Leitsatz (amtlich)
1. § 6a EStG ist im Verhältnis zur Bilanzierungsvorschrift des § 5 und der Bewertungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG eine Spezialvorschrift. Die Bewertung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG kommt nicht in Betracht, solange die Anwendbarkeit des § 6a EStG nicht ausgeschlossen ist.
2. Die Zusage an Arbeitnehmer, ihnen werde für das abgelaufene Kalenderjahr eine Tantieme in bestimmter Höhe gewährt, die nach Erreichung des 65. Lebensjahres oder im Falle der Invalidität in monatlichen Raten von 50 DM als zusätzliche Altersversorgung gezahlt werden soll, kann Versorgungsansprüche im Sinne des § 6a EStG begründen, wenn entsprechende Zusagen - auch in unregelmäßigen Zeitabständen und in unterschiedlicher Höhe - wiederholt erteilt werden sollen.
2. Wird infolge einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes anstelle des Senats, der dem Großen Senat des BFH eine Rechtsfrage vorgelegt hat, ein anderer Senat zur Entscheidung über die Revision zuständig, so wird die Anhängigkeit des Vorlageverfahrens beim Großen Senat dadurch nicht berührt. Die Entscheidung des Großen Senats ist für den anderen Senat bindend im Sinne des § 11 Abs. 5 Satz 2 FGO.
Normenkette
EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 3, § 6a; FGO § 11 Abs. 4-5
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte - eine OHG - hat einem Teil ihrer Arbeitnehmer am 30. Dezember 1957 durch eine "Urkunde über zusätzliche Altersversorgung" u. a. erklärt, daß sie ihnen in Ansehung ihrer bisherigen Leistungen für das Jahr 1957 eine Tantieme in Höhe von brutto 2 000 DM in der Weise gewähre, daß der Nettobetrag - abzüglich Steuern und Sozialversicherung - unverzinslich auf einem Sperrkonto bei der Klägerin als Kapitalrückhalt für ihr Alter gutgeschrieben werde. Es handelt sich um eine freiwillige soziale Leistung mit dem Ziel der Altersversorgung. Die aufgelaufenen Tantiemegutschriften sollten in Monatsraten von 50 DM nach Erreichung des 65. Lebensjahres oder im Falle vorzeitiger Invalidität ausgezahlt werden, sofern der Berechtigte bis zu diesem Zeitpunkt noch im Betrieb tätig war. Der Vorbehalt, daß vor Erreichung des 65. Lebensjahres oder vorher eingetretener Invalidität ausgeschiedene Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Auszahlung der Tantieme haben sollten, wurde durch Gesellschafterbeschluß vom 16. September 1958 aufgehoben. Die Tantiemeversprechen für 1958 enthalten einen entsprechenden Vorbehalt nicht. Ab Dezember 1959 sind die Tantiemen mit Wirkung für die Vergangenheit verzinst worden. Im Jahre der Zusage waren jeweils Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten worden.
Die Klägerin hatte bereits wegen der einkommensteuerrechtlichen Behandlung der Tantiemen für 1955 und 1956 gegen den Beklagten und Revisionskläger (das FA) einen Rechtsstreit geführt. Die Tantiemezusagen für diese Jahre entsprachen den für das Jahr 1957 erteilten Zusagen. Durch Urteil VI-V a 382-383/60 vom 17. April 1963 (EFG 1963, 402) hat das FG Münster entschieden, die Verbindlichkeiten aus den Tantiemezusagen seien mit dem Teilwert anzusetzen. Bei der Berechnung des Teilwertes sei zu berücksichtigen, daß die Beträge der Klägerin längere Zeit unverzinslich zur Verfügung ständen; ferner sei wegen der Vorbehaltsklausel ein Fluktuationsabschlag vorzunehmen. Der BFH hat die Entscheidung des FG durch Urteil VI 262/63 U vom 3. Juli 1964 (BFHE 81, 225, BStBl III 1965, 83) bestätigt.
Das FA berücksichtigte die Tantiemezusagen im Gewinnfeststellungsverfahren 1957 - ebenso wie in dem früheren Verfahren betreffend einheitliche Gewinnfeststellung 1955 und 1956 - nicht gewinnmindernd. Der Einspruch blieb erfolglos. Auf die Klage hat das FG die Einspruchsentscheidung aufgehoben und ausgesprochen, das FA habe entsprechend den Ausführungen des Urteils den Bescheid über die einheitliche Gewinnfeststellung 1957 zu berichtigen. Nach Ansicht des FG muß die Bewertung der Tantiemeverbindlichkeiten zum 31. Dezember 1957 nach den gleichen Grundsätzen erfolgen wie für 1955 und 1956.
Das FA hat gegen das Urteil des FG, soweit es sich auf den einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1957 bezieht, Revision eingelegt. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und wegen der Tantiemezusagen Rückstellungen nur nach Maßgabe des § 6a EStG zuzulassen. Das FA hält es für einen Verfahrensmangel, daß sich das FG zu seinem in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrag, die umstrittenen Verpflichtungen gemäß § 6a EStG zu bewerten, nicht geäußert hat.
Die Klägerin hielt die Revision ursprünglich für unzulässig, weil das beklagte FA durch die Entscheidung des FG nicht beschwert sei; das FG habe dem Antrag des FA entsprochen. Diesen Einwand hat sie aufgegeben, nachdem der Große Senat des BFH (Beschluß Gr. S. 7/70 vom 15. November 1971, BFHE 103, 456, BStBl II 1972, 120) entschieden hat, daß das beklagte FA gegen ein Urteil des FG Revision einlegen kann, wenn der angefochtene Verwaltungsakt ganz oder teilweise nicht bestätigt wurde. Auch die weiteren Einwendungen, die die Klägerin im Hinblick auf die Zulässigkeit der Revision vorgetragen hatte, hat sie in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich aufgegeben. Sie beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen; hilfsweise begehrt sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG.
Der BdF ist dem Verfahren beigetreten. Er hält die Revision des FA für begründet.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des Beklagten wird das angefochtene Urteil aufgehoben; die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
I.
Die Revision ist zulässig.
Zur Frage der Zulässigkeit der Revision hat der durch Beschluß des früher für die Entscheidung über die Revision zuständig gewesenen VI. Senats des BFH (Beschluß VI R 45/67 vom 24. April 1970) gemäß § 11 Abs. 4 FGO angerufene Große Senat des BFH in dem oben dargestellten Sinne entschieden. Diese Entscheidung ist für den nunmehr zur Entscheidung über die Revision zuständigen I. Senat bindend. Infolge des Zuständigkeitswechsels ist der I. Senat des BFH erkennender Senat im Sinne des § 11 Abs. 5 Satz 2 FGO geworden. Nach Abschn. I Nr. 2 des Beschlusses des Präsidiums des BFH über die Änderung des Geschäftsverteilungsplans des BFH vom 7. Juni 1971 ist die Zuständigkeit an diesem Tage auf den I. Senat übergegangen. Der I. Senat hat das vom VI. Senat auf ihn übergegangene Verfahren in dem Stadium übernommen, in dem es sich zur Zeit des Überganges befunden hat. Zu dieser Zeit war die Entscheidungskompetenz des Großen Senats über die durch den Vorlagebeschluß des VI. Senats aufgeworfene Vorlagefrage bereits begründet. Die Anhängigkeit des Vorlageverfahrens ist durch den Zuständigkeitswechsel nicht berührt worden.
II.
Die Revision ist auch begründet.
Die Klägerin hat im Revisionsverfahren ursprünglich vorgetragen, durch das in der "Urkunde über zusätzliche Altersversorgung" enthaltene Tantiemeversprechen sei eine Verbindlichkeit begründet worden, "die aufschiebend bedingt war durch das eigene Verhalten des jeweiligen Arbeitnehmers, wenn man einmal den späteren Wegfall der Vorbehaltsklausel unberücksichtigt läßt". Von diesem Standpunkt aus bestand im Gegensatz zu dem durch das Urteil VI 262/63 U (a. a. O., BFHE 81, 228 f.) entschiedenen Verfahren kein Zweifel, daß die zugesagten Tantiemen den Begünstigten nicht zugeflossen waren (§ 11 Abs. 1 EStG), ein Abzug als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) also nicht in Betracht kam.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihre Darstellung geändert. Sie meint nun, der einzelne Arbeitnehmer habe durch das Tantiemeversprechen einen Anspruch - nicht nur eine Anwartschaft - gegen sie erlangt; nur aus praktischen Gründen sei darauf verzichtet worden, das Geld an die einzelnen Arbeitnehmer auszuzahlen. Vielmehr seien die Tantiemeansprüche der einzelnen Arbeitnehmer durch Vereinbarung in Darlehnsforderungen gegen die Klägerin umgewandelt worden. Nur diese Würdigung entspreche dem Parteiwillen, der auch durch die buchmäßige Behandlung bei der Klägerin Ausdruck gefunden habe.
