Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer Sonstiges Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Der Bundesfinanzhof hält an der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs in den Urteilen V 11/43 vom 25. Februar 1944 (Slg. Bd. 54 S. 65, RStBl 1944 S. 446) und V 53/43 vom 6. Juli 1944 (RStBl 1944 S. 614) fest, wonach der zwischen Filmhersteller und Verleiher abgeschlossene Verleihvertrag ein einheitlicher Vertrag ist, dessen Inhalt umsatzsteuerrechtlich nicht als Lieferung, sondern als eine sonstige Leistung zu beurteilen ist.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 3/1, § 3/8; UStDB § 7 Abs. 1; BHG § 7 Abs. 1; BerlinFG 1/1; BerlinFG 1/6/5
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.), eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Berlin (West), stellt Spieltonfilme her. Streitig ist die umsatzsteuerliche Beurteilung von Verträgen, die die Bfin. mit Filmverleihgesellschaften abschließt. In diesen Verträgen wird den Verleihern die zeitlich oder örtlich, auch zeitlich und örtlich beschränkte Auswertung der von der Bfin. hergestellten Spielfilme übertragen. Es ist ferner vereinbart, daß der Verleiher die erforderlichen Kopien von dem Filmnegativ erhält, wobei regelmäßig das Negativ nicht dem Verleiher überlassen, sondern die erforderliche Anzahl von Kopien von dem bei einer Kopieranstalt hinterlegten Negativ abgezogen wird. Das Entgelt besteht üblicherweise in der Beteiligung des Verleihers an den Herstellungskosten und der verhältnismäßigen Aufteilung des Einspielergebnisses. Die Bfin. hat für die auf Grund dieser Verträge vereinnahmten Entgelte die Steuervergünstigung nach § 7 Abs. 1 Ziff. 1 des Berlinhilfegesetzes begehrt. Die Vorinstanzen haben die strittigen Entgelte dem Steuersatz des § 7 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes unterworfen, weil die Befreiungsvorschrift des § 7 Abs. 1 Ziff. 1 des Berlinhilfegesetzes Lieferungen voraussetze, die Entgelte aber für die Bewirkung sonstiger Leistungen vereinnahmt worden seien.
Entscheidungsgründe
Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet. Die Entscheidung hängt in erster Linie von der rechtlichen Beurteilung des zugrunde liegenden Umsatzgeschäftes ab, wobei es nicht so sehr darauf ankommt, ob der Verleihvertrag bürgerlich-rechtlich als Kauf-, Pacht- (Miet-) oder Lizenzvertrag zu charakterisieren wäre, sondern darauf, was die Parteien - auch nach bürgerlichem Recht - als wesentlichen Inhalt des von ihnen geschlossenen Vertrags angesehen haben. Unter umsatzsteuerlichen Gesichtspunkten ist dies die Frage nach dem wesentlichen Inhalt des Leistungsaustausches.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung der Zivilgerichte hat ständig hervorgehoben, daß der Filmverleihvertrag ein Vertrag eigener Art sei, der am meisten dem patentrechtlichen Lizenzvertrage verwandt sei (vgl. Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen - RGZ - Bd. 158 S. 321, 324, Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - Bd. 2 S. 331). In übereinstimmung mit der neueren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteile V 11/43 vom 25. Februar 1944, Slg. Bd. 54 S. 65, Reichssteuerblatt - RStBl - 1944 S. 446, und V 53/43 vom 6. Juli 1944, RStBl 1944 S. 614) haben auch die Zivilgerichte in ständiger Rechtsprechung (vgl. RGZ Bd. 106 S. 362, 365, BGHZ Bd. 2 S. 331, BGHZ Bd. 9 S. 263) hervorgehoben, daß es den Verleihern wesentlich auf die Aufführungs- und Verwertungsrechte und die