Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung der Raummeterpreise im Sachwertverfahren
Leitsatz (NV)
1. Bei der Ermittlung der Raummeterpreise im Sachwertverfahren nach Maßgabe der Ausstattung (vgl. Anlagen 13, 14 und 15 zu Abschnitt 38 BewRGr) ist im Regelfall von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart auszugehen, der ein durchschnittlicher Raummeterpreis zuzuordnen ist.
2. Das finanzgerichtliche Verfahren wird durch den Tod des Klägers nicht unterbrochen, wenn dieser durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten wird, dessen Vollmacht über den Tod hinaus bestehen bleibt.
Normenkette
BewG §§ 83, 85; FGO § 155; ZPO §§ 86, 239, 246
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist als Alleinerbe der Gesamtrechtsnachfolger seiner am 27. Januar 1987 verstorbenen Ehefrau. Diese hatte auf einem ihr gehörenden Grundstück ein im Jahre 1980 bezugsfertig gewordenes Gebäude errichtet, das sie anschließend vermietete. Der Mieter nutzt das Gebäude als Kaufhaus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) hat das Grundstück mit Bescheid vom 19. Januar 1984 durch eine Art- und Wertfortschreibung zum 1. Januar 1981 als Geschäftsgrundstück bewertet und den Einheitswert im Sachwertverfahren auf . . . DM fortgeschrieben. Das FA hat das Gebäude in die Bauklasse 4.3 gemäß Anlage 15 zu Abschn. 38 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens (BewRGr) eingeordnet und den Raummeterpreis mit . . . DM angesetzt. Auf den Einspruch hat das FA wegen baulicher Mängel und Schäden einen Abschlag nach § 87 des Bewertungsgesetzes (BewG) in Höhe von 2 v. H. des Gebäudenormalherstellungswertes gewährt und den Einheitswert entsprechend ermäßigt. Im übrigen wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.
Mit der Klage beantragte die frühere Eigentümerin und Klägerin, vertreten durch ihren damaligen Steuerberater, den Einheitswert auf . . . DM herabzusetzen.
Die Klage hatte zum überwiegenden Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 1988 unter Abweisung der Klage im übrigen den Einheitswert für das Geschäftsgrundstück des Klägers auf . . . DM festgestellt. Da das FG über den Tod der Klägerin nicht unterrichtet worden war, ist statt des Klägers noch die frühere Klägerin als Beteiligte im Rubrum des Urteils genannt. Das FG begründet seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Maßgeblich sei nach Abschn. 38 BewRGr i. V. m. Anlage 15 die im Durchschnitt zutreffende Güte der Ausstattung. Deshalb sei zunächst festzustellen, welche Ausstattungsmerkmale für die einzelnen Bauteile zuträfen; sodann sei für das gesamte Gebäude die im Durchschnitt zutreffende Güte der Ausstattung zu ermitteln und daran anschließend festzustellen, welcher Wert innerhalb des für die Gebäudeklasse gültigen Rahmensatzes anzusetzen sei. Für Zwecke der Gesamtgewichtung der einzelnen Ausstattungsmerkmale hat das FG die fünf in der Anlage 13 zu Abschn. 38 BewRGr enthaltenen Ausstattungsklassen von einfach bis aufwendig mit jeweils eins bis fünf Punkten gleichgesetzt und dann die Gesamtzahl der Punkte durch die Anzahl 13 der vorhandenen Bau- und Gebäudeteile geteilt. Das FG errechnet auf diese Weise einen Durchschnittswert von 2,5 Punkten. Dieser Wert liegt nach Auffassung des FG innerhalb des Punktesystems genau in der Mitte der Gruppe ,,mittlere Ausstattung" (Gebäudeklasse 4.2 der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr); daraus ergebe sich als maßgeblicher Raummeterpreis ein Mittelwert von . . . DM. Nach Meinung des FG benachteiligt die vom FA angewandte Berechnungsmethode den Steuerpflichtigen, soweit es sich um ein Gebäude mit überwiegend einfachen und mittleren Ausstattungsmerkmalen handelt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 85 BewG. Es wendet sich gegen das vom FG angewandte Punktesystem, das im übrigen nur deshalb zu einem von der Berechnung des FA abweichenden Ergebnis führe, weil das FG den durchschnittlichen Raummeterpreis nicht vom Mittelwert, sondern vom niedrigsten Wert einer Ausstattungsgruppe ableite.
