letzterer hat sich als Folge der vereinbarten Zinslosigkeit seinerseits der Möglichkeit der Kapitalnutzung zu Gunsten des Darlehensnehmers begeben.
e) Auch eine durch die unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen, vermittelte ―und deswegen mittelbare― Zuwendung des von der Klägerin erworbenen Miteigentumsanteils an dem Grundstück liegt nicht vor.
Die Voraussetzungen einer mittelbaren Grundstücksschenkung sind nämlich nur erfüllt, wenn der Schenker dem Bedachten den für den Grundstückskauf bestimmten Geldbetrag bis zum Abschluss des Kaufvertrags zusagt und bis zur Tilgung der Kaufpreisschuld zur Verfügung stellt. Die Zusage bedarf nicht der in § 518 Abs. 1 BGB bestimmten Form, muss aber nachweisbar sein. Werden die Geldmittel erst nach Abschluss des Kaufvertrags zugesagt oder erhält sie der Bedachte erst nach Bezahlung des Kaufpreises, scheidet eine mittelbare Grundstücksschenkung aus (BFH-Urteil vom 2. Februar 2005 II R 31/03, zur Veröffentlichung bestimmt). In einem solchen Fall stellt sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten als Geldzuwendung dar (BFH-Urteil in BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188, m.w.N.).
Die Voraussetzungen für eine mittelbare Grundstücksschenkung liegen hier nicht vor, weil der Klägerin die Vorteile aus der unentgeltlichen Kapitalnutzungsmöglichkeit im Wesentlichen erst nach der Zahlung des Kaufpreises zugeflossen sind. Der Zuwendungsgegenstand "Kapitalnutzungsmöglichkeit" konnte und sollte von der Klägerin nicht dazu verwendet werden, die Grundstücksanschaffungskosten zu begleichen. Dies sollte vielmehr mit dem Darlehenskapital, das der Klägerin von ihren Schwiegereltern lediglich darlehensweise und damit nicht freigebig zugewendet wurde, geschehen. Die der Klägerin erst nach der Tilgung der Kaufpreisschuld zugeflossenen Vermögensvorteile in Form der unentgeltlichen Kapitalnutzung können deshalb nicht mehr mittelbarer Teil des bereits abgeschlossenen Grundstückserwerbs sein.
f) Wird ein Geldbetrag als Darlehen auf unbestimmte Zeit zinslos überlassen, ist als schenkungsteuerrechtliche Bereicherung der nach § 13 Abs. 2 2. Alternative des Bewertungsgesetzes (hier in der im Jahre 1991 geltenden Fassung) zu ermittelnde Kapitalwert anzusetzen. Dies haben das FG und das FA zutreffend beachtet.
Fundstellen
Haufe-Index 1422023 |
BFH/NV 2005, 2123 |
BStBl II 2005, 800 |
BFHE 2006, 459 |
BFHE 210, 459 |
BB 2005, 2281 |
DB 2005, 2280 |
DStR 2005, 1729 |
DStRE 2005, 1239 |
DStZ 2005, 727 |