Befugnis, diese weiter auf die Filmtheaterbesitzer übertragen zu können, ankomme. Es wird seitens der Rechtsprechung nicht verkannt, daß auch die überlassung der Kopien ein bedeutsamer Vertragsbestandteil ist und die Kopien wirtschaftlich einen beträchtlichen Wert darstellen. Der Vertrag kann jedoch bei der engen wirtschaftlichen Verflechtung und Wechselwirkung beider Vertragsbestandteile nach umsatzsteuerlichen Grundsätzen, die der erkennende Senat neuerdings bei ähnlichen Tatbeständen in den Urteilen V 276/55 U vom 18. Mai 1956 (Slg. Bd. 63 S. 14, Bundessteuerblatt - BStBl - III S. 198) und V 272/55 S vom 12. Januar 1956 (Slg. Bd. 62 S. 163, BStBl 1956 III S. 62) herausgestellt hat, nur einheitlich beurteilt werden. Gerade die wirtschaftliche Betrachtungsweise zwingt dazu, dem urheberrechtlichen Vertragsinhalt den Vorrang einzuräumen. Dieser Auffassung entsprechend hat auch das Reichsgericht eine Trennung des "einheitlichen Lebens- und Rechtsverhältnisses" in einen Filmherstellungs- und einen Verwertungsvorgang abgelehnt (vgl. RGZ Bd. 161 S. 321, 323), wie überhaupt die einschlägige Rechtsprechung der Zivilgerichte die hier in Betracht kommenden Tatbestände nicht so sehr auf juristisch-konstruktiver Grundlage, sondern "unter Berücksichtigung der lebendigen Rechtstatsachen" untersucht hat (vgl. RGZ Bd. 107 S. 62, 63). Dem aber entspricht im Steuerrecht die wirtschaftliche Betrachtungsweise. Kein Streit besteht auch urheberrechtlich darüber, daß Filme in der Regel den urheberrechtlichen Schutz des § 15a des Kunsturhebergesetzes und anderer in Betracht kommender Urheberrechtsgesetze genießen und daß der Hersteller des Filmes aus dem ihm als Urheber erwachsenden umfassenden Recht zeitlich und örtlich begrenzte Rechte übertragen kann (vgl. BGHZ Bd. 5 S. 116, 119 und Urteil des Bundesfinanzhofs III 187/51 U vom 25. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 243, BStBl 1955 III S. 96).
Im übrigen wird die hier zugrunde gelegte Vertragsauslegung nicht entscheidend dadurch beeinflußt, ob urheberrechtlich geschützte Rechte mit übergehen (vgl. das oben angeführte Urteil des erkennenden Senats vom 18. Mai 1956), wenn es dem Verleiher wesentlich darauf ankommt, den Film, ohne Rechte Dritter zu verletzen, auszuwerten. Daß diese Urheberrechte nicht, wie ein von der Rb. vorgelegtes Gutachten meint, "unrealistisch überschätzt" werden, zeigt die überlegung, daß Spielfilme sich finanziell nur dann rentieren können, wenn sie immer wieder ungestört von Einsprüchen Dritter aufgeführt werden können. Hierin liegt also auch wirtschaftlich das wesentliche Vertragselement. Dem entsprechen auch die abgeschlossenen Verträge, die von Verfilmungs-, Verwertungs-, Aufführungs- und Vorführungsrechten sprechen, von den Rechten an der zur Verwendung gelangenden Musik, der gerade bei Tonfilmen der hier in Betracht kommenden Art oft ausschlaggebende Bedeutung zukommt, und die auch die Urheberrechte an den zur Verfügung zu stellenden Standfotos, die für die Werbung wichtig sind, nicht vergessen. Dem entspricht weiterhin, daß der Produzent dem Verleiher zusichern muß, Inhaber sämtlicher in Betracht kommender Rechte zu sein, und daß bei Verletzung der die Urheberrechte regelnden Vertragsbestimmungen Rücktritt vom Vertrag und Schadenersatzpflicht ausdrücklich ausbedungen wird. Es entspricht auch nur dem wesentlichen Vertragsinhalt, wenn in manchen Verträgen von übertragung des Monopolrechts für ein Monopolgebiet auf eine Monopolzeit gesprochen wird.
