Entscheidungsstichwort (Thema)
Große Übergangsregelung bei Übertragung eines Miteigentumsanteils und Umbau der selbstgenutzten Wohnung
Leitsatz (NV)
1. Die große Übergangsregelung ist auch dann anzuwenden, wenn im Jahre 1986 der Nutzungswert einer selbstgenutzten Wohnung mehreren Steuerpflichtigen anteilig zuzurechnen war und in den Folgejahren bei unveränderten Nutzungsverhältnissen einer dieser Steuerpflichtigen Alleineigentümer geworden ist (BFH-Urteil vom 22. April 1997 IX R 73/94, BFH/NV 1997, 653).
2. Das Fortführen der Nutzungswertbesteuerung entfällt, wenn ein Steuerpflichtiger seine selbstgenutzte Wohnung in einem Veranlagungszeitraum nach 1986 so verändert, daß sie nicht mehr als die durch die Übergangsregelung im Veranlagungszeitraum 1986 begünstigte Wohnung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 13. August 1996 IX R 9/95, BFHE 181, 173, BStBl II 1997, 43).
Normenkette
EStG § 52 Abs. 21 S. 1, § 21 Abs. 2, § 21a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Die Klägerin ist -- nachdem ihr der Kläger seinen 1/2 Miteigentumsanteil schenkweise übertragen hatte -- seit Anfang 1987 alleinige Eigentümerin eines Zweifamilienhauses.
Im Jahre 1986 war eine Wohnung im Erd geschoß des Zweifamilienhauses (66 qm) vermietet. Die von den Klägern genutzte Wohnung hatte eine Größe von insgesamt 227 qm; sie umfaßte 128 qm (Küche, Wohnzimmer und Bad) im Erdgeschoß sowie 99 qm (Schlafzimmer, Kinderzimmer und Bad) im Obergeschoß. Darüber hinaus hatte der Kläger im Erdgeschoß noch ein Arbeitszimmer (21 qm).
Nach dem Tode der Mieterin (Anfang 1987) ließ die Klägerin Ende 1987/Anfang 1988 an dem Gebäude einen Anbau errichten und die ehemals vermietete Wohnung umbauen. Deren Küche wurde entfernt und die Räume -- ebenso wie der bisher vom Kläger als Arbeitszimmer genutzte Raum -- zu Schlaf- und Kinderzimmern umgestaltet. Im Anbau und den zuvor zur Wohnung der Kläger gehörenden Räumen im Obergeschoß richtete die Klägerin eine Praxis ein und vermietete diese dem Kläger. Die Wohnung der Kläger befand sich damit nach dem Umbau nur noch im Erdgeschoß und umfaßte neben dem bereits im Jahre 1986 selbstgenutzten Teil auch die früher vermietete Wohnung und den zuvor als Arbeitszimmer dienenden Raum.
Im Anschluß an eine Außenprüfung berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) für die Streitjahre (1987 bis 1989) wegen des von der Klägerin im Wege der Schenkung erworbenen Miteigentumsanteils den negativen Nutzungswert der selbstgenutzten Wohnung der Kläger nur noch zur Hälfte. Die Nutzungswertbesteuerung könne gemäß §21 Abs. 2 Satz 1, §52 Abs. 21 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur für den Hälfteanteil an der selbstgenutzten Wohnung fortgeführt werden, der der Klägerin schon 1986 gehört habe.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung aus, die Voraussetzungen der Fortführung der Nutzungswertbesteuerung seien nicht gegeben. Die nach dem Umbau in den Streitjahren selbstgenutzte Wohnung der Kläger sei nicht mehr mit derjenigen identisch, die die Kläger im Veranlagungszeitraum 1986 selbstgenutzt hätten.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren um ... DM (1987), ... DM (1988) und ... DM (1989) herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist hinsichtlich des Streitjahres 1989 unbegründet und daher zurückzuweisen (§126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Hinsichtlich der Streitjahre 1987 und 1988 ist die Revision begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Der Senat hält die von den Klägern sinngemäß geltend gemachte Verfahrensrüge der mangelnden Sachverhaltsaufklärung für unbegründet. Er sieht gemäß Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundes finanzhofs von einer Begründung ab.