Nach dem Tod der Klägerin am 27. Januar 1987 hat ihr überlebender Ehemann als Alleinerbe erklärt, daß er den Rechtsstreit fortsetze. Er beantragt, nach Berichtigung des Rubrums des angefochtenen Urteils die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Abweisung der Klage.
1. Das Urteil der Vorinstanz ist wirksam. Die mündliche Verhandlung vor dem FG fand zwar zu einem Zeitpunkt statt, in dem die (frühere) Klägerin bereits verstorben war. Da sie aber durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten wurde, dessen Prozeßvollmacht durch ihren Tod nicht erloschen ist (§ 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i. V. m. § 86 der Zivilprozeßordnung - ZPO -), wurde das Verfahren gemäß § 155 FGO i. V. m. § 246 ZPO nicht nach § 155 FGO i. V. m. § 239 Abs. 1 ZPO unterbrochen. Das Urteil des FG konnte deshalb dem damaligen Prozeßbevollmächtigten wirksam zugestellt werden. Zwar ist auch dieser später verstorben. Die Unterbrechung des Verfahrens wurde jedoch dadurch beendet, daß der Kläger als Gesamtrechtsnachfolger der früheren Klägerin den Rechtsstreit aufgenommen hat (§ 155 FGO i. V. m. § 239 Abs. 1 ZPO). Da das Urteil der Vorinstanz im ganzen aufgehoben wird, bedarf es nicht der vom Kläger beantragten förmlichen Berichtigung des Rubrums nach § 107 FGO.
2. Bei der Bewertung eines Grundstücks im Sachwertverfahren ist vom Bodenwert, vom Gebäudewert und vom Wert der Außenanlagen auszugehen (§ 83 Satz 1 BewG). Dieser Ausgangswert ist durch Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert anzugleichen (§ 83 Satz 2, § 90 Abs. 1 BewG). Für die Ermittlung des Gebäudewerts ist zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG). Dieser Wert ist nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) umzurechnen (§ 85 Satz 2 BewG). Der so errechnete Gebäudenormalherstellungswert ist Grundlage zur Findung des Gebäudesachwerts unter Berücksichtigung der §§ 86, 87 BewG, der nach Maßgabe des § 88 BewG in besonderen Fällen ermäßigt oder erhöht werden kann (§ 85 Sätze 3 und 4 BewG).
In den Anlagen 14 und 15 zu Abschn. 38 BewRGr sind für unterschiedliche Gebäudeklassen Raummeterpreise festgelegt, die auf den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 beruhen und durch Anwendung des für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 maßgebenden Bauindexes auf die Baupreisverhältnisse in diesem Zeitpunkt umgerechnet sind. Es handelt sich dabei um Durchschnittswerte, die aufgrund eingehender Ermittlungen und zahlreicher Probebewertungen im Bundesgebiet gefunden worden sind. Diese Durchschnittswerte sind zum Zwecke einer möglichst gleichmäßigen Bewertung grundsätzlich anzuwenden, denn ihr Ansatz entspricht dem Zweck des Sachwertverfahrens, das in seinen Grundzügen auf die Bewertung von bebauten Grundstücken mit einem typisierenden gemeinen Wert (§ 9 BewG) ausgerichtet ist (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juni 1981 III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643). Rechtsnormcharakter kommt den Anlagen 14 und 15 allerdings nicht zu; auch ist die Einteilung nicht abschließend (vgl. Anlage 14, Teil B, Vorbemerkung Abs. 2, letzter Satz).
Hinsichtlich der Merkmale für die Beurteilung der baulichen Ausstattung, von der die Anwendung der aufgelisteten Raummeterpreise abhängt, sieht Anlage 13 zu Abschn. 38 BewRGr für insgesamt 13 Bau- und Gebäudeteile Kriterien für die Einreihung in die einzelnen Ausstattungsklassen, und zwar gestaffelt nach einfacher, mittlerer, guter, sehr guter und aufwendiger Ausstattung vor. Dabei soll für die Gebäudeklasse die im Durchschnitt zutreffende Güte der Ausstattung maßgebend sein und innerhalb des Rahmensatzes, der für die Ausstattung gilt, der Raummeterpreis nach der besseren oder geringeren Güte der Ausstattung im Einzelfall angesetzt werden (Anlage 14, Teil A, Vorbemerkung Abs. 3, Sätze 4 und 5; Anlage 15, Vorbemerkung Abs. 2 Sätze 4 und 5).
Ausgangspunkt für die im Rahmen möglichst zutreffender Schätzung zu findende Gebäudeklasse ist die Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse des Hauptfeststellungszeitpunktes, wie sie § 27 BewG festschreibt. Allein auf diesem Hintergrund ist die Auflistung der Anlage 13 zu betrachten. Aus diesem Grunde müssen die vom Kläger geltend gemachten niedrigeren tatsächlichen Herstellungskosten bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswertes außer Betracht bleiben. Davon geht auch das angefochtene Urteil zu Recht aus.
Die vom FG für die Findung des Raummeterpreises gewählte Methode ist jedoch in sich nicht schlüssig und verletzt § 85 Satz 1 BewG. Denn auch auf dem vom FG gewählten Weg wird die Findung des Raummeterpreises mit dem Ansatz der besseren oder geringeren Güte der einzelnen Ausstattungsmerkmale verknüpft, und zwar derart, daß das FG unter Anwendung eines ,,Punktesystems" ausgehend von dem geringsten zuzuordnenden Raummeterpreis die Gebäudeklasse findet. Dieses ,,Punktesystem" wird deshalb dem o. a. Zweck des auf die Findung eines typisierenden gemeinen Werts gerichteten Sachwertverfahrens nicht gerecht; denn das FG unterstellt die jeweilige Geringstwertigkeit der einzelnen Ausstattungsmerkmale, ohne dafür einen einleuchtenden Grund oder einen Erfahrungssatz anführen zu können. Die durch die BewRGr vorgegebenen Schätzungsschritte machen es aber erforderlich, zunächst von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart auszugehen, der - im Sinne eines verfeinernden und deswegen besser geeigneten ,,Punktesystems" - ein durchschnittlicher Raummeterpreis zuzuordnen ist. Dabei wird nämlich entgegen der Auffassung des FG den einzelnen für die Einreihung in die Gebäudeklasse entscheidenden Ausstattungsmerkmalen gleichmäßig Gewicht zugemessen. Im Regelfall kann dann davon ausgegangen werden, daß der gefundene Raummeterpreis, der die Ausstattungsmerkmale gleichmäßig berücksichtigt, auch zu einem zutreffenden Gebäudenormalherstellungswert führt, der kraft Gesetzes (§ 85 Satz 1 BewG) auf der Grundlage von Durchschnittswerten zu finden ist (siehe Senatsurteil vom 18. Mai 1988 II R 241/85, BFHE 154, 139, BStBl II 1988, 935).
Im Streitfall ergeben sich auch aus den nach § 118 Abs. 2 FGO den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer vom Regelverfahren abweichenden Gewichtung der von der Klägerin erklärten Ausstattungsmerkmale. Diese hat das FA für die einzelnen Bauteile mit den Durchschnittspreisen (mittlerer Raummeterpreis) erfaßt und daraus entsprechend der Häufigkeit der Ausstattungsmerkmale nach Maßgabe der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr den durchschnittlichen Raummeterpreis zutreffend mit . . . DM errechnet.
Fundstellen
Haufe-Index 417585 |
BFH/NV 1992, 371 |