Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer Erbschaft/Schenkung und Steuern
Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung des § 6 StAnpG auf Schenkungen an Abkömmlinge.
Normenkette
StAnpG § 6; ErbStG § 3 Abs. 1
Tatbestand
Die Bfin. verlangt Freistellung von der Schenkungsteuer. Es liegt folgender Sachverhalt vor. Ihr Vater hatte laut notariellem Vertrag vom 11. Mai 1942 der ledigen älteren Schwester A. der Bfin. seinen Grundbesitz, auf dem er eine Gemischtwarenhandlung betrieb, im Wege vorweggenommener Erbfolge unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen. A. verpflichtete sich, ihrer jüngeren, damals 30 Jahre alten, seit 1941 verheirateten Schwester, der Bfin., als Abfindung 2.500 RM sofort zu zahlen, was auch geschehen ist. Der Ehemann der Bfin. ist im Juni 1944 gefallen. Kinder waren aus der Ehe nicht hervorgegangen. Um auch der Bfin., die ebenso wie ihre ältere Schwester im elterlichen Haushalt gelebt und im väterlichen Geschäft mitgearbeitet hatte, eine Existenzgrundlage zu beschaffen, übertrug der Vater seine Gemischtwarenhandlung mit Wirkung ab 1. Januar 1945 je zur Hälfte auf seine beiden Töchter, die das Geschäft in Form einer OHG weiterbetrieben. Es nahm nach der Währungsreform einen erheblichen Aufschwung. Außerdem erhielt die Bfin., die im Februar 1955 ihren jetzigen Ehemann, der im Betrieb der OHG tätig ist, geheiratet hatte, laut notariellem Vertrag vom 27. Juni 1956 den halben Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz ihrer Schwester, der, von einigen unerheblichen änderungen abgesehen, im wesentlichen noch derselbe geblieben war wie zur Zeit des übertragungsvertrages vom 11. Mai 1942. Die übertragung des halben Miteigentums ging in der Weise vor sich, daß der Vater und die Schwester den Vertrag vom 11. Mai 1942 aufhoben, so daß der Vater wieder allein verfügungsberechtigt wurde und in gleicher Urkunde den ihm zurückgegebenen Grundbesitz auf die Bfin. und ihre Schwester je zur Hälfte übertragen konnte, wobei der Nießbrauch des Vaters bestehen blieb. Die Rückübertragung des Vermögens auf den Vater ist nach § 18 Abs. 1 Ziff. 12 des Erbschaftsteuergesetzes steuerfrei. Auch die übertragung des Grundeigentums je zur Hälfte vom Vater auf jede Tochter ist gemäß § 17 b Abs. 1 Ziff. 1 a. a. O. nicht steuerpflichtig, da der jeder Tochter zukommende Freibetrag von 30.000 DM nicht überschritten wird. Das Finanzamt hat jedoch in der hier unter Zwischenschaltung des Vaters gewählten Form der Vermögensübertragung einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts erblickt und gemäß § 6 Abs. 1, 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) angenommen, daß die Bfin. mit der Hälfte des Grundbesitzes von ihrer Schwester beschenkt worden sei. Demgemäß hat das Finanzamt in dem erlassenen vorläufigen Steuerbescheid vom 27. Februar 1957 die Schenkungsteuer wie folgt festgesetzt:
1/2 Anteil Grundbesitz (Einheitswert) ----- 8.200 DM abzüglich anteiliges Altenteil -------------- 960 DM abzüglich anteilige Vermögensabgabe ------- 1.959 DM steuerpflichtiger Erwerb ------------------ 5.281 DM abgerundet -------------------------------- 5.200 DM Schenkungsteuer (6 v. H.) ------------------- 312 DM.Die Bfin. wendet sich gegen die Anwendung des § 6 StAnpG. Der Vertrag vom 27. Juni 1956 enthalte kein mißbräuchliches Element. Er gebe den wahren und gewollten Sachverhalt wieder. Die Bfin. sei nach ihrer ersten Eheschließung mit einem Fabrikanten bestens versorgt gewesen. Daher habe es größerer Zuwendungen seitens ihres Vaters an sie damals nicht bedurft. Diese Sachlage habe sich aber nach dem Tode ihres Ehemannes grundlegend geändert. Die Bfin. sei wieder im elterlichen Geschäft tätig geworden, habe im väterlichen Haushalt gewohnt, und es sei ein Gebot der Gerechtigkeit gewesen, sie an dem elterlichen Vermögen gleichmäßig mit der Schwester zu beteiligen. Aus diesen Gründen habe es einer Abänderung des Vertrags vom 11. Mai 1942 bedurft, um der Bfin. die Hälfte des ursprünglich auf die Schwester übertragenen Grundbesitzes zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck sei im Einverständnis mit der Schwester A. der Grundbesitz auf den Vater zurückübertragen und von diesem alsbald je zur Hälfte auf die beiden Schwestern weiterübertragen worden. Diese Gestaltung sei im vollen Einvernehmen aller drei Beteiligten erfolgt. Sie entspreche dem wirklichen Willen der Beteiligten, stelle somit keine Umgehung der Steuerpflicht durch Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten dar. Insbesondere könne keine Rede davon sein, daß eine Schenkung von Schwester zu Schwester vorliege und die Zwischenschaltung des Vaters nur ein Manöver zur Steuerersparnis gewesen sei. Einspruch und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das angefochtene Urteil ist im wesentlichen wie folgt begründet: Gemäß § 6 Abs. 1, 2 StAnpG komme es entscheidend auf den von den Vertragspartnern verfolgten Zweck an. Der Vater habe durch den Vertrag vom 27. Juni 1956 den Grundbesitz nur zu dem Zweck zurückerhalten, um ihn alsbald auf die beiden Töchter zu je 1/2 zu übertragen. Im Ergebnis sei also die eine Hälfte bei der Schwester A. geblieben, während die andere Hälfte der Bfin. zugefallen sei. Das angestrebte Ziel sei gewesen, der Bfin. die Hälfte des Grundbesitzes zu verschaffen, und dieses Ziel habe sich ohne Zwischenschaltung des Vaters durch direkte übertragung von Schwester zu Schwester erreichen lassen. Hiernach liege Steuerumgehung im Sinne des § 6 StAnpG vor. Sie sei nur zu verneinen, wenn außer der Steuerersparnis stichhaltige Gründe für den von den Beteiligten gewählten Weg vorlägen. Daran fehle es jedoch im Streitfall. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rb. Es sei falsch, daß der Ersterwerber (Tochter A.) nicht von dem aufgehobenen Vertrag frei werden sollte, sondern die Vertragsaufhebung lediglich dazu benutzt habe, um der Bfin. die Hälfte des Grundbesitzes zu verschaffen. Richtig sei vielmehr, daß sich die Schwester A. unter der Autorität des Vaters aus sittlichen Erwägungen damit einverstanden erklärt habe, daß die unter völlig anderen Umständen vorweggenommene Erbfolge gerechter gestaltet werde.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Mit Recht hat das Finanzgericht ausgeführt, daß die Anwendung des § 6 Abs. 1, 2 StAnpG von dem Zweck abhänge, den die Beteiligten mit ihren Maßnahmen verfolgt hätten und daß eine Steuerumgehung zu verneinen sei, wenn außer der Absicht, Steuern zu sparen, noch andere stichhaltige Gründe für die Wahl des beschrittenen Weges vorgelegen hätten. Wenn das angefochtene Urteil dann fortfährt, daß offensichtlich andere Gründe im Streitfall nicht vorlägen und daß der Vater bei seinem Alter offensichtlich kein eigenes wirtschaftliches Interesse an einer Rückübertragung des Grundbesitzes gehabt habe, den er alsbald an die beiden Töchter weitergeben wollte, so sind diese Ausführungen nicht bedenkenfrei. Es ist unerheblich, ob der Vater ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Rückübertragung des Grundbesitzes gehabt hat. Auch wenn er die Rückübertragung nur zu dem Zweck wünschte, um auf Grund veränderter Verhältnisse die früher vorweggenommene Erbfolge zu verbessern, würde dies ein beachtlicher Grund für die hier getroffenen Maßnahmen sein. Die unter anderen Voraussetzungen vorgenommene Regelung in dem Vertrag vom 11. Mai 1942, die der Bfin. nur einen Anspruch auf 2.500 RM gegen ihre Schwester eingeräumt hat, kann, zumal die Bfin. laut Feststellung in der Berufungsinstanz von ihrem Vater keine Aussteuer erhalten hat, nicht als billige Regelung der Erbansprüche der Schwestern angesehen werden. Später ist dann durch übertragung des Geschäfts auf beide Töchter mit Wirkung ab 1. Januar 1945 diesem Umstand teilweise Rechnung getragen worden. Immerhin wäre auch dann noch eine Benachteiligung der Bfin. unverkennbar gewesen, wenn ihre Schwester das Betriebsgrundstück allein für sich behalten hätte. Die Bemerkung in dem angefochtenen Urteil, daß sich die Bfin. mit dem halben Anteil am Geschäft habe zufrieden geben können, entbehrt daher überzeugender Begründung. Es kann auch keine Rede davon sein, daß sich das wirtschaftliche Ziel der getroffenen