1. Der Wechsel in der Sachdarstellung ist für die Entscheidung über die Revision des FA unerheblich. Der BFH ist als Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). In der angefochtenen Entscheidung ist jedoch nicht festgestellt, daß der einzelne Arbeitnehmer über den ihm versprochenen Betrag wirtschaftlich habe verfügen können und daß dies durch Umwandlung der Tantiemeforderungen in Darlehnsforderungen geschehen sei (vgl. dazu das Urteil des BFH VI 262/63 U, a. a. O., BFHE 81, 230). Vielmehr hat das FG seiner Entscheidung die mit "Urkunde über zusätzliche Altersversorgung" überschriebene Erklärung vom 30. Dezember 1957 zugrunde gelegt, durch die eine Tantieme in Höhe von 2 000 DM versprochen worden ist. Dies ergibt sich unzweideutig daraus, daß in der angefochtenen Entscheidung nur von der Bewertung der Tantiemeverpflichtungen die Rede ist. Da nach dem Text der Urkunde "die Gewährung und die spätere Auszahlung" an die Voraussetzung geknüpft war, daß der einzelne Arbeitnehmer "im Fall der vorzeitigen Invalidität oder Erreichung des 65. Lebensjahres" dem Betrieb der Klägerin angehörte, konnte der einzelne Arbeitnehmer nicht sofort über die versprochenen 2 000 DM verfügen, war ihm der Betrag nicht zugeflossen (§ 11 Abs. 1 EStG). Dies schließt es - hierauf ist schon im Urteil VI 262/63 U (a. a. O.) mit Recht hingewiesen worden - nicht aus, daß die durch die Zusagen begründeten Verbindlichkeiten als Passivposten in der Bilanz der Klägerin ausgewiesen werden. Für den bilanzmäßigen Ausweis kommen im Streitfall §§ 5 und 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG oder § 6a EStG in der Fassung des Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Neuordnung von Steuern (StNG) vom 16. Dezember 1954 (BGBl I, 373) - im folgenden als § 6a EStG bezeichnet - in Betracht. Die Entscheidung des FG beruht auf §§ 5 und 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG.
2. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, weil das FG nicht geprüft hat, ob § 6a EStG anzuwenden ist. Angesichts der nach den Feststellungen des FG von der Klägerin gewählten Gestaltung ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß Versorgungsansprüche der begünstigten Arbeitnehmer im Sinne des § 6a EStG begründet worden sind. Die - vom FG vorgesehene - Bewertung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG kommt nur in Betracht, wenn die erwähnte Möglichkeit ausgeschlossen ist. § 6a EStG ist im Verhältnis zu der Bilanzierungsvorschrift des § 5 Satz 1 EStG (in der Fassung des Art. 1 Nr. 8 StNG) und zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG eine Spezialvorschrift. Sie regelt für eine besondere Art von Verbindlichkeiten einerseits die Passivierungsfähigkeit und andererseits - abweichend von der Regel des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG - die Bewertung. Die Bewertung nach der Regel ist nur statthaft, wenn feststeht, daß die Ausnahmevorschrift nicht eingreift.
Das FG hat trotz des Hinweises des FA auf § 6a EStG nicht untersucht, ob diese Vorschrift anzuwenden ist. Anscheinend ist das FG - insoweit dem Urteil des BFH VI 262/63 U (a. a. O., BFHE 81, 229) folgend - stillschweigend davon ausgegangen, daß eine Passivierung und Bewertung gemäß § 6a EStG nicht in Betracht komme. In dem genannten Urteil (BFHE 81, 229, 232) hat der BFH die Anwendbarkeit des § 6a EStG für die einheitliche Gewinnfeststellung der Jahre 1955 und 1956 mit der Begründung verneint, "daß eine Tantieme, die von den künftigen Verhältnissen des Betriebes unabhängig ist, auch beim Tod des Arbeitnehmers gezahlt werden muß und auch der Höhe nach bereits so eindeutig bestimmt ist, daß auf jeden Fall feststeht, was die Stpfl. zu erbringen hat". "§ 6a EStG aber über seinen Wortlaut hinaus anzuwenden, verbietet der Umstand, daß § 6a EStG offenbar nur den genau bezeichneten Kreis von Verbindlichkeiten und Zusagen regelt." Dieses Urteil ist im Schrifttum überwiegend abgelehnt worden. (Vgl. die Nachweise bei Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 6a Anm. 2 a. E.; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 14. Aufl., § 6a EStG Rdnr. 2 k; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 10. Aufl., §§ 4, 5 Rdnr. 602 und § 6a Rdnr. 8 f.).
Der Senat vermag sich der Auslegung, die § 6a EStG in dem bezeichneten Urteil erfahren hat, nicht anzuschließen. Er braucht sich daher nicht mit der im Urteil des BFH IV 116/64 U vom 18. März 1965 (BFHE 82, 119, BStBl III 1965, 289) vertretenen Auffassung auseinanderzusetzen, wonach der durch Eingehung der Verbindlichkeit begründete Vorteil ein Wirtschaftsgut darstelle; überdies unterscheidet sich der vom IV. Senat entschiedene Fall vom vorliegenden dadurch, daß dort die Verbindlichkeit grundsätzlich fünf Jahre nach ihrer Entstehung einschließlich 3 v. H. Zinsen erfüllt werden sollte, also nicht erst im Falle der Pensionierung oder Invalidität.
3. Cemüß § 6a Satz 1 EStG darf eine Rückstellung für Pensionsanwartschaften (Versorgungsansprüche von Personen, bei denen der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist) unter den dort und in den Sätzen 2 und 3 näher bezeichneten Voraussetzungen im Wirtschaftsjahr den Gewinn mindern. Der Begriff Pensionsanwartschaften wird durch den Klammerzusatz erläutert. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut kommt es für die Anwendung der Vorschrift darauf an, daß Versorgungsansprüche von Personen bestehen, bei denen der Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist. Der Gebrauch der Worte Pensionsanwartschaften, Pensionsverpflichtung und Pensionszusage und § 6a Satz 3 EStG, aus dem sich ergibt, daß der Versorgungsanspruch seine Grundlage in einer früheren Tätigkeit für den Steuerpflichtigen haben muß, machen deutlich, daß es für die Anwendung des § 6a EStG dem Grunde nach ausreichend aber auch erforderlich ist, daß der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer mit Rücksicht auf geleistete Dienste Versorgungsleistungen nach Eintritt des durch die Vereinbarung näher bezeichneten Versorgungsfalles verspricht. Diese Auslegung steht im Einklang mit dem im Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang zu § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zum Ausdruck kommenden Zweck der Vorschrift; die Verpflichtung, Versorgungsleistungen zu gewähren, soll abweichend von der Regel der §§ 5 und 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG nach Maßgabe des § 6a EStG bilanziert und bewertet werden. Gleiches ergibt sich aus § 9 EStDV 1956/57 (BGBl I 1958, 306); überdies ist dort die Rede vom pensionsfähigen Arbeitslohn.
Für den Begriff des Versorgungsanspruches ist es nicht wesentlich, daß er in wiederkehrenden Leistungen erfüllt wird (vgl. die Nachweise bei Heubeck, BB 1965, 241, und Herrmann-Heuer., a. a. O., Rdnr. 2 a). Dies bedarf im vorliegenden Falle keines Belegs; immerhin sei nur beispielhaft auf § 62a Abs. 5 BewG a. F. und § 104 Abs. 5 BewG 1965 hingewiesen, die sowohl die Verpflichtung zu laufenden Leistungen als auch die zu einer einmaligen Kapitalleistung als Pensionsverpflichtung qualifizieren. Im Streitfall sind die Leistungen - nicht nur auf der Zusage für das Kalenderjahr 1957 beruhend - in monatlichen Raten von 50 DM zu entrichten (vgl. dazu unten 4.).
4. Die Einwendungen, die gegen die Anwendung des § 6a EStG auf die umstrittenen "Tantieme-Versprechen" erhoben worden sind, schließen es bei dem bisher festgestellten Sachverhalt nicht aus, diese Vorschrift anzuwenden.
a) Im Urteil des BFH VI 262/63 U (a. a. O., BFHE 81, 229, 232) ist die Qualifikation als Versorgungsverpflichtung abgelehnt worden, weil "die Tantieme, die von den künftigen Verhältnissen des Betriebes unabhängig ist, auch beim Tod des Arbeitnehmers gezahlt werden muß und auch der Höhe nach bereits so eindeutig bestimmt ist, daß auf jeden Fall feststeht, was der Steuerpflichtige zu erbringen hat".
Gegen die Äußerung, die Tantieme sei von den künftigen Verhältnissen des Betriebes unabhängig, bestehen insoweit Bedenken, als das Schicksal des Schuldners z. B. im Konkursfall sich auf die Verwirklichung der Forderung zum Fälligkeitszeitpunkt auswirkt. Sofern sich hingegen die "Unabhängigkeit der Leistungsverpflichtung" von den künftigen Verhältnissen darauf beziehen soll, daß für die Berücksichtigung von Pensionsrückstellungen nach Maßgabe des § 6a EStG gewisse Vorbehalte des Versprechenden schädlich sind (vgl. dazu Abschn. 41 Abs. 2 und 3 EStR 1969, BStBl I 1970, 523), ist darauf hinzuweisen, daß der Unternehmer bei der hier gewählten Gestaltung (vgl. unten 5.) die Zeit, während der monatlich 50 DM zu bezahlen sind, durch die Zahl der "Tantieme-Versprechen" und die im einzelnen zugesagten Beträge bestimmen kann. Damit wird zugleich die Ansicht widerlegt, es stehe in jedem Falle fest, was die OHG zu erbringen habe. Diese Ansicht ist insofern richtig, als es sich um die bereits eingegangene Verpflichtung handelt. Ihr kann jedoch für den Fall nicht gefolgt werden, daß durch weitere (wenn auch zeitlich und dem Betrage nach ungleichmäßige) Zusagen das Kapital aufgestockt und damit die Laufzeit der "Versorgungsleistungen" verlängert wird. Diese Art der Aufstockung, die zur Verlängerung der Laufzeit der Versorgungsleistungen führt, kann beabsichtigt sein. Die OHG kann jeweils günstige Geschäftsergebnisse zum Anlaß nehmen, sich Arbeitnehmern gegenüber zu (weiteren) zusätzlichen Versorgungsleistungen zu verpflichten (vgl. unten 5.). Sie kann damit den Umfang der in der Zukunft zu erbringenden Leistungen entsprechend der Entwicklung der wirtschaftlichen Lage beeinflussen, eine Möglichkeit, die ihr im Falle einer typischen Pensionszusage verschlossen ist. Bei dieser Fallgestaltung hat auch der Einwand kein Gewicht, daß sich die Zusage eindeutig auf den Gewinn des Jahres beziehe, in dem die Zusage gemacht worden ist.
Der Umstand, daß die Leistungen auch im Falle des Todes des Arbeitnehmers zu erbringen sind, ist keine Besonderheit. Der Tod des Arbeitnehmers kann auch bei der bisher üblichen Gestaltung den Eintritt des Versorgungsfalles bedeuten (Witwen- und Waisenversorgung). Eine Besonderheit könnte allenfalls darin bestehen, daß im Todesfalle die gesetzlichen Erben nach Maßgabe einer besonderen Vereinbarung anspruchsberechtigt sind. Dies ist jedoch unerheblich, weil die gesetzlichen Erben in aller Regel der überlebende Ehegatte und die Kinder sind und andererseits im Zeitpunkt des Versorgungsfalles eine feststehende Schuld in monatlichen Raten bis zur Erschöpfung des vorhandenen Kapitals getilgt wird. Die Tatsache, daß eine Minderung der zusätzlichen Versorgungsleistungen nicht eintritt, fällt im Verhältnis zu anderen Gesichtspunkten, die für eine Versorgungsanwartschaft sprechen können, nicht entscheidend ins Gewicht.
