Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang der Unternehmereigenschaft bei Veräußerung eines Mietgrundstücks
Leitsatz (NV)
1. Der im Grundbuch noch nicht eingetragene Erwerber eines Mietgrundstücks wird infolge des Grundstückserwerbs nur dann Unternehmer, wenn er Mietumsätze tätigt.
2. Solange der Veräußerer noch im Grundbuch als Eigentümer des Grundstücks eingetragen ist und das Grundstück aus eigenem Recht vermietet, fehlt es an einer Grundstückslieferung (Abgrenzung zum EuGH-Urteil vom 29. Februar 1996 Rs. C- 110/94 -- INZO, DStR 1996, 419).
Normenkette
UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die durch "Gesellschafts- und Einbringungsvertrag" vom 20. Dezember 1988 errichtet wurde.
Ihr Gesellschafter B war Eigentümer eines Wohn- und Geschäftshauses in X. Er hatte die Immobilie unter der Bezeichnung "B- Unternehmen" an mehrere Mieter vermietet.
Nach dem Vertrag vom 20. Dezember 1988 brachte er "aus diesem Grundbesitz noch zu bildende Teileigentumseinheiten ... mit Wirkung zum 20. 12. 1988" in die Klägerin ein; nach dem Vertrag handelte es sich um dort näher beschriebene Gewerberäume. Der Einbringungswert wurde mit ... DM beziffert. Ein Teilbetrag von ... DM sollte der Erfüllung der Einlagepflicht von B gegenüber der Klägerin dienen, hinsichtlich des Restbetrages von ... DM wurde ein Zahlungsanspruch gegen die Klägerin vereinbart. Die Auflassung sollte nach Errichtung der Teilungserklärung erfolgen. Der Besitzübergang wurde auf den Tag des Vertragsabschlusses festgelegt.
B verzichtete auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) und erteilte der Klägerin unter dem 22. Dezember 1988 eine Rechnung, in der bezüglich eines anteiligen Einbringungswertes von ... DM (auf die Gewerberäume entfallender Betrag) Umsatzsteuer in Höhe von ... DM ausgewiesen wurde. Diese Umsatzsteuer wurde von der Klägerin im Rahmen der Umsatzsteuervoranmeldung 12/88 als Vorsteuer geltend gemacht. Im Mai 1990 wurde die Rechnung vom 22. Dezember 1988 dahingehend berichtigt, daß nur noch Umsatzsteuer in Höhe von ... DM in Rechnung gestellt wurde.
Der Vertrag vom 20. Dezember 1988 wurde grundbuchmäßig nicht vollzogen. Bereits im Januar 1989 traten -- wie es wörtlich heißt -- "Herr B und die Gesellschafter der Gesellschaften bürgerlichen Rechts als Verkäufer auf" und veräußerten ein Teilgrundstück (Flurstück ... ) an eine Grundstücksgemeinschaft R. Das restliche Grundstück (Flurstück ... ) wurde im Juni 1989 verkauft.
Erst danach wurden die Mieter des Gebäudes "von der Einbringung informiert". Nach der Sachverhaltsdarstellung des Finanzgerichts (FG) wurden die unter der Bezeichnung "B- Unternehmen" nach dem 20. Dezember 1988 vereinnahmten Mieten "im Wege einer vierteljährlichen Abrechnung auf die noch offene Kaufpreiszahlung angerechnet".
Aufgrund einer Umsatzsteuersonderprüfung setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) die Umsatzsteuer für Dezember 1988 auf 0 DM fest, da das FA die Unternehmereigenschaft der Klägerin verneinte.
Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt und setzte die Umsatzsteuer für Dezember 1988 auf ./. ... DM fest. Es führte im einzelnen aus, weshalb es die Klägerin ab 20. Dezember 1988 als Vermieterin betrachte. Der Klägerin hätten die Mieteinkünfte von diesem Zeitpunkt an zugestanden. Aufgrund der geschilderten Verrechnung mit der Forderung von B seien sie tatsächlich der Klägerin zugeflossen.
Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision. Es ist der Auffassung, daß nach ebenso wie vor dem 20. Dezember 1988 B die Vermietungsumsätze bewirkt habe. B seien nach wie vor die Mieten zugeflossen. Im Vertrag vom 20. Dezember 1988 sei lediglich der sofortige Besitzübergang vereinbart gewesen, nicht aber der Übergang der Nutzungen. Auch die -- vom FA eingeräumte -- Verrechnung der Mieteinnahmen seitens B mit seiner Forderung gegen die Klägerin sei nicht vereinbart gewesen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung war aufzuheben und die Klage abzuweisen.
1. Die Klage, über die das FG zu entscheiden hatte, betraf nicht nur die Höhe der von der Klägerin geschuldeten Umsatzsteuer, sondern vorrangig die Frage, ob gegenüber der Klägerin überhaupt Umsatzsteuer für Dezember 1988 festgesetzt werden durfte. Das FA hat gegenüber der Klägerin zwar der äußeren Form nach eine Steuerfestsetzung vorgenommen (0 DM). Es hat damit aber nicht zum Ausdruck gebracht, daß die Klägerin eigentlich Steuerschuldnerin sei, daß die Höhe der Umsatzsteuer aber 0 DM betrage; vielmehr hat es aussprechen wollen, daß gegenüber der Klägerin -- als Nichtunternehmerin -- keine Umsatzsteuer festzusetzen sei. Der Senat sieht deshalb in dem angegriffenen Bescheid keine Festsetzung einer Vorauszahlung i. S. von § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG 1980, sondern die Ablehnung einer Steuerfestsetzung gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung (AO 1977).
