Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer Erbschaft, Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Teilungsanordnungen gemäß § 2048 BGB sind grundsätzlich für die Erbschaftsbesteuerung nicht maßgebend.
Im Erbschaftsteuerrecht ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise regelmäßig ausgeschlossen.
Durch ein bindendes Kaufangebot allein kommt noch kein Kaufvertrag, auch kein aufschiebend bedingter, zustande.
Normenkette
ErbStG § 2 Abs. 1 Ziff. 1, § 22/2, § 23/2
Tatbestand
Die Bf. sind die beiden Testamentsvollstrecker bzw. die Erben des Erblassers X, zuletzt wohnhaft in M. Bei der Veranlagung zur Erbschaftsteuer ist streitig geworden, ob die nachlaßzugehörigen, nach dem Tode des Erblassers verkauften Grundstücke Y-Straße 2 und Z-Straße 21 in M. mit dem Einheitswert oder mit dem Verkaufserlös anzusetzen sind. Das Finanzamt hat im vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid vom 23. Juni 1954 für das Grundstück Y- Straße 2 den Verkaufserlös von 330.000 DM zugrunde gelegt, das Grundstück Z-Straße 21 aber zunächst noch mit dem Einheitswert von 49.800 DM angesetzt. Gegen diesen Erbschaftsteuerbescheid hat der eine der Testamentsvollstrecker Einspruch eingelegt und Zugrundelegung des Einheitswerts des Grundstücks Y-Straße 2 mit 262.800 DM ( - statt des Verkaufspreises von 330.000 DM -) beantragt. Am 7. Januar 1955 hat das Finanzamt einen berichtigten vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid erlassen, in dem nunmehr auch der Verkaufspreis des Grundstücks Z-Straße 21 mit 54.600 DM statt des Einheitswerts von 49.800 DM angesetzt worden ist. Der Einspruch der Bf. hat, soweit er sich gegen die Zugrundelegung der Verkaufspreise der beiden Grundstücke statt ihrer Einheitswerte richtete, keinen Erfolg gehabt. Mit der Berufung haben die Bf. nur noch den Ansatz des Grundstücks Y-Straße 2 mit dem Verkaufspreis angegriffen, dem Ansatz des Verkaufspreises für das Grundstück Z-Straße 21 jedoch ausdrücklich zugestimmt. Die Berufung hat insofern Erfolg gehabt, als das Grundstück Y-Straße 2 mit dem Einheitswert angesetzt worden ist und der Verkaufspreis des Grundstücks Z-Straße 21 mit dem Gegenwartswert - nicht dem Nennbetrag - der Forderung zugrunde gelegt worden ist. Mit der Rb. gegen das Urteil des Finanzgerichts rügen die Bf. unrichtige Errechnung der Erbschaftsteuer. Das Finanzamt hat Anschlußbeschwerde eingelegt und verbleibt dabei, daß für das Grundstück Y-Straße 2 der Verkaufspreis statt des Einheitswerts zugrunde gelegt werden müsse.
Entscheidungsgründe
Die Rb. der Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Anschlußbeschwerde des Finanzamts zur Zurückweisung.
Die angefochtene Entscheidung hat unter Bezugnahme auf das Urteil des Reichsfinanzhofs III e A 66/36 vom 26. November 1936 (RStBl 1937 S. 6 -7-) zutreffend ausgeführt, daß die Erbauseinandersetzung regelmäßig auf die Erbschaftsbesteuerung keinen Einfluß hat (vgl. auch das Urteil des Reichsfinanzhofs III e 28/38 vom 14. März 1940, RStBl 1940 S. 417 - 420 linke Spalte oben -, Slg. Bd. 48 S. 196); letzteres gilt auch für die Erbauseinandersetzung auf Grund von Teilungsanordnungen des Erblassers. Als eine solche Teilungsanordnung im Sinne des § 2048 BGB hat das Finanzgericht vorliegendenfalls die Bestimmungen des Testaments angesehen, durch die die Verwertung des Grundbesitzes sowie die Verwendung der Barbestände und Guthaben geregelt wird, ferner die Bestimmungen des Testaments, durch die die Versteigerung und Verwertung des Hausrats und Kunstbesitzes angeordnet ist. Mit Recht rügen nun die Bf., daß die angefochtene Entscheidung im Widerspruch mit ihrer eigenen grundsätzlichen Rechtsauffassung und mit dem erwähnten Urteil des Reichsfinanzhofs vom 26. November 1936 die in den genannten Teilungsanordnungen für die Grundstückserlöse, sowie für den Erlös aus Hausrat und Kunstbesitz usw. festgelegten prozentualen Teilungsschlüssel der Steuerberechnung zugrunde gelegt hat. Die Bf. führen zutreffend aus, daß der Reinnachlaß im Verhältnis der Erbteile der Erben zu versteuern ist. Es trifft auch zu, daß die Forderungen der Vermächtnisnehmer als Nachlaßverbindlichkeiten zum Abzug gebracht werden müssen, was nicht geschehen ist. Wegen dieser Rechtsmängel unterliegt die angefochtene Entscheidung der Aufhebung.
