Leitsatz (amtlich)
Das FA ist nicht gehindert, trotz einer vom Steuerpflichtigen erhobenen Untätigkeitsklage den bei ihm noch anhängigen Einspruch zurückzuweisen. Eine gegen eine solche Einspruchsentscheidung erhobene (gesonderte) Klage ist jedoch unzulässig.
Normenkette
FGO § 46 Abs. 1
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) hat den Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid für ein einer Erbengemeinschaft gehörendes Grundstück auf 0 DM fortgeschrieben. Dagegen hat die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als hebeberechtigte Gemeinde zunächst Sprungklage erhoben, der das FA jedoch nicht zustimmte. Die Sprungklage wurde deshalb als Einspruch behandelt. Nachdem das FA über den Einspruch nicht entschied, erhob die Klägerin Untätigkeitsklage. Diese Klage wurde dem FA am 3. November 1971 zugestellt. Das FA entschied nunmehr am 4. November 1971 über den Einspruch. Es verwarf ihn als unzulässig. Gegen die Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin die vorliegende (gesonderte) Klage. Das FG verwarf die Klage als unzulässig. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision, mit der sie geltend macht:
Nachdem bereits Untätigkeitsklage erhoben gewesen sei, hätte eine Einspruchsentscheidung nicht mehr ergehen dürfen; denn diese habe keinen Sinn mehr gehabt und als Verwaltungsakt habe sie keine Rechtswirkungen mehr entfalten können. Sie sei deshalb unwirksam. Das FA habe sie jedoch mit einer Kostenentscheidung und einer Rechtsmittelbelehrung versehen. Es sei deshalb Klage geboten gewesen. Auf jeden Fall hätten die Verfahrenskosten dem FA auferlegt werden müssen.
Die Klägerin beantragt, festzustellen, daß die Einspruchsentscheidung vom 4. November 1971 unwirksam sei, hilfsweise, die Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf das zur Untätigkeitsklage ergangene Urteil des Senats vom 30. Januar 1976 III R 60/74 (BStBl II 1976, 426) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, daß die Einspruchsentscheidung vom 4. November 1971 Teil des Einspruchsverfahrens war und damit neben dem Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid auch Gegenstand der Untätigkeitsklage geworden ist. Das ergibt sich aus § 44 Abs. 2 FGO, wonach Gegenstand der Anfechtungsklage nach einem Vorverfahren der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt ist, die er durch die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Auch § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO spricht dafür, wonach neben dem angefochtenen Verwaltungsakt auch die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufzuheben ist, soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Aus diesen Vorschriften ist zu entnehmen, daß außerhalb des Einspruchsverfahrens und des sich anschließenden Klageverfahrens eine Einspruchsentscheidung kein selbständiges rechtliches Dasein hat. Sie kann deshalb auch neben einer sich gegen den Steuerbescheid richtenden Klage nicht nochmals gesondert mit einer Klage angefochten werden. Eine solche zusätzliche Klage wäre unzulässig, entweder, weil die Streitsache schon bei Gericht anhängig ist (§ 66 Abs. 1 FGO) oder weil für eine solche zusätzliche Klage kein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
2. Auch nach Erhebung einer Untätigkeitsklage bleibt eine Einspruchsentscheidung, mit der ein Einspruch zurückgewiesen wird, noch zulässig (siehe auch Beschluß des BFH vom 21. August 1974 I B 27/74, BFHE 113, 345, BStBl II 1975, 38). Darauf ist es ohne Einfluß, ob dem FA vom Gericht gemäß § 46 Abs. 1 FGO eine Frist zum Abschluß seines Verfahrens gesetzt worden ist oder nicht. Namentlich kann aus § 46 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz FGO nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. Denn diese Bestimmung trifft nur eine Regelung über den Verfahrensabschluß und die Kostenfolge (§ 138 Abs. 2 FGO), wenn das FA während des Klageverfahrens dem außergerichtlichen Rechtsbehelf stattgibt. Daraus kann man aber nicht schließen, daß nach Erhebung einer Untätigkeitsklage eine Entscheidung, mit der ein Einspruch oder eine Beschwerde zurückgewiesen werden, überhaupt nicht mehr zulässig sei.
Unzutreffend ist auch die Auffassung der Klägerin, eine solche Einspruchsentscheidung regele nichts Rechtsverbindliches mehr, sie stelle also keinen Verwaltungsakt mehr dar. Trotz der Untätigkeitsklage bleibt der Einspruch beim FA anhängig, über den es nach § 248 AO noch entscheiden kann. Notwendig ist eine solche Entscheidung allerdings nicht mehr und der Steuerpflichtige könnte eine solche Entscheidung auch nicht erzwingen.
3. Überflüssig war die der Einspruchsentscheidung beigefügte Rechtsmittelbelehrung. Daraus könnten sich Folgerungen für die Kostentragung ergeben, wenn der Steuerpflichtige behauptet, daß er durch die Rechtsmittelbelehrung veranlaßt worden sei, eine zusätzliche Klage zu erheben. Das ist hier aber nicht der Fall. Denn die Klägerin hält die Einspruchsentscheidung unabhängig von ihrer Untätigkeitsklage für unzulässig.
Fundstellen
Haufe-Index 71845 |
BStBl II 1976, 428 |
BFHE 1976, 288 |