2. Entgegen der Auffassung des FG war gegen die Klägerin keine Umsatzsteuer festzusetzen; sie war keine Unternehmerin i. S. von § 2 Abs. 1 UStG 1980, da sie nicht nachhaltig Leistungen gegen Entgelt ausgeführt hat.
a) Als derartige nachhaltige Leistungen kommen in erster Linie an Mieter zu erbringende Vermietungsleistungen in Betracht. Vermietungsleistungen hat die Klägerin jedoch nicht ausgeführt.
Das FG hat den von ihm festgestellten Sachverhalt zivilrechtlich zutreffend dahin gewürdigt, daß nicht die Klägerin, sondern der Vermieter und Eigentümer B die vermieteten Räume vor dem 20. Dezember 1988 und danach an die Mieter mietweise überlassen hat. An den Rechtsbeziehungen zwischen B und den Mietern hat sich am 20. Dezember 1988 nichts geändert. Tatsächlich hat B die Mieten nach wie vor vereinnahmt. Mangels Eigentumsübergangs ist die Klägerin auch nicht nach § 571 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in die sich aus den Mietverhältnissen ergebenden Pflichten und Rechte eingetreten; da es zu der im "Einbringungsvertrag" vorgesehenen Teilungserklärung (§ 8 des Wohnungseigentumsgesetzes), Auflassung (§ 873 BGB) und Eintragung im Grundbuch nicht mehr kam, blieb B Alleineigentümer des Grundstücks. Auch der Umstand, daß B im Jahre 1989 nicht allein, sondern zusammen mit den übrigen Gesellschaftern der Klägerin als Veräußerer des Grundstücks auftrat, ändert nichts daran, daß B bis zur Veräußerung Alleineigentümer des Grundstücks blieb und daß er, nicht die Klägerin, das Grundstück weiterhin an die Mieter vermietete.
Den zivilrechtlichen Rechtsbeziehungen ist grundsätzlich umsatzsteuerrechtlich zu folgen, wenn diese erfüllt sind und wenn die für das Umsatzsteuerrecht maßgebende tatsächliche Leistungshandlung keine eigenständige Beurteilung erfordert (Bundesfinanzhof -- BFH -- Urteil vom 16. März 1995 V R 128/92, BFHE 177, 527, BStBl II 1995, 651 m. w. N.).
Entgegen der Auffassung des FG erfordert der Streitfall keine vom Zivilrecht abweichende Beurteilung der Leistungsbeziehungen. Die Vereinbarungen und Verrechnungen zwischen der Klägerin und B berühren die Rechtsbeziehungen zwischen B und den Endmietern nicht. B war als Eigentümer des Grundstücks -- unbeschadet des vereinbarten Besitzübergangs auf die Klägerin -- in der Lage, seiner Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung der vermieteten Räume an die Mieter nachzukommen. Er hat diese Verpflichtung auch tatsächlich erfüllt.
b) Die Klägerin hat den ihr zu übereignenden Grundstücksteil weder an B (zwischen-)vermietet noch eine vergleichbare -- ihre Unternehmereigenschaft begründende -- Leistung erbracht. Selbst wenn der Klägerin ab 20. Dezember 1988 die Früchte des Vertragsobjekts zuständen, und B ihr deshalb die Mieten -- durch Verrechnung mit seiner Forderung -- herausgegeben hätte, läge dem der "Gesellschafts- und Einbringungsvertrag" vom 20. Dezember 1988 zugrunde, und kein Mietverhältnis oder ein vergleichbarer Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und B. Der Vermieter, der seine Mieteinnahmen abtritt, macht dadurch nicht den Zessionar zum Vermieter.
3. Die Klage kann auch nicht unter Berufung auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94 -- INZO (Deutsches Steuerrecht 1996, 419) Erfolg haben. Nach dieser Entscheidung kommt ein Vorsteuerabzug für Leistungsbezüge eines Unternehmens unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen selbst dann in Betracht, wenn die vom Steuerpflichtigen beabsichtigte wirtschaftliche Tätigkeit nicht zu steuerpflichtigen Umsätzen führt. Die Grundsätze dieses Urteils können im Streitfall schon deshalb keine Anwendung finden, weil es an dem Leistungsbezug, für den die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend macht, fehlt. Mit dem Vertrag vom 20. Dezember 1988 hatte B noch keine Grundstückslieferung ausgeführt, die die Klägerin zum Vorsteuerabzug berechtigte. Solange B das Grundstück aus eigenem Recht als Vermieter nutzte, war die Grundstückslieferung noch nicht bewirkt (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 20. Juli 1995 V R 121/93, BFH/NV 1996, 270). Auch aus diesem Grunde sind die Voraussetzungen des § 15 UStG 1980, Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG für den Vorsteuerabzug nicht erfüllt.
Fundstellen
Haufe-Index 421526 |
BFH/NV 1996, 939 |