Leitsatz (amtlich)
1. Zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Beurteilung eines umgebauten Geländewagens (als PKW).
2. Anforderungen an den Ausschluß einer verbösernden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Änderungsfestsetzung wegen unzureichender finanzamtlicher Ermittlung.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; KraftStG § 2 Abs. 2 S. 2, § 8 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hielt bis zum 23. September 1996 einen Geländewagen „Nissan Patrol”, der nach anfänglicher Hubraumbesteuerung aufgrund eines im Herbst 1991 erfolgten Umbaus (Entfernung der hinteren Sitzbank und der dortigen Sitzgurte; Einfügung einer Abtrennung zum Fahrgastraum) verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen eingestuft und dann auch von dem beklagten, revisionsbeklagten und revisionsklagenden Finanzamt (FA) kraftfahrzeugsteuerrechtlich entsprechend behandelt wurde (Gewichtsbesteuerung gemäß Steuerbescheid vom 22. November 1991). Im Rahmen einer allgemeinen – landesweiten – Überprüfung (Anfang 1996) beschaffte sich das FA von der Zulassungsstelle und vom Kläger nähere technische Daten, die zu der Erkenntnis führten, daß – weiterhin – ein Personenkraftwagen vorliege. Durch den auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 13. Mai 1996 (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 2. August 1996) wurde Kraftfahrzeugsteuer für die Zeit vom 18. Oktober 1992 bis 17. Oktober 1995 nach erhoben und für den anschließenden Zeitraum neu festgesetzt (PKW-Besteuerung). Der Klage wurde vom Finanzgericht (FG) durch Aufhebung der Änderungsfestsetzung für die Zeit bis 31. März 1996 entsprochen; im übrigen wurde sie abgewiesen. Kraftfahrzeugsteuerrechtlich sei das Fahrzeug – so das FG – trotz der Umbauten nach objektiver Beschaffenheit, äußerem Erscheinungsbild und ursprünglicher Konzeption des Fahrzeugherstellers ein Personenkraftwagen geblieben; durch die – geringfügigen – Umbauten seien keine maßgeblichen Veränderungen eingetreten, sondern nur die dem Fahrzeugkonzept innewohnenden Verwandlungsmöglichkeiten ausgenutzt worden. Dies rechtfertige die PKW-Besteuerung für den Entrichtungszeitraum ab 1. April 1996. Die im April 1996 gewonnene Erkenntnis habe das FA aber nicht zu einer rückwirkenden Änderungsfestsetzung berechtigt. Es könne sich nicht auf das nachträgliche Bekanntwerden einer Tatsache stützen, da diese infolge Verletzung der amtlichen Ermittlungspflicht bei der Veranlagung 1991 unbekannt geblieben sei. Die Daten und Feststellungen der Zulassungsstelle hätten nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Nach Unterrichtung über die (verkehrsrechtliche) Änderung der Fahrzeugart durch Datenaustausch und Mitteilung von Hubraum bzw. Gesamtgewicht habe das FA über genügend Daten und Anhaltspunkte verfügt, um die verkehrsrechtliche Zuordnung des Fahrzeugs zu überprüfen. Es komme hinzu, daß die Finanzbehörden zumindest seit 1992/1993 auf die Problematik der Umbaufälle hin gewiesen worden seien. Die spätere Über prüfungsaktion hätte schon Jahre zuvor durchgeführt werden können. Die für die (eingeschränkte) Ermittlungspflicht im steuerlichen Massenverfahren entwickelten Grundsätze seien nicht einschlägig, weil die Umbaufälle nicht zu den betroffenen Massenfällen zu rechnen seien. Die Automatisierung der Kraftfahrzeugbesteuerung dürfe sich nicht zum Nachteil des Steuerpflichtigen auswirken.
Gegen dieses in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 309 veröffentlichte Urteil haben – vom FG zugelassen – beide Beteiligte Revision eingelegt.
1. Revision des Klägers (VII R 19/97)
Der Kläger trägt vor, grundsätzlich sei an die in den Fahrzeugpapieren eingetragene Fahrzeugart anzuknüpfen. Das FA dürfe zwar eigenständig prüfen, jedoch nicht anhand selbst aufgestellter Kriterien. Soweit das FG aus gesprochen habe, daß lediglich die dem Fahrzeugkonzept innewohnenden Verwandlungsmöglichkeiten ausgenutzt worden seien, fehlten entsprechende Feststellungen.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, soweit klageabweisend, und die Änderungsfestsetzung ab 1. April 1996 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
2. Revision des FA (VII R 20/97)
Das FA trägt vor, ihm sei von der Zulassungsstelle 1991 nur die Änderung der Fahrzeugart mitgeteilt worden, ohne Angabe von Einzelheiten über die Ursache der Änderung und über den Fahrzeugtyp. In vergleichbaren Fällen habe die finanzgerichtliche Rechtsprechung die Änderungsfestsetzung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bestätigt. Nicht schlüssig sei die Berufung auf die erst 1992/1993 erfolgten Hinweise auf die Prüfung der Umbaufälle. Für 1991 könne eine erhöhte Ermittlungspflicht noch nicht angenommen werden. Die Verwaltungsanweisung habe im übrigen nur nachträglich anfallende Fahrzeugänderungen betroffen. Erst später seien die Voraussetzungen für eine systematische Überprüfung auch des Altbestandes geschaffen worden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung, soweit stattgebend, aufzuheben und die Klage auch im übrigen abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Über die Revisionen wird gemeinsam entschieden (§ 121, § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die Revision des Klägers ist nicht begründet; das FG hat in kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Hinsicht zutreffend entschieden. Dagegen führt die Revision des FA zur Aufhebung der Vorentscheidung in ihrem der Klage stattgebenden Teil und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO), weil die bisher getroffenen Feststellungen die insoweit ergangene Entscheidung nicht tragen.