Ist es hiernach wirtschaftlich nicht wesentlich, ob Urheberrechte oder Verwertungsrechte übergehen, sondern unterstellt man mit der Rb. in manchen Fällen nur die übertragung der Befugnisse der Verwertung als Vertragsinhalt, so erscheint es jedoch nicht gerechtfertigt, die Bedeutung dieses übergangs mit dem Hinweis in Frage zu stellen, daß bei jedem Sacherwerb die ungestörte Benutzung mit eingeräumt werde, ohne daß deshalb der Schluß gezogen werde, daß das Gebrauchsrecht und nicht die Sache selbst der eigentliche Gegenstand des Vertrages sei. Eine solche Beweisführung vermag der Senat aus folgenden Erwägungen nicht anzuerkennen: Bei Sacherwerb, das ist umsatzsteuerlich die übertragung der tatsächlichen und uneingeschränkten Verfügungsmacht über den Liefergegenstand, ergibt sich die Befugnis zum ungestörten Gebrauch schon aus der Entäußerung des umfassenden Rechts, des Eigentums an der Sache, so daß regelmäßig besondere vertragliche Bestimmungen hierüber entbehrlich sind und nicht, wie im Streitfalle, den wesentlichen Inhalt der Verträge ausmachen. Die Rb. betont aber gerade, daß nicht einmal die übertragung der Verwertungsrechte, geschweige denn die übertragung des Eigentums, die in der Regel mit der umsatzsteuerlichen Verschaffung der Verfügungsmacht zusammenfällt, zur Erreichung des Vertragszweckes unerläßlich sei. Daher muß folgerichtig der Zusicherung der ungestörten Verwertung des Filmes selbständige und nach den obigen Erläuterungen ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Mit der Beweisführung der Rb. gewinnt aber auch die vom Beschwerdegegner aufgeworfene Frage Bedeutung, was denn eigentlich geliefert werde. Daß Rechte nicht Gegenstand der Lieferung sein können, ist umsatzsteuerlich anerkannt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V 109/40 vom 21. November 1941, RStBl 1942 S. 285). Wenn aber Hersteller und Verleiher vereinbaren, daß der Verleiher die zur Ausführung erforderlichen Kopien im eigenen Namen und für eigene Rechnung von dem Negativ fertigen läßt, das der Hersteller bei einem selbständigen Unternehmer, der Kopieranstalt, hinterlegt hat, so liegt wohl eine Lieferung der Kopien seitens der Kopieranstalt vor. Es ist aber nicht ersichtlich, was Gegenstand der Lieferung zwischen Hersteller und Verleiher sein soll. Das Negativ verbleibt regelmäßig im Eigentum des Herstellers. Der Verleiher ist nach dem Vertrage nur befugt, von diesem Negativ Kopien zu ziehen und diese, meist zeitlich und räumlich begrenzt, aufführen zu lassen. Auch hieraus geht unzweideutig der Unterschied zum Sacherwerb hervor, wie auch das von der Rb. angeführte Beispiel des Erwerbs eines Gemäldes als Vergleich nicht zutrifft. Der Erwerber eines Gemäldes erwirbt das Recht zur Vervielfältigung nicht auf Grund eines normalen Lieferungsvertrages, wie auch der Erwerber eines Kraftwagens oder einer Maschine den Gegenstand mangels ausdrücklicher Vereinbarung in der Regel nicht nachbauen darf (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs V 272/55 S vom 12. Januar 1956, BStBl 1956 III S. 62). Das letztgenannte Urteil bestätigt auch im übrigen die Auffassung des erkennenden Senats, an der auch für den Streitfall festgehalten wird. Aus diesen überlegungen wird ersichtlich, daß bei der Lieferung der Kopieranstalt eine normale Werklieferung vorliegt, bei der urheberrechtliche Fragen keine Bedeutung haben, während sie beim Verleihvertrag im Vordergrund stehen, der deshalb auch von einem Sacherwerb wesentlich abweichende preisbestimmende Faktoren und Leistungen zum Inhalt hat.
Hiernach rechtfertigt sich die Zurückweisung der Rb. mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
Haufe-Index 408679 |
BStBl III 1957, 93 |
BFHE 1957, 245 |
BFHE 64, 245 |