Leitsatz (amtlich)
1. § 11 Abs. 4 UG und die ihm entsprechenden § 11 Abs. 3 der 23. UGDV und § 3 Abs. 4 der 33. UGDV gelten auch für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf Stichtage vor dem 1. Januar 1957. An dem Urteil III 61/58 S vom 24. Juni 1960 (BFH 71, 344, BStBl III 1960, 380) wird insoweit nicht mehr festgehalten. Ausgleichsforderungen der Versicherungsunternehmen sind deshalb zu diesen Stichtagen mit dem Nennwert zu bewerten, und zwar auch insoweit, als sie unverzinslich sind oder zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzugeben sind.
2. Besteht nach dem Zuteilungsbeschluß für Ausgleichsforderungen die Verpflichtung, sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzugeben, so ist diese Verpflichtung mit dem Gegenwartswert nach § 14 Abs. 3 BewG zu berücksichtigen, wenn die Ausgleichsforderungen unverzinslich sind. Sind die Ausgleichsforderungen mit 3,5 v. H. verzinslich, so ist vom Nennbetrag der Rückgabeverpflichtung der Kapitalwert der Zinsdifferenz zwischen 3,5 v. H. und dem im BewG allgemein geltenden Zinssatz von 5,5 v. H. nach Hilfstafel 2 zum BewG abzuziehen.
2. Die Verpflichtung zur Rügabe von Ausgleichsforderungen nach § 9 Abs. 2 der 3. DMBEG ist bei einem westdeutschen Versicherungsunternehmen ebenso wie bei einem westdeutschen Geldinstitut (vgl. BFH-Urteil III 213/60 U vom 3. Dezember 1965, BFH 84, 508, BStBl III 1966, 186) bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Berichtigungsbilanz bzw., wenn die DMEB erst nach dem Inkrafttreten des 3. DMBEG aufgestellt wird, bis zur Aufstellung dieser DMEB aufschiebend bedingt und deshalb nach § 6 BewG nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
UG § 11 Abs. 4; 23. UGDV § 11 Abs. 3; 33. UGDV § 3 Abs. 4; 3. DMBEG § 9 Abs. 2; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 6; BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 14 Abs. 3
Tatbestand
I. Sachverhalt und Entscheidung des Finanzgerichts
Streitig ist die Bewertung von Ausgleichsforderungen und die Bildung einer Rückstellung für die Rückgabeverpflichtung aus § 9 Abs. 2 3. DMBEG bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1953.
Die Klägerin betrieb am Bewertungsstichtag das Rückversicherungsgeschäft. Bei der erstmaligen Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz (DMEB) im Jahre 1955 machte sie von der Möglichkeit einer Höherbewertung ihrer Wertpapiere und Anteile gemäß dem 3. DMBEG Gebrauch. Für die aus der Berichtigung der Wertansätze gemäß § 9 Abs. 2 des 3. DMBEG folgende Verpflichtung zur Rückgabe zugeteilter Ausgleichsforderungen bildete die Klägerin in der Bilanz zum 31. Dezember 1952 eine Rückstellung in Höhe von 210 970 DM. Den Gesamtbestand an Ausgleichsforderungen wies sie mit 1 151 350 DM aus. Er setzte sich wie folgt zusammen:
1.982 289 DM mit 3,5 v. H. verzinsliche Ausgleichsforderung gemäß § 24 Abs. 2 UG.
2.8 123 DM mit 3 v. H. verzinzliche Sonderausgleichsforderung gemäß § 2 der 45. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz (UGDV).
3.160 938 DM Ausgleichsforderung aufgrund eines Beschlusses des Länderausschusses vom 20. Januar 1954 zum Ausgleich eines Mankos bei dem Beitragsübertrag. Diese besondere Ausgleichsforderung setzt sich wie folgt zusammen:
a) 80 469 DM nicht zurückzugebende, mit 3,5 v. H. verzinsliche Ausgleichsforderung;
b) 40 234 DM bis zum 1. April 1959 zurückzugebende, mit 3,5 v. H. verzinsliche Ausgleichsforderung;
c) 40 235 DM bis zum 1. April 1959 zurückzugebende, unverzinsliche Ausgleichsforderung.
Das FA erkannte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1953 die Rückstellung für die Rückgabeverpflichtung nicht an.
Mit dem Einspruch und der Berufung begehrte die Klägerin die Anerkennung eines Schuldpostens von 210 970 DM, vermindert um den ihr nach § 11 Abs. 2 der 23. UGDV, § 9 Abs. 2 des 3. DMBEG zustehenden Zinsanspruch in Höhe von 7 384 DM. Außerdem beantragte sie, die mit 3,5 v. H. verzinslichen Ausgleichsforderungen wegen ihres geringen Zinssatzes und der erschwerten Verwertbarkeit mit einem geminderten Betrag anzusetzen und den unverzinslichen Teilbetrag der zurückzugebenden Ausgleichsforderungen als wertlos außer Betracht zu lassen.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das FG führte im wesentlichen aus: Die Anerkennung einer Rückstellung wegen der Rückgabeverpflichtung sei nicht gerechtfertigt, weil die Rückgabeverpflichtung erst lange nach dem Bewertungsstichtag durch das im Jahre 1955 in Kraft getretene 3. DMBEG begründet worden sei. § 9 Abs. 2 dieses Gesetzes sehe keine rückwirkende Berücksichtigung eines Schuldpostens für die Rückgabeverpflichtung vor. Eine Auslegung des Gesetzes gegen seinen Wortlaut komme nicht in Betracht. Für die Bewertung der Ausgleichsforderungen sei der Teilwert maßgebend. Ein Ansatz unter dem Nennwert sei nicht zulässig; denn § 11 Abs. 4 UG schreibe zwingend vor, daß Ausgleichsforderungen nur zum Nennwert veräußert oder erworben werden könnten. Aber auch wenn man die Ausgleichsforderungen nach den §§ 13 oder 15 BewG bewerten würde, sei mit Rücksicht auf § 11 Abs. 4 UG der Nennwert anzusetzen. Für die Bewertung der unverzinslichen Ausgleichsforderungen greife keine andere rechtliche Beurteilung Platz, weil die ihnen gegenüberstehenden Verbindlichkeiten zinslos bis zur Fälligkeit der Kapitalverbindlichkeiten bis zum 31. Dezember 1960 gestundet seien und Ausgleichsforderungen bei Fälligkeit der gegenüberstehenden Verbindlichkeiten angekauft werden sollten.
II. Revisionsanträge und deren Begründung
Mit der nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde beantragt die Steuerpflichtige:
a) die nominal 8 123 DM 3 %ige Sonderausgleichsforderungen nach § 14 Abs. 1, § 10 Abs. 2 BewG a. F. wesentlich niedriger als mit dem Nennbetrag anzusetzen;
b) die bis 1. April 1959 zurückzugebenden, mit 3,5 % verzinslichen nominal 40 234 DM Ausgleichsforderungen nach § 15 Abs. 1 BewG a. F. und der Hilfstafel hierzu als Rente für bestimmte Zeit (6,25 Jahre) mit 3,5x 5,45 = 19 v. H. ihres Nennbetrages zu bewerten;
c) die bis 1. April 1959 zurückzugebenden nominal 40 235 DM unverzinslichen Ausgleichsforderungen als nonvaleurs überhaupt nicht zu berücksichtigen;
d) die nach § 9 Abs. 2 des 3. DMBEG zurückzugewährenden 3,5 %igen, aber nur bis 31. Dezember 1953 verzinslichen Ausgleichsforderungen zu nominal 210 970 DM als Rente für bestimmte Zeit (ein Jahr) nach § 15 Abs. 1 BewG a. F. und der Hilfstafel dazu mit dem einfachen Jahresbetrag anzusetzen, wobei für diesen Fall die beantragte Passivierung der Rückgabeverpflichtung gegenstandslos sein soll;
e) die übrigen mit 3,5 % verzinslichen Ausgleichsforderungen als Rente für unbestimmte Zeit nach § 15 Abs. 2 Satz 2 BewG a. F. mit 9x 3,5 = 31,5 v. H. ihres Nennbetrags anzusetzen;
f) im Hinblick auf das Urteil des Senats III 125/61 S vom 8. September 1961 (BFH 74, 42, BStBl III 1962, 19) eine Rückstellung für Pensionsanwartschaften zu berücksichtigen;
g) hilfsweise für den Fall, daß eine unbedingte Kapitalforderung schon zum 1. Januar 1953 angenommen werde,
aa) die Ausgleichsforderungen mit dem gemeinen Wert nach § 10 Abs. 2 BewG a. F. jeweils etwa in der Höhe der nach § 15 Abs. 1 und 2 BewG a. F. errechneten Werte anzusetzen und dabei von einem Zinssatz in Höhe von 9 bis 11 v. H. auszugehen und die Bedeutung des 1. Kapitalmarktförderungsgesetzes vom 15. Dezember 1952 zu berücksichtigen;
bb) die Bildung einer Rückstellung für die Rückgabeverpflichtung von Ausgleichsforderungen aus § 9 Abs. 2 des 3. DMBEG anzuerkennen.
Zur Begründung der Revision wurde im wesentlichen vorgetragen:
Am Bewertungsstichtag habe noch keine Kapitalforderung bestanden, weil erst durch das Tilgungsgesetz 1956 ein Anspruch auf Zahlung des Nennbetrags der Ausgleichsforderungen geschaffen worden sei. Vorher sei das Zahlungsversprechen allenfalls aufschiebend bedingt gewesen. Eine Rückbeziehung der durch das Tilgungsgesetz geschaffenen Rechtslage auf den Bewertungsstichtag sei unzulässig. Die vor Erlaß des Tilgungsgesetzes 1956 festgelegten Abführungs- und Rückgabepflichten besagten nichts über den Inhalt, die Rechtsnatur, den Wert und die Tilgbarkeit der Ausgleichsforderungen. Auch die Eintragung der Ausgleichsforderungen im Schuldbuch besage nichts über ihren Charakter als Kapitalforderung, ebenso nicht die Bezeichnung des Nennbetrags der Ausgleichsforderungen. Das angefochtene Urteil verletze das Grundrecht der Klägerin auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit auf wirtschaftlichem Gebiet. Der Auffassung des BFH in dem Urteil III 61/58 S vom 24. Juni 1960 (BFH 71, 344, BStBl III 1960, 380), daß Ausgleichsforderungen Kapitalforderungen im Sinne des § 14 BewG a. F. seien, könne nicht beigetreten werden. Die vom BFH in diesem Urteil angenommene besondere Ausgestaltung der Ausgleichsforderungen, die ihren Ansatz mit dem Nennwert rechtfertigen solle, sei in Wirklichkeit nicht vorhanden. Sie beweise im Gegenteil gerade die Minderwertigkeit der Ausgleichsforderungen. Selbst wenn man annehme, daß die Ausgleichsforderungen echte Kapitalforderungen darstellten, sei ihr Minderwert nach § 10 Abs. 2 BewG a. F. zu berücksichtigen. Richtiger Ansicht nach handele es sich bei den im Streitfall zu beurteilenden Ausgleichsforderungen um Nutzungen von unbestimmter Dauer, die auch nicht, wie das FG Hamburg in dem in EFG 1963, 550 veröffentlichten Urteil II 34-35/59 vom 15. Mai 1963 angenommen habe, nach § 15 Abs. 3 BewG a. F. mit dem Nennwert angesetzt werden könnten.
Das FA beantragte, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Zu dem Antrag der Klägerin auf nachträgliche Berücksichtigung der Pensionsanwartschaften nahm das FA nicht Stellung. Das FA ist nach wie vor der Auffassung, daß die Ausgleichsforderungen am Bewertungsstichtag als Kapitalforderungen mit dem Nennwert zu bewerten seien. Den Ansatz eines Schuldpostens für die Rückgabeverpflichtung oder ihre Verrechnung mit den Ausgleichsforderungen hält das FA für unzulässig.
III. Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen
Der BdF ist dem Verfahren nach § 122 Abs. 2 FGO beigetreten. In seiner Stellungnahme geht er davon aus, daß es für die zutreffende bewertungsrechtliche Einordnung der Ausgleichsforderungen entscheidend auf ihre normative Ausgestaltung im Rahmen des Umstellungsrechts und auf die mit der gesetzlichen Regelung verfolgten Ziele des Währungsgesetzgebers ankomme. Im wesentlichen führt er dazu aus: Es sei keineswegs die Absicht des Gesetzgebers gewesen, nur eine vorübergehende Notlösung in der Form zu schaffen, daß die Ausgleichsforderungen aus bilanztechnischen Erwägungen rein rechnerische und lediglich vorläufige Ausgleichsposten darstellen sollten. Wäre das der Fall gewesen, dann hätte der Gesetzgeber auch ausdrücklich bestimmt, daß der Überschuß der Passiven über die Aktiven am 21. Juni 1948 in der Umstellungsrechnung als "Ausgleichsposten" zu aktivieren sei und daß die Länder "bis zu einer anderweitigen Regelung" auf diesen Ausgleichsposten an die Institute "wiederkehrende Leistungen" in bestimmter Höhe jährlich zu entrichten hätten. Eine solche Regelung habe aber der Gesetzgeber gerade nicht getroffen. Eine zutreffende Beurteilung sei nur möglich, wenn man die einschlägigen Vorschriften des UG im Zusammenhang prüfe. Das Gesetz spreche von Ausgleichs forderungen, die zu verzinsen seien. Es sage außerdem, daß die Forderungen mit ihrem gesamten Betrag als am 21. Juni 1948 entstanden gelten und es benenne schließlich auch den Schuldner der Forderungen (nicht etwa nur den Schuldner der Zinsen). Geregelt werde also eine einen bestimmten Kapitalbetrag genau bezeichnende verzinsliche Forderung und der Zeitpunkt ihrer Entstehung. Lediglich die Bestimmung der Laufzeit dieser Forderung habe der Gesetzgeber zunächst offengelassen. Die Bestimmung der Laufzeit sei kein wesensbestimmendes Merkmal einer Kapitalforderung, wie sich aus einem Vergleich mit den §§ 271, 609 BGB ergebe. Auch das Fehlen eines klagbaren Anspruchs stehe der Annahme einer Kapitalforderung nicht entgegen. Denn zu den Begriffsmerkmalen einer solchen Forderung gehöre nicht die Klagbarkeit im Zeitpunkt der Bewertung. Es habe auch nicht nur ein bedingter Anspruch vorgelegen. Es sei lediglich der Zeitpunkt der Zahlung hinausgeschoben worden. Die Ausgleichsforderungen hätten nach § 11 Abs. 4 UG (§ 11 Abs. 3 der 23. UGDV) nur von Geldinstituten bzw. von Versicherungsgesellschaften veräußert und erworben werden dürfen und auch nur zum Nennwert. Voraussetzung sei ferner, daß die Ausgleichsforderungen im Schuldbuch eingetragen seien. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber die grundsätzlich freie Handelbarkeit der Ausgleichsforderung statuiert. Der Gesetzgeber hätte Veräußerung und Erwerb der Ausgleichsforderung im freien Handel zwischen diesen Unternehmen nicht zugelassen, wenn es sich nicht um echte Geldforderungen, sondern nur um rechnerisch vorläufige Ausgleichsposten im Sinne eines Provisoriums gehandelt hätte. Daß es sich um Kapitalforderungen handele, zeige auch entgegen der Auffassung der Klägerin der Vorgang der Kapitalerhöhung der Industriekreditbank im Jahre 1953. Auch die Möglichkeit der Beleihung und des Ankaufs durch die Landeszentralbanken zum Nennwert spreche für die Einordnung der Ausgleichsforderungen als Kapitalforderungen. Das gleiche gelte für die Bestimmungen des § 18 Abs. 1 der 42. UGDV, des § 15 Abs. 1 und des § 22 Abs. 1 der 43. UGDV, nach denen es zulässig gewesen sei, anstelle der dort vorgesehenen Barzahlung an Erfüllungs Statt auf die Ausgleichsforderungen zu verzichten. Schließlich sprächen die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 der 2. UGDV und des § 11 Abs. 1 der 23. UGDV, nach denen die Ausgleichsforderungen Buchforderungen seien, die in ein Schuldbuch einzutragen seien, für den Charakter der Ausgleichsforderungen als Kapitalforderungen. Das Fehlen besonderer Bestimmungen des UG über Art und Umfang einer Tilgung der Ausgleichsforderung rechtfertige nicht den Schluß, daß die Ausgleichsforderungen am Stichtag überhaupt "untilgbar" gewesen seien. Denn das UG selbst gebe einen eindeutigen Hinweis darauf, daß der Währungsgesetzgeber zwar seinerzeit davon habe Abstand nehmen müssen, schon im UG oder den dazu ergangenen Durchführungsverordnungen Einzelheiten der Tilgung zu regeln, daß er aber im übrigen sehr wohl von einer - wenn auch erst später zu regulierenden - Tilgung ausging. Denn nach § 7 Abs. 4 UG seien unter bestimmten Voraussetzungen in DM beizutreibende Steuerschulden und Steuerstrafen für Rechnung des Landes an die Landeszentralbank abzuführen und zur Tilgung der Ausgleichsforderungen zu verwenden. Es liege auch keine Bindung an den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts 2 BvF 5/56 vom 16. Juni 1959 (BVerfGE 9, 305 ff.) vor, weil dieser Beschluß nichts über die steuerliche Behandlung der Ausgleichsforderungen als Kapitalforderungen aussage.
Hinsichtlich der Bewertung vertritt der BdF die Auffassung, daß bei den Ausgleichsforderungen keine Gründe ersichtlich seien, die eine Bewertung unter dem Nennwert rechtfertigen könnten. Er verweist dazu auch auf seine Stellungnahme in der Sache III 61/58 S (a. a. O.).
Entscheidungsgründe
IV. Entscheidungsgründe des Senats
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1. Das FG hat die Bewertung der Ausgleichsforderungen der Klägerin mit dem Nennwert auf § 11 Abs. 4 UG gestützt. Nach dieser Vorschrift sind die Ausgleichsforderungen in den Bilanzen der Geldinstitute zum Nennwert einzusetzen und dürfen nur von Geldinstituten und nur zum Nennwert veräußert und erworben werden. Diese Vorschrift gilt allerdings nur für die Ausgleichsforderungen der Geldinstitute. Für die Ausgleichsforderungen der Versicherungsunternehmen und der Bausparkassen enthalten jedoch § 11 Abs. 3 der 23. UGDV bzw. § 3 Abs. 4 der 33. UGDV entsprechende Bestimmungen.
Der erkennende Senat hat sich in dem Urteil III 61/58 S vom 24. Juni 1960 (a. a. O.) unter III. dahin geäußert, es könne nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber mit § 11 Abs. 4 UG eine bewertungsrechtliche Vorschrift habe schaffen wollen, weil das UG ein Wirtschaftsgesetz sei. Er hat dann aber unter V. gerade mit Rücksicht darauf, daß nach § 11 Abs. 4 UG die Ausgleichsforderungen nur zum Nennwert veräußert und erworben werden dürfen und zum Nennwert in die Bilanzen einzusetzen sind, eine Bewertung der Ausgleichsforderung unter dem Nennwert abgelehnt. Er hat also damit eine mittelbare Auswirkung des § 11 Abs. 4 UG auf die vermögensteuerrechtliche Bewertung der Ausgleichsforderungen anerkannt. Der Senat ist nach nochmaliger Prüfung darüber hinaus der Auffassung, daß § 11 Abs. 4 UG und damit auch die ihm entsprechenden § 11 Abs. 3 der 23. UGDV und § 3 Abs. 4 der 33. UGDV unmittelbar bei der vermögensteuerrechtlichen Bewertung der Ausgleichsforderungen zu beachten sind. Diese Auffassung ist vom BdF schon in der Sache III 61/58 S (a. a. O.) vertreten worden. Er hat in seiner damaligen Stellungnahme ausgeführt, daß die Vorschrift des § 11 Abs. 4 UG nicht isoliert, sondern nur im Zusammenhang mit der für die Geldinstitute anläßlich der Währungsreform getroffenen Gesamtregelung betrachtet werden könne. Er hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Zuteilung der Ausgleichsforderungen nur einen Teil dieser Gesamtregelung bildete und daß daneben den Geldinstituten noch andere Starthilfen gegeben wurden. Diese bestanden z. B. in der Gewährung einer Erstausstattung, in der Befreiung von RM-Verbindlichkeiten gegenüber dem Reich und den anderen in § 14 UG genannten Rechtsträgern und von Verbindlichkeiten aus Altgeldguthaben von Gebietskörperschaften und öffentlichen Kassen, ferner in dem Erlöschen aller RM-Verbindlichkeiten aus Schuldverhältnissen zwischen Geldinstituten, in der Umstellung der Kundeneinlagen nur im Verhältnis 100 : 6,5 und schließlich in den Vorteilen, die den Geldinstituten durch das 3. DMBEG eingeräumt worden sind (vgl. wegen der Einzelheiten dieser Starthilfen die Ausführungen im BVerfG-Beschluß 1 BvR 975/58 vom 6. März 1968, NJW 1968, 1371 [1373]). Die Ausgleichsforderungen bildeten sozusagen die letzte, aber entscheidende Starthilfe. Ihre Zuteilung kam erst dann in Betracht, wenn trotz aller anderen Hilfen die Passiven eines Geldinstituts noch seine Aktiven überstiegen. Sie waren "der letzte Saldo öffentlicher Hilfsmaßnahmen zur Neuordnung des Geldwesens" (so BVerfG-Beschluß, a. a. O., S. 1377 unter 6c). Sie sollten den Ausgleich der Bilanz herbeiführen (so auch BVerfG-Beschluß, a. a. O., S. 1376 unter 6a). Auch bei den Versicherungsunternehmen und Bausparkassen bildeten, obwohl ihnen nicht in gleichem Umfang wie den Geldinstituten Starthilfen gewährt wurden, die Ausgleichsforderungen nur einen Teil der Gesamtregelung anläßlich der Währungsreform.
Ziel der Gesamtregelung war die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Geldinstitute, Versicherungsunternehmen und Bausparkassen. Diesem Ziel dienten insbesondere die Ausgleichsforderungen. Zur Erreichung dieses Zieles war es unbedingt erforderlich, an der Stabilität der Ausgleichsforderungen keinen Zweifel aufkommen zu lasssen. Deshalb ist dem BdF darin zuzustimmen, daß es aus der Sicht des Währungsgesetzgebers durchaus logisch war, für die Ausgleichsforderungen Sondernormen zu schaffen, die ihre Bewertung mit dem Nennwert statuierten. Es muß daraus aber auch die weitere Folgerung gezogen werden, daß es der Wille des Währungsgesetzgebers war, überall da, wo die Ausgleichsforderungen als Werte in Erscheinung traten, ihre Bewertung mit dem Nennwert anzuordnen, also auch auf vermögensteuerrechtlichem Gebiet. Denn nur so konnte erreicht werden, daß die Ausgleichsforderungen auf allen Gebieten des Wirtschaftslebens als voll funktionierender Ausgleich erschienen. Deshalb ist auch der Einwand unbegründet, der Erfolg der währungspolitischen Maßnahmen hänge nicht von der vermögensteuerrechtlichen Bewertung der Ausgleichsforderungen ab. Es ist auch unerheblich, daß der Gesetzgeber sich möglicherweise zunächst noch keine genauen Vorstellungen darüber gemacht hat, in welchen einzelnen Fällen eine Bewertung zum Nennwert in Betracht kommen würde. Denn es war nicht erforderlich, daß der Gesetzgeber schon beim Erlaß einer gesetzlichen Vorschrift sich über alle Einzelheiten der Auswirkungen dieser Vorschrift im klaren war. Die Abgrenzung ihrer Anwendung und die Abwicklung der im Zuge der Währungsumstellung getroffenen Regelungen konnte er einer späteren Zeit vorbehalten, in der die am Währungsstichtag nicht überschaubaren Probleme einer Lösung zugeführt werden konnten.
Schließlich spricht auch der Wortlaut des § 11 Abs. 4 UG - und der ihm entsprechenden Bestimmungen - nicht gegen ihre unmittelbare Berücksichtigung bei der vermögensteuerrechtlichen Bewertung. Es ist zwar richtig, daß bei der Vermögensbesteuerung im allgemeinen nicht von der Bilanz, sondern von der Vermögensaufstellung gesprochen wird. Jedenfalls gilt das, seitdem der Begriff "Vermögensaufstellung", der nicht im Gesetz selbst verwendet wird, in den VStR erwähnt wird. Das ist, soweit ersichtlich, erstmals in Abschn. 4 Abs. 2 VStR 1949 geschehen. Vorher war es durchaus üblich, von Vermögensbilanzen zu sprechen. So wird z. B. in dem Urteil des RFH III A 472/29 vom 27. März 1930 (RStBl 1930, 341) die Vermögensbilanz als Gegenstück zur Handelsbilanz, die eine Erfolgsbilanz sei, herausgestellt. Es bestehen deshalb keine Bedenken dagegen, unter dem Wort "Bilanz" in § 11 Abs. 4 UG und den entsprechenden Bestimmungen auch die "Vermögensaufstellung" zu verstehen.
2. Weil nach den Ausführungen zu 1. § 11 Abs. 3 der 23. UGDV auch bei der vermögensteuerrechtlichen Bewertung der Ausgleichsforderungen der Klägerin zu beachten ist, erweist sich die Revision der Klägerin insoweit als unbegründet, als sie eine Bewertung ihrer Ausgleichsforderungen unter dem Nennwert beantragt. Es sind vielmehr alle ihre Ausgleichsforderungen, auch soweit sie unverzinslich sind, und auch, soweit sie zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzugeben sind, mit dem Nennwert zu bewerten.
Für die bis zum 1. April 1959 zurückzugebenden mit 3,5 v. H. verzinslichen Ausgleichsforderungen in Höhe von 40 234 DM und für die bis zu demselben Zeitpunkt zurückzugebenden unverzinslichen Ausgleichsforderungen in Höhe von 40 235 DM sind jedoch Schuldposten anzusetzen, weil die Verpflichtung zu ihrer Rückgabe am 1. Januar 1953 bereits bestanden hat. Die Ausgleichsforderungen sind zwar erst durch einen Beschluß des Länderausschusses vom 20. Januar 1954 zugeteilt worden. Wie sich aus der Bestätigung der Umstellungsrechnung ergibt, handelt es sich um Ausgleichsforderungen nach § 24 Abs. 2 UG, deren Entstehung auf den 21. Juni 1948 zurückwirkt. Das gleiche muß dann aber auch für die Rückgabeverpflichtung gelten. Diese Schuldposten sind mit dem Teilwert zu bewerten. Bei seiner Bemessung ist zu berücksichtigen, daß diese Ausglelchsforderungen, vom 1. Januar 1953 an gerechnet, nach 6 1/4 Jahren zurückzugeben sind. Es ist daher der Gegenwartswert dieser Schulden anzusetzen. Bei der mit 3,5 v. H. verzinslichen Ausgleichsforderung ist vom Nennbetrag der Rückgabeverpflichtung der Kapitalwert der Zinsdifferenz zwischen 3,5 v. H. und dem im BewG allgemein geltenden Zinssatz von 5,5 v. H. (nach Hilfstafel 2 zum BewG) abzuziehen. Dieser Kapitalwert beträgt (40 234x 0,02) x 5,168 = 4 158 DM. Danach ist diese Rückgabeverpflichtung mit 40 234 ./. 4158 = rund 36 000 DM anzusetzen. Der Gegenwartswert der Rückgabeverpflichtung der unverzinslichen Ausgleichsforderungen beträgt nach Hilfstafel 1 zum BewG 71,58 v. H. von 40 235 = rund 28 800 DM. Es sind deshalb zwei Schuldposten in Höhe von 36 000 DM und in Höhe von 28 800 DM vom Betriebsvermögen abzusetzen. Da die Vorentscheidung diese Schuldposten nicht abgezogen hat, war sie aufzuheben.