1. Revision des Klägers
Nicht zu beanstanden ist die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Entscheidung des FG. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97, Abschnitt II Nr. 1 (Deutsches Steuerrecht, Entscheidungsdienst 1997, 606). Die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Einstufung eines umgebauten Geländewagens (PKW) kann, wie auch der Kläger grundsätzlich einzuräumen scheint, von der verkehrsrechtlichen Beurteilung (als LKW) abweichen. Zwar bestimmt sich der kraftfahrzeugsteuerrechtliche Begriff „Personenkraftwagen” (§ 8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes – KraftStG –) nach Verkehrsrecht (§ 2 Abs. 2 Satz 2 KraftStG), doch schließt das nicht aus, daß der insoweit maßgebende verkehrsrechtliche Begriffsinhalt von der Finanzbehörde im Zusammenhang mit der Kraftfahrzeugsteuererhebung eigenständig ausgelegt wird (vgl. auch Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer, 3. Aufl. 1981, S. 95). Diese Auslegung ist zulässig; in ihr kann nicht die Heranziehung begriffsfremder Kriterien gesehen werden. Im übrigen ergibt sich aus der verkehrsrechtlichen Einstufung – positiv – nur, daß (nach Einschätzung der Verkehrsbehörden) verkehrsrechtlich ein Lastkraftwagen vorliegt. Der Begriff „Lastkraftwagen” ist jedoch im KraftStG nicht enthalten; insoweit entfällt ohnehin eine Bindung an die verkehrsrechtliche Begriffsbestimmung (in § 4 Abs. 4 Nr. 3 des Personenbeförderungs gesetzes). Die vom FG angewandten Maßstäbe zur Prüfung, ob noch ein Personenkraftwagen vorliegt, entsprechen der Rechtsprechung des Senats (Urteil in VII R 1/97). Soweit der Kläger mangelnde Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) rügt, geht diese Rüge, abgesehen davon, daß sie nicht in der erforderlichen Weise ausgeführt worden ist, fehl. Das FG hat mit den von der Revision angesprochenen Ausführungen eine Folgerung aus festgestellten Tatsachen gezogen. Das Entscheidungsergebnis (Unerheblichkeit der Umbauten) beruht auf den Feststellungen, nicht auf der nur als Bestätigung des Ergebnisses gewerteten Folgerung.
2. Revision des FA
Erfolg hat dagegen die Revision des FA. Die von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen vermögen das Ergebnis, zu dem das FG gelangt ist – Unzulässigkeit der mit der angegriffenen Veranlagung vorgenommenen Änderungsfestsetzung (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) bis 31. März 1996 wegen unzureichender finanzamtlicher Ermittlung – nicht zu rechtfertigen.
In seinem Urteil VII R 1/97 – Abschnitt II Nr. 2 – hat der Senat erkannt, daß die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflicht verletzt, wenn sie der Kraftfahrzeugsteuer veranlagung unter Verzicht auf für die Beurteilung notwendige Daten die verkehrsrechtliche Einstufung des umgebauten Fahrzeugs (LKW) zugrunde legt; eine verbösernde Änderungsfestsetzung wegen nachträglich erkannter Unerheblichkeit der Umbauten scheidet damit aus. Der Senat hat in dieser Entscheidung an sein Urteil vom 10. Dezember 1991 VII R 10/90 (BFHE 166, 395, 398, BStBl II 1992, 324) angeknüpft und wiederholt, daß die Ermittlungspflicht nur dann verletzt ist, wenn die Finanzbehörde Zweifeln, die sich nach Sachlage aufdrängen, nicht nachgeht. Einen Ermittlungsmangel hat der Senat im Falle VII R 1/97 bejaht, weil nach den festgestellten Umständen zwingend eine nähere Aufklärung über Art und Umfang der vorgenommenen Umbauten erforderlich war (im Rahmen einer Besteuerung im Jahre 1989).
Die Grundsätze des Senatsurteils VII R 1/97 können auch im Streitfall – bezogen auf die Besteuerung im Jahre 1991 – herangezogen werden. Erforderlich sind aber Feststellungen, aus denen sich in nachvollziehbarer Weise ergibt, daß das FA zwangsläufig zu Zweifeln an der Bewertung des umgebauten Fahrzeugs als LKW gelangen mußte. Solche Feststellungen hat das FG nicht in ausreichendem Maße getroffen. Das FG hat lediglich ausgeführt, daß das FA aufgrund der Mitteilung der Zulassungsstelle (Fahrzeugveränderung) über „genügend Daten und Anhaltspunkte” verfügt habe, um eine Überprüfung vorzunehmen. Daß diese Überprüfung aus der Sicht des FA aber auch veranlaßt war, läßt sich der Vorentscheidung nicht entnehmen. Insbesondere fehlt eine Angabe der Gründe, aus denen sich die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen ergab (etwa eine frühere Besteuerung des Fahrzeugs als PKW durch das FA oder auch beim FA vorliegende Erkenntnisse). Die Bezugnahme auf aufsichtsbehördliche Hinweise „zumindest seit 1992/93” reicht nicht aus, da es hier um die Besteuerung im Jahre 1991 geht. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die hiernach erforderlichen Feststellungen nachzuholen und auf ihrer Grundlage neu zu entscheiden haben. Im übrigen wird – ohne Bindungswirkung (§ 126 Abs. 5 FGO) – auf die vom Senat inzwischen bestätigten Urteile des FG Nürnberg vom 12. November 1996 VI 174/96 und 188/96 (EFG 1997, 497, 499) – zu § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 (Rechts erheblichkeit der neuen Tatsachen) – verwiesen.
Fundstellen