2. Das FG hat es zu Recht abgelehnt, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr 1989 für die selbstgenutzte Wohnung der Kläger einen Nutzungswert anzusetzen.
a) Nach §52 Abs. 21 Satz 1 EStG sind §21 Abs. 2 Satz 1 EStG und §21 a EStG letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 anzuwenden. Allerdings kann nach der sog. großen Übergangsregelung in §52 Abs. 21 Satz 2 EStG bei einer Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert für die selbstgenutzte Wohnung weiter im Wege der Einnahme-Überschußrechnung ermittelt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben. Die sog. große Übergangsregelung ist -- sofern ihre übrigen Voraussetzungen vorliegen -- auch dann anzuwenden, wenn im Jahre 1986 der Nutzungswert einer selbstgenutzten Wohnung mehreren Steuerpflichtigen anteilig zuzurechnen war und in den Folgejahren bei unveränderten Nutzungsverhältnissen nur noch einer der Steuerpflichtigen das Merkmal "eigen" i. S. des §21 Abs. 2 EStG erfüllt (Urteil des Senats vom 22. April 1997 IX R 73/94, BFH/NV 1997, 653). Die sog. große Übergangsregelung in §52 Abs. 21 Satz 2 EStG betrifft aber nur die bereits im Veranlagungszeitraum 1986 vorhandene "Wohnung" im eigenen Haus und nicht das Haus als solches (Senatsurteil vom 13. August 1996 IX R 9/95, BFHE 181, 173, BStBl II 1997, 43, m. w. N.). Das Fortführen der Nutzungswertbesteuerung nach §52 Abs. 21 Satz 2 EStG entfällt deshalb, wenn der Steuerpflichtige seine selbstgenutzten Wohnung in einem Veranlagungszeitraum nach 1986 so verändert, daß sie nicht mehr als die durch die Übergangsregelung im Veranlagungszeitraum 1986 begünstigte Wohnung anzusehen ist (vgl. dazu Senatsurteil in BFHE 181, 173, BStBl II 1997, 43, m. w. N.).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das FG für das Streitjahr 1989 zutreffend die Voraussetzungen für das Fortführen der Nutzungswertbesteuerung verneint. Die von den Klägern selbstgenutzte Wohnung ist jedenfalls im Streitjahr 1989 nicht mehr mit der im Jahre 1986 selbstgenutzten Wohnung identisch. Dies ergibt sich aus den mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen nicht angegriffenen und damit für den Senat bindenden (vgl. §118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG, daß die im Jahre 1986 selbstgenutzte Wohnung der Kläger einen Teil des Erdgeschosses und das Obergeschoß umfaßt habe, während sich die nach dem Umbau selbstgenutzte Wohnung nur noch im Erdgeschoß befand und um die im Jahre 1986 vermietet gewesene Wohnung sowie um den im Jahre 1986 als Arbeitszimmer genutzten Raum erweitert wurde.
3. Hinsichtlich der Streitjahre 1987 und 1988 gelten die unter 2. a) aufgezeigten Rechtsgrundsätze in gleicher Weise. Die Vorentscheidung ist jedoch insoweit auf zuheben, weil das FG das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortführung der Nutzungswertbesteuerung bereits für das gesamte Jahr 1987 verneint hat, obwohl nach seinen unangefochtenen Feststellungen die Mieterin der Kläger erst Anfang 1987 verstorben ist und damit die genannten Voraussetzungen frühestens im Laufe dieses Jahres weggefallen sind. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nämlich nicht, bis zu welchem Zeitpunkt im Streitjahr 1987 -- und unter Umständen auch 1988 -- die Voraussetzungen für das Fortführen der Nutzungswertbesteuerung vorlagen. Die nicht spruchreife Sache war daher an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen; die notwendigen Feststellungen wird das FG nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 66940 |
BFH/NV 1998, 313 |
DStZ 1998, 482 |
HFR 1998, 284 |