Leitsatz (amtlich)
Ist Branntwein mit der Begründung sichergestellt worden, daß er unerlaubt eingeführt worden sei, dann besteht nach Zurücknahme der Sicherstellungsverfügung in der Regel ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist. Dies gilt insbesondere, wenn die Sicherstellung während eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts eines Bannbruchs angeordnet worden ist.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4; BranntwMonG § 51b Abs. 1 Nr. 4; AO § 396
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte über Jahre hinweg bedeutende Mengen einer als Rum bezeichneten Ware aus den Niederlanden ein, die in der Hauptsache in einer Brennerei auf der niederländischen Antilleninsel St. Maarten hergestellt wurde. Strafrechtliche Ermittlungen, die gegen verantwortliche Personen der Klägerin wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und des Bannbruchs geführt wurden, kamen zu dem Ergebnis, daß es sich bei der eingeführten Ware nicht um Rum i. S. der einschlägigen deutschen Bestimmungen, sondern um sog. Kunstrum handele, der einem Einfuhrverbot unterliege. Gestützt auf diese Feