Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer, Kfz-Steuer, sonstige Verkehrsteuern Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Zur kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Beurteilung eines Langholz-Spezialkraftfahrzeugs.
KraftStG 1961 §§ 2 Nr. 6, 10 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 11 Abs. 2 Nr. 1; AO §§ 289 Abs. 2, 290 Abs. 1; GG
Normenkette
KraftStG § 2 Nr. 6, § 10/1/2, § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 2 Nr. 1; AO § 289 Abs. 2; FGO § 120 Abs. 1; AO § 290/1; FGO § 120 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Tatbestand
Die Bfin. betreibt ein Transportunternehmen. Im Streitfall handelt es sich um die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung eines Langholzspezialmotorfahrzeugs und eines Nachläufers der Bfin. Die Bfin. begehrt Steuerfreiheit nach § 2 Nr. 6 KraftStG 1961.
Sowohl das Motorfahrzeug wie der Nachläufer sind seit mehreren Jahren für die Bfin. zugelassen. Das Motorfahrzeug hat ein zulässiges Gesamtgewicht von - kg. Der Nachläufer hat ein zulässiges Gesamtgewicht von - kg; nach einem Prüfbericht der technischen Prüfstelle kann er nur zugleich mit dem Motorfahrzeug zum Transport von Rundholz (Langholz) eingesetzt werden. Das Motorfahrzeug der Bfin. hat statt einer Ladefläche einen Drehschemel mit seitlich angebrachten Rungen und eine Aufladevorrichtung für den Transport des leeren Nachläufers. Auf dem Drehschemel ist, ebenso wie auf dem des Nachläufers, eine Reihe Stahlzähne fest angebracht. Durch das aufgeladene Langholz erhält das Motorfahrzeug eine feste Verbindung mit dem sonst nicht verbundenen Nachläufer. Das Langholz kann nur in Verbindung mit dem Nachläufer befördert werden. Das Finanzamt, das die Fahrzeuge zunächst zur Kraftfahrzeugsteuer herangezogen, sie dann aber auf den Vortrag der Bfin. hin, die Fahrzeuge würden nur in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet, steuerfrei gelassen hatte, zog schließlich ab 10. März 1961 die Fahrzeuge wieder zur Kraftfahrzeugsteuer heran, und zwar das Motorfahrzeug nach dem Gesamtgewicht von - kg zu einer Jahressteuer von - DM, den Nachläufer (in Anwendung des § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG) als "Sattelanhänger" nach einem Gesamtgewicht von - kg zu einer (ermäßigten) Jahressteuer von - DM. Die von der Bfin. eingelegten Einsprüche blieben erfolglos.
Die Bfin. legte gegen die Einspruchsentscheidungen Berufung ein. Das Finanzgericht verband die beiden Sachen zu einheitlicher Behandlung. Es wies die Berufungen als unbegründet zurück. Die Vorinstanz versagte eine Kraftfahrzeugsteuerbefreiung nach § 2 Nr. 6 KraftStG, da das Motorfahrzeug nicht zu den Zugmaschinen oder zu den Sonderfahrzeugen im Sinn dieser Vorschrift zähle und das Halten von Anhängern nur hinter Zugmaschinen und Sonderfahrzeugen (unter bestimmten Voraussetzungen) steuerbefreit sei. Den Antrag der Bfin. auf mündliche Verhandlung wies das Finanzgericht durch einstimmigen Gerichtsbeschluß zurück.
In der Rb. wendet sich die Bfin. dagegen, daß das Finanzgericht die mündliche Verhandlung mit der Begründung abgelehnt hat, der Streitstoff erscheine in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung hinreichend geklärt. Die Bfin. hält das Motorfahrzeug für eine "Zugmaschine"; zum mindesten sei es einer solchen gleichzustellen. Sie verweist auf die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs, darauf, daß die Aufnahme der Langholzstämme auf das (Motor-) Fahrzeug nicht Haupt-, sondern nur Nebenzweck sei, daß das Motorfahrzeug in der Hauptsache der Fortbewegung von Lasten durch Zug (Ziehen) diene, daß die auf dem zu ziehenden Nachläufer befindlichen Langholzstämme nur zu "geringem Teil" auch auf dem ziehenden Fahrzeug auflägen und daß die Versagung der Steuerbefreiung zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung gegenüber den Haltern von nicht mit Drehschemel versehenen, aber ebenfalls zum Ziehen von Langholzfahrzeugen bestimmten "Zugmaschinen" führe. Wenn es nicht als Zugmaschine anerkannt werde, sei das Motorfahrzeug der Bfin. als "Sonderfahrzeug" im Sinne der Vorschrift des § 2 Nr. 6 KraftStG anzusehen; Sinn und Zweck des Gesetzes ergäben das; bei der Auslegung des Begriffes der "ausschließlichen Geeignetheit" müßten auch subjektive Gesichtspunkte berücksichtigt werden, nämlich die Absicht der Bfin., das Fahrzeug ausschließlich in der Forstwirtschaft zu verwenden. Die angrenzenden Länder hätten auch Fahrzeuge der hier in Betracht kommenden Art von der Kraftfahrzeugsteuer freigestellt; die Bfin. weist auf Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) hin. Auch die Billigkeit erfordere eine Befreiung der Bfin. von der Kraftfahrzeugsteuer.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur erneuten Entscheidung.
Allerdings ist die Rüge hinsichtlich der Ablehnung der mündlichen Verhandlung durch das Finanzgericht verspätet (vgl. §§ 289, 290 Abs. 1 AO). Sie ist erst im Schriftsatz vom 10. (beim Finanzgericht eingegangen am 11.) April 1962, also um mehrere Tage später als mit Ablauf - 3. April 1962 - der in §§ 289 Abs. 2, 290 Abs. 1 AO bestimmten Frist, erhoben worden.
Es ist auch dem Finanzgericht darin beizutreten, daß das Motorfahrzeug der Bfin. im Streitfall keine "Zugmaschine" im Sinne des § 2 Nr. 6 KraftStG 1961 darstellt. Das Finanzgericht hat für den Begriff der "Zugmaschine" zutreffend auf das Urteil des erkennenden Senats II 185/54 U vom 18. Mai 1955 (BStBl 1955 III S. 211, Slg. Bd. 61 S. 34) Bezug genommen. Bei dem Motorfahrzeug der Bfin. handelt es sich nicht um ein solches, das (im wesentlichen) durch "Ziehen" ("Zug") der Fortbewegung von Lasten zu dienen geeignet und bestimmt ist. Die Vorinstanz hat mit Recht ausgeführt, daß bei dem Motorfahrzeug der Bfin. auch die Nutzlastaufnahme wesentlich ist. Das Motorfahrzeug der Bfin. "zieht" nicht nur, es "trägt" vielmehr auch sehr erheblich mit die Langholzlast, die nicht nur "zu geringem Teil" auf ihm aufliegt. Diesem Zwecke dient gerade das Motorfahrzeug mit. Das Finanzgericht hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die Nutzlast des zu transportierenden Langholzes größer ist als das schon beträchtliche Leergewicht des Motorfahrzeuges. Unerheblich ist es, ob die Nutzlast auf einem Fahrzeug auf einer besonderen Ladefläche, in einem Laderaum oder - wie im Streitfall - auf einem Drehschemel untergebracht ist. Daß das Fahrzeug der Bfin. technisch und verkehrsmäßig zweckmäßig ist, soll nicht bestritten werden; eine andere Frage aber ist, ob es nach geltendem Recht, an das das Gericht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG gebunden ist, kraftfahrzeugsteuerrechtlich befreit ist. Die letztere Frage ist zu verneinen. Beizupflichten ist dem Finanzgericht auch darin, daß sich das Langholzspezialfahrzeug der Bfin. durch seine Gewichtsverteilung auf Motorfahrzeug und Nachläufer von einer "Zugmaschine" unterscheidet, die einen zweiachsigen Anhänger zieht, auf dem das Holz allein - nicht auf auf der Zugmaschine - lastet. Insofern unterscheidet sich auch das Fahrzeug, das auf dem von der Bfin. als Anlage zur Rechtsbeschwerdebegründung eingereichten Bild fotografiert ist, wesentlich von dem Fahrzeug der Bfin.; beide Fahrzeuge müssen kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht gleichgestellt werden. Es kann an dieser Stelle auch dahingestellt bleiben - Näheres darüber vgl. unter 5. -, ob es sich bei den beiden Fahrzeugen der Bfin. um Sattelfahrzeuge handelt; denn, wie das Finanzgericht mit Recht ausgeführt hat, fallen auch Sattelzugmaschinen nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 2 Nr. 6 KraftStG 1961, sondern nach Wortlaut und Zweck dieser Vorschrift nur echte Zugmaschinen; sonst wäre in § 2 Nr. 6 des Gesetzes - wie in § 10 Abs. 1 Nr. 2 - der Klammerzusatz "einschließlich der Sattelzugmaschinen" hinzugefügt worden. Es besteht auch keine rechtliche Möglichkeit, Fahrzeuge wie dasjenige der Bfin. den Zugmaschinen "gleichzustellen".
Auch zu den "Sonderfahrzeugen" im Sinne des § 2 Nr. 6 KraftStG zählt das Motorfahrzeug der Bfin. nicht. Nach § 2 Nr. 6 Satz 2 KraftStG gelten als Sonderfahrzeuge "Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart oder ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen ausschließlich für die Verwendung in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben geeignet und bestimmt sind". An der "Ausschließlichkeit" dieser Eignung mangelt es, wie das Finanzgericht zutreffend dargelegt hat, bei dem Motorfahrzeug der Bfin. Zunächst ist zu bemerken, daß § 2 Nr. 6 KraftStG eine Rechtsvorschrift ist, die befolgt werden muß und nicht Billigkeitsgesichtspunkten Raum läßt. Wenn das Finanzgericht die Vorschrift des § 2 Nr. 6 Satz 2 KraftStG, soweit sie die "ausschließliche Eignung" betrifft, objektiv - nicht subjektiv - dahin ausgelegt hat, daß Spezialfahrzeuge, die auch außerhalb der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe verwendet werden können, auch dann nicht steuerbefreit sind, wenn sie tatsächlich nur in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden, so entspricht das dem klaren Wortlaut des Gesetzes und widerspricht auch nicht seinem Sinn und Zweck. Die Auslegung der Bfin., es komme für die "ausschließliche Eignung" auch auf subjektive Gesichtspunkte, auf den Willen der Betroffenen, auf die Eignung innerhalb des Betriebes der Bfin., an, findet im Gesetz keine Stütze. Wenn etwa in anderen Ländern der Bundesrepublik als in demjenigen, in dem die Bfin. ihr Unternehmen hat, das Gesetz anders ausgelegt werden sollte, so könnte einer solchen Auslegung nicht beigetreten werden; die Bfin. könnte sich auf sie nicht mit Erfolg berufen. Offensichtlich meint nun die Bfin., bei dieser Auslegung sei die Anwendungsmöglichkeit der Vorschrift des § 2 Nr. 6 KraftStG 1961 betreffend Sonderfahrzeuge sehr gering. Das mag zugegeben werden. Eine etwaige änderung wäre aber Sache des Gesetzgebers; die Steuergerichte haben das Gesetz so anzuwenden - vgl. nochmals Art. 20 Abs. 3 GG -, wie Wortlaut, Sinn und Zweck des Gesetzes es ergeben. Im Streitfall hat das Finanzgericht zutreffend dargelegt, daß das Motorfahrzeug der Bfin. nicht ausschließlich für die Verwendung in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben geeignet ist. Es besteht auch keine rechtliche Möglichkeit, das Fahrzeug einem "Sonderfahrzeug" im Sinne des § 2 Nr. 6 KraftStG gleichzustellen.
Zutreffend hat das Finanzgericht weiter ausgeführt, daß auch der Nachläufer der Bfin. nicht steuerbefreit ist, da er nicht hinter einer "Zugmaschine" oder hinter einem "Sonderfahrzeug" im Sinne des § 2 Nr. 6 KraftStG mitgeführt wird.
Die Vorentscheidung kann jedoch nicht aufrechterhalten bleiben. Die Sache ist zweckmäßig an das Finanzgericht zurückzuverweisen, weil die Vorinstanz die Höhe der Steuerfestsetzung hinsichtlich des Nachläufers zu Unrecht gebilligt hat. Das Finanzamt hat den Nachläufer als "Sattel"anhänger unter Anwendung des § 11 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG zur Versteuerung herangezogen. Um einen "Sattel"anhänger handelte es sich jedoch nicht. Bei einem Sattelfahrzeug wird das Anhängerfahrzeug mit seinem vorderen Teil auf das Motorfahrzeug aufgesetzt (vgl. insoweit unter anderem Müller, Straßenverkehrsrecht, 21. Auflage, 1959, Bem. 7 zu § 34 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, S. 630; Oberlandesgericht Hamm im Urteil vom 24. Februar 1958 2 Ss 1455/57, Verkehrsrechts-Sammlung Bd. 15 S. 304, 305 Nr. 127); das liegt im Streitfall nicht vor. Es lastet nicht ein nicht unerheblicher Teil des Leergewichts des Nachläufers auf dem Motorfahrzeug. Eine "Sattellast", wie sie § 10 Abs. 3 KraftStG voraussetzt und steuerrechtlich berücksichtigt wissen will, besteht nicht. Die Steuer wird daher anders zu berechnen sein.
Fundstellen
Haufe-Index 410745 |
BStBl III 1963, 191 |
BFHE 1963, 524 |
BFHE 76, 524 |