Mit der Anschlußbeschwerde macht das Finanzamt wie schon bisher geltend, auf Grund des Testaments sei bereits im Zeitpunkt des Todes des Erblassers für die Erben die Verpflichtung zur Veräußerung bzw. Versteigerung des Nachlasses entstanden. Die Grundstücke seien mit dem Einheitswert als Nachlaßaktivum anzusetzen, in gleicher Höhe sei eine Nachlaßverbindlichkeit (Verpflichtung zur Herausgabe der Grundstücke) abzusetzen. Zu versteuern sei dann noch der Erlös (Kaufpreis) für die Grundstücke. Diese Auffassung entspreche der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Steuerrechts. Die Ansicht des Finanzamts verkennt jedoch maßgebende Grundsätze des Erbrechts wie des Erbschaftsteuerrechts. Mit Recht führen die Bf. aus, daß der Erblasser eine Erbeinsetzung hinsichtlich des Kaufpreises für das zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch gar nicht verkaufte Grundstück Y-Straße 2 mit Rücksicht auf die Vorschrift des § 1922 BGB nicht hätte vornehmen können, weil anderenfalls ein Zwischenzustand eingetreten wäre, während dessen das Erbrecht (ob an dem Grundstück oder der Kaufpreisforderung) in der Schwebe geblieben wäre. Es ist aber auch erbschaftsteuerlich unrichtig, die wirtschaftliche Betrachtungsweise anwenden zu wollen. Das Erbschaftsteuerrecht ist auf dem Erbrecht des BGB aufgebaut (vgl. die Urteile des Reichsfinanzhofs I e A 73/31 vom 17. Februar 1931, RStBl 1931 S. 241, und III e A 51/34 vom 2. Mai 1935, RStBl 1935 S. 905), infolgedessen kann sich eine Erbschaftsteuer nur auf Grund rechtlicher Beurteilung ergeben; es gibt keine Erbschaft im wirtschaftlichen Sinn (vgl. das oben erwähnte Urteil des Reichsfinanzhofs vom 14. März 1940 im RStBl 1940 S. 420, linke Spalte oben: "Person und Maß der Erbschaftsteuerschuld kann sich aber nur nach den Anordnungen des Gesetzes oder des Zuwendenden richten."; vgl. ferner zur Frage der wirtschaftlichen Betrachtungsweise im Erbschaftsteuerrecht das Urteil des Reichsfinanzhofs III e A 46/36 vom 26. November 1936, RStBl 1936 S. 1218). Für das Grundstück Y-Straße 2 kommt demnach gemäß § 22 Abs. 2 des Erbschaftsteuergesetzes 1951 nur der Ansatz des Einheitswertes in Betracht, und zwar gilt dies entgegen der Auffassung des Finanzamts einheitlich sowohl für die Berechnung der Erbschaftsteuer der Erben wie der Vermächtnisnehmer; die Ansicht des Finanzamts findet im Erbschaftsteuergesetz keine Stütze. Hiernach erweist sich die Anschlußbeschwerde des Finanzamts als unbegründet.
Die Sache ist nach Aufhebung der Vorentscheidung zu erneuter Entscheidung zweckmäßigerweise an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Hierbei wird das Finanzgericht zu beachten haben, daß auch das Grundstück Z-Straße 21 nicht mit dem Verkaufserlös, sondern mit dem Einheitswert anzusetzen ist. Es kam nicht darauf an, daß, wie das Finanzgericht beiläufig bemerkt, die Bf. gegen den Ansatz des Verkaufserlöses dieses Grundstücks keine Einwendungen mehr erhoben haben (vgl. § 243 Abs. 2 AO), entscheidend ist vielmehr die objektive Rechtslage. Nun ist es zwar richtig, daß der Erblasser dem einen Testamentsvollstrecker ein bindendes Kaufangebot über das genannte Grundstück gemacht hat, weil diese Bindung in dem Kaufangebot nicht im Sinne des § 145 Halbsatz 2 BGB ausgeschlossen worden ist. Ein Vertrag kommt jedoch nach § 151 BGB erst durch die Annahme des Antrags zustande. Nach der notariellen Urkunde über das Kaufangebot konnte der Antragsempfänger den Antrag erst nach dem Tode des Antragenden annehmen. Er ist infolgedessen auch erst nach diesem Zeitpunkt angenommen worden. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers hat demnach ein Kaufvertrag über das Grundstück Z- Straße 21 nicht vorgelegen, und zwar nicht einmal ein aufschiebend bedingter - der gegebenenfalls übrigens sowohl hinsichtlich des Nachlaßbestandes (aufschiebend bedingte Kaufpreisforderung) wie hinsichtlich der Nachlaßverbindlichkeiten (aufschiebend bedingte Verpflichtung zur Grundstücksübertragung) gemäß §§ 4, 6 des Bewertungsgesetzes unberücksichtigt bliebe -. Eine aufschiebende Bedingung im Rechtssinne (§ 158 Abs. 1 BGB) liegt nämlich dann nicht vor, wenn das Zustandekommen des Vertrages selbst und nicht dessen Wirkung in Frage gestellt ist, wie dies § 158 BGB vorsieht (vgl. die Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 131 S. 24 - 26/27 - und Bd. 136 S. 132 - 135 -; ferner Kommentar der Reichsgerichtsräte zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., 1959, Anm. 5 vor § 158, sowie Staudinger, BGB, 11. Aufl., 1957, Anm. 12 zu § 145). Mithin kann auch für das Grundstück Z-Straße 21 gemäß § 22 Abs. 2 des Erbschaftsteuergesetzes 1951 nur der Einheitswert, nicht aber der Verkaufserlös angesetzt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 409733 |
BStBl III 1960, 348 |
BFHE 1961, 266 |
BFHE 71, 266 |