b) Die Klägerin weist darauf hin, daß bei der Tantieme eine feste Summe verteilt werde, die an dem jährlich erzielten Gewinn orientiert sei. Bei der Pensionszusage gehe der Arbeitgeber ein unbestimmtes Risiko ein, das nur versicherungsmathematisch faßbar sei. Hierbei wird übersehen, daß die Tantiemen nicht verteilt worden sind, daß vielmehr der versprochene Betrag in monatlichen Raten als zusätzliche Altersversorgung gezahlt werden soll. Die Unverzinslichkeit der Schuld fällt für die Qualifikation als Versorgungsversprechen nicht entscheidend ins Gewicht. Die nachträgliche Zinsverpflichtung ist - ungeachtet der schuldrechtlichen Konsequenzen - ein Vorgang des Jahres 1959 und daher für die Gewinnermittlung des Streitjahres unbeachtlich. Das Wortspiel der Klägerin, "die Tantieme ist verdient, die Pension muß noch verdient werden", trifft den sachlichen Gehalt der Verpflichtung nicht; dies wird deutlich, wenn man bedenkt, daß die "verdienten Tantiemen" als Fremdkapital dem Betrieb der Klägerin auf lange Zeit zur Verfügung stehen, und jeder Arbeitnehmer im Zeitpunkt, der üblicherweise für den Versorgungsfall maßgebend ist, nur in den Genuß von Raten von monatlich 50 DM kommt. Wenn eine zusätzliche Altersversorgung gewollt ist, trifft der von der Klägerin gewählte Ausdruck "Tantieme" nicht den wirklichen Gehalt der Abmachungen. In diesem Zusammenhang kann der Hinweis des FA Bedeutung gewinnen, daß es für eine Altersversorgung spreche, wenn der Beteiligte - wie im Streitfall - "den tatsächlichen Zufluß langfristig erdienen" müsse.
5. Angesichts der tatsächlichen Feststellungen des FG war es unerläßlich, zu prüfen, ob die Klägerin durch die "Tantieme-Versprechen" Versorgungsansprüche im Sinne des § 6a EStG begründet hat. Diese Prüfung wird das FG aus Anlaß der erneuten Verhandlung und Entscheidung der Sache nachholen.
a) In tatsächlicher Hinsicht ist aufgrund der Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) davon auszugehen, daß die Tantiemevereinbarungen in der jeweiligen Urkunde als "zusätzliche Altersversorgung" bezeichnet sind. Der versprochene Betrag von brutto 2 000 DM wird in Anerkennung der bisherigen Dienste des Arbeitnehmers als "Kapitalrückhalt für das Alter gutgeschrieben". Das Versprochene wird "freiwillig als soziale Leistung mit dem Ziel der Altersversorgung gewährt". Der Anspruch auf die spätere Auszahlung der Nettobeträge der "aufgelaufenen Tantiemegutschriften" in Monatsraten von 50 DM ist daran geknüpft, daß der betreffende Arbeitnehmer dem Betrieb im Zeitpunkt des Erreichens des 65. Lebensjahres oder des Eintritts vorzeitiger Invalidität noch angehört. Der Anspruch sollte im Falle des Ausscheidens infolge Kündigung des Arbeitnehmers oder einer Kündigung der Klägerin aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden wichtigen Gründen erlöschen. Ferner wird in der Urkunde die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, auch in den kommenden Jahren hin und wieder Tantiemen gewähren zu können, um im Falle der Invalidität oder Erreichung des 65. Lebensjahres eine anhaltende zusätzliche Versorgung zu sichern. Im Todesfalle sollte eine besondere Vereinbarung für die Auszahlung in den festgelegten Monatsbeträgen an die gesetzlichen Erben maßgebend sein. Schließlich wird in der Urkunde empfohlen, sie sorgfältig aufzubewahren und beim Rentenzusatzantrag vorzulegen.
b) Der Gebrauch des Wortes "Tantieme" als Bezeichnung der zugesagten Vergütung bildet für sich allein kein Hindernis, die umstrittenen Verbindlichkeiten gemäß § 6a EStG zu passivieren und zu bewerten. Hierbei mag dahingestellt bleiben, ob man von einer Tantieme noch sprechen kann, wenn der Arbeitnehmer zunächst nichts erhält und Leistungen erst von einem Zeitpunkt an gewährt werden sollen, der herkömmlicherweise der Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles ist. Maßgebend ist nicht die formale Bezeichnung der Zweckbestimmung des Versprochenen, sondern der materielle Gehalt des Versprechens. Gegen die Eigenschaft als Tantieme (unbeschadet des Umstandes, daß diese üblicherweise nach einem Teil des Jahresgewinnes bemessen wird) als zusätzliche Arbeitsvergütung könnte der Umstand sprechen, daß die versprochene Leistung in den einzelnen Urkunden als "zusätzliche Altersversorgung", als "Kapitalrückhalt für das Alter" und als "soziale Leistung" mit dem Ziel der Altersversorgung bezeichnet ist.