Maßnahmen ohne Zwischenschaltung des Vaters einfacher durch übertragung des Miteigentumsanteils von Schwester zu Schwester hätte erreichen lassen. Denn es ist nicht zu verkennen, daß der Vater ein berechtigtes Interesse daran haben konnte und wohl auch hatte, selbst als Schenker aufzutreten, statt die Schenkung von seiner Tochter A. an deren Schwester vornehmen zu lassen. Danach erübrigt es sich zu prüfen, ob es auch aus materiellen Gründen dem Vater angezeigt erscheinen konnte, selbst die Schenkung vorzunehmen, statt sie von der Tochter A. auf die Bfin. vornehmen zu lassen (Hinweis auf die Ausführungen der Bfin. in ihren Schriftsätzen vom 12. Januar, 14. März, 8. April 1957 über die rechtlichen Möglichkeiten des Schenkers gemäß §§ 528, 530 BGB, worauf das Finanzgericht nicht eingegangen ist). Auch der zeitliche Zwischenraum zwischen Geschäftsübertragung und Vertrag vom 27. Juni 1956 vermag für sich allein die Anwendung des § 6 Abs. 1 Ziff. 2 StAnpG nicht zu rechtfertigen, zumal die Bfin. unwiderlegt behauptet hat, daß schon bei Geschäftsübertragung Einverständnis unter den Beteiligten darüber bestanden habe, daß auch der Grundbesitz unter den Schwestern geteilt werden sollte. Auf das Urteil des Bundesfinanzhofs III 126/55 S vom 11. November 1955 (BStBl 1955 III S. 395, Slg. Bd. 61 S. 509) können sich die Vorinstanzen nicht berufen. Diesem Urteil lag folgender Tatbestand zugrunde: Die Ehefrau des Bf. und seine drei Kinder sollten mit Wirkung ab 1. Januar 1953 als Kommanditisten in das Unternehmen eintreten und ihre Einlagen je 40.000 DM betragen. Der Bf. schrieb daher unter dem 15. Januar 1953 jedem der drei Kinder, er schenke ihm zu Lasten seines Kapitalkontos 20.000 DM zur Verwendung als Kommanditeinlage. Gleichzeitig schenkte er seiner Ehefrau 100.000 DM Anteil zu Lasten seines Kapitalkontos. Hiervon sollte die Ehefrau je 20.000 DM an die drei Kinder abtreten. Dies führte sie ebenfalls unter dem 15. Januar 1953 aus. Der Bundesfinanzhof hat dazu ausgeführt: Da die Ehefrau des Bf. von den ihr übertragenen 100.000 DM Anteil planmäßig je 20.000 DM an die drei Kinder weitergegeben habe und da der Bf. den letzteren außerdem unmittelbar je 20.000 DM Anteil überlassen habe, habe jedes Kind im ganzen 40.000 DM Anteil erhalten und ebenso die Ehefrau. Dieses Ergebnis habe dem von vornherein bestehenden Plan entsprochen. Bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung hätte der Bf. der Ehefrau nur 40.000 DM Anteil und jedem der Kinder unmittelbar 40.000 DM Anteil übertragen. Um jedoch die steuerpflichtigen Zuwendungen an die Kinder zu umgehen, habe er hinsichtlich je 20.000 DM den Umweg über die Ehefrau gewählt. Bei dieser Gestaltung lägen äußerlich getrennte Zuwendungen von ihm und seitens der Ehefrau an die Kinder vor, die sich innerhalb der steuerlichen Freigrenzen hielten. Diese Art der Gestaltung der wirtschaftlichen Vorgänge stelle den typischen Fall dar, an den der Gesetzgeber bei Schaffung des § 6 StAnpG gedacht habe. Bei solchem Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts sei die Steuer so zu erheben, wie sie bei einer den wirklich ausgeführten wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben gewesen wäre. Das Vorliegen eines Mißbrauchs sei nur dann zu verneinen, wenn der Umweg über die Ehefrau durch einen besonderen wirtschaftlichen Zweck gerechtfertigt werden könnte. Dies sei hier indessen nicht der Fall. Das Konto der Ehefrau habe nur als Durchgangsstation für die streitigen 60.000 DM Anteil gedient.
Im Gegensatz zu diesem Fall war aber der Vater, wie im Vorstehenden dargelegt, nicht lediglich formale Durchgangsstation. Sein Dazwischentreten war vielmehr durch die auf änderung der Verhältnisse zurückzuführende Neugestaltung der vorweggenommenen Erbfolge hinreichend begründet.
Hiernach war das angefochtene Urteil nebst der Einspruchsentscheidung aufzuheben. Bei freier Beurteilung ist die Sache spruchreif. Der vorläufige Schenkungsteuerbescheid des Finanzamts vom 27. Februar 1957 wird ersatzlos aufgehoben.
Fundstellen
Haufe-Index 409886 |
BStBl III 1961, 21 |
BFHE 1961, 54 |
BFHE 72, 54 |