3. Dem Hilfsantrag der Klägerin, für die Rückgabeverpflichtung von Ausgleichsforderungen nach § 9 Abs. 2 des 3. DMBEG die Bildung einer Rückstellung in Höhe von 210 970 DM anzuerkennen, kann nicht entsprochen werden, Der Senat hat in dem Urteil III 213/60 U vom 3. Dezember 1965 (BFH 84, 508, BStBl III 1966, 186) ausgeführt, bei einem westdeutschen Geldinstitut ergebe sich aus der Wortfassung des § 9 Abs. 2 des 3. DMBEG der aufschiebend bedingte Charakter der Rückgabeverpflichtung, zumindest bis zum Zeitpunkt der Aufstellung der Berichtigungsbilanz bzw., wenn die DMEB erst nach dem Inkrafttreten des 3. DMBEG aufgestellt wird, bis zur Aufstellung dieser DMEB. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Sie gilt in gleicher Weise auch für Versicherungsunternehmen. Da die Klägerin ihre DMEB erst im Jahre 1955 aufgestellt hat, war die Rückgabeverpflichtung am 1. Januar 1953 noch aufschiebend bedingt und kann deshalb nach § 6 Abs. 1 BewG nicht abgezogen werden.
4. Auch dem Antrag der Klägerin, eine Rückstellung für Pensionsanwartschaften zum Abzug zuzulassen, kann nicht entsprochen werden. Die Klägerin hat diesen Antrag erst in der Revisionsinstanz gestellt. Sie hat auch den ziffernmäßigen Betrag einer solchen Rückstellung erstmals in der Revisionsinstanz angegeben. Es handelt sich also um neues tatsächliches Vorbringen, das in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann. Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Beschluß des Großen Senats Gr.S. 1/66 vom 17. Juli 1967 (BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344) Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Steuerbescheids, also bei der Einheitswertfeststellung die Rechtmäßigkeit des den Einheitswert feststellenden Bescheids, ist. Wie der Große Senat in dem Beschluß Gr.S. 3/66 vom 17. Juli 1967 (BFH 91, 213, BStBl II 1968, 285) ausgeführt hat, beruht die Bindung des Revisionsgerichts an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz darauf, daß die Revisionsinstanz das angefochtene Urteil grundsätzlich nur auf Rechtsfehler zu prüfen hat. Der Sachverhalt wird, um diese Rechtsprüfung zu ermöglichen, vom FG fixiert. Es ist daher grundsätzlich nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, diesen Sachverhalt zu ergänzen. Nur in diesem einschränkenden Sinn ist auch die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids vorzunehmen. Sie kann sich nicht auf die Prüfung von neuem tatsächlichen Vorbringen erstrecken.
5. Die Sache ist spruchreif. Es ist außer dem Urteil des FG auch die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Der Einheitswertbescheid für das Betriebsvermögen der Klägerin zum 1. Januar 1953 vom 18. September 1958 war wie folgt zu ändern: Von dem vom FA ermittelten Reinvermögen von 889 454 DM waren noch die beiden unter 2. angegebenen Schuldposten von 36 000 DM und 28 800 DM, zusammen also von 64 800 DM abzuziehen.
Fundstellen
Haufe-Index 68468 |
BStBl II 1969, 286 |
BFHE 1969, 66 |