Das FG hätte auch berücksichtigen müssen, daß es sich offenbar - wie aus der in Bezug genommenen Urkunde vom 31. Dezember 1957 ersichtlich - nicht nur um eine einzelne Zusage handelte. Es ist daher zu prüfen, ob nicht wiederholte Zusagen während einer Reihe von Jahren zur Ansammlung an sich den einzelnen Arbeitnehmern zustehender Kapitalien geführt haben, die auf Jahre hinaus einerseits im Betrieb der Klägerin verbleiben und andererseits zusätzlich zur eigentlichen Altersversorgung Leistungen in Höhe von monatlich 50 DM an den einzelnen Arbeitnehmer ermöglichen sollten. Das FA hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Klägerin bei dem von ihr gewählten System den Umfang der von ihr künftig zu gewährenden zusätzlichen Versorgung der Entwicklung und den künftigen Erträgen ihres Unternehmens anpassen kann. Sie kann den Umfang der den einzelnen Arbeitnehmern vom Versorgungsfall ab zu gewährenden Leistung, d. h. ihre Versorgungslast, nach Maßgabe der Betriebsergebnisse steuern.
Nicht gewürdigt hat das FG auch die vereinbarte Voraussetzung "für die Gewährung und die spätere Auszahlung der bis zum Auszahlungstermin aufgelaufenen Gutschriften". Danach sollten die zugesagten Beträge, die sich aus den Leistungsversprechen für das Streitjahr und für frühere Jahre ergeben, nur dann (in monatlichen Raten von 50 DM) "gewährt und später ausgezahlt werden", wenn der Arbeitnehmer zur Zeit des Eintritts der Invalidität oder vor Erreichung des 65. Lebensjahres dem Betrieb noch angehört. Welche Bedeutung dieser Klausel im Hinblick auf die Aufhebung durch den Gesellschafterbeschluß vom 16. September 1958 und das Urteil des Bundesarbeitsgerichts 3 AZR 278/71 vom 10. März 1972 (BB 1972, 403) zukommt, wird das FG aus Anlaß der erneuten Verhandlung und Entscheidung zu prüfen haben.
6. Da das FG die Anwendung des § 6a EStG nicht geprüft hat und infolgedessen auch die tatsächlichen Grundlagen für die Bemessung der Rückstellung nicht festgestellt sind, ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Aus Anlaß der erneuten Verhandlung der Sache vor dem FG erlangt die Klägerin Gelegenheit, die gegenüber früherem Vorbringen geänderte und im Revisionsverfahren nicht zu prüfende (§ 118 Abs. 2 FGO) Sachdarstellung dem FG zu unterbreiten und entsprechende Beweismittel für diese neue Darstellung zu bezeichnen. Unter diesen Umständen kann dahingestellt bleiben, ob das Urteil auch deshalb hätte aufgehoben werden müssen, weil die Entscheidungsformel des angefochtenen Urteils rechtlich nicht haltbar ist. Das FG hat nur die Einspruchsentscheidung, durch die der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen worden ist, aufgehoben und das FA angewiesen, entsprechend den Ausführungen des Urteils die Bescheide über die einheitlichen Gewinnfeststellungen 1957 ... zu berichtigen. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß die Kostenentscheidung des FG keinen vollstreckungsfähigen Inhalt (§ 151 Abs. 3 FGO) hat. Die Entscheidung, "die Kosten trägt, soweit die Klägerin obsiegt, die Landesfinanzverwaltung, im übrigen die Klägerin", ist unbestimmt. Das Verhältnis der Kostentragungspflicht der Beteiligten muß zahlenmäßig zum Ausdruck gebracht werden.
Fundstellen
Haufe-Index 70308 |
BStBl II 1973, 213 |
BFHE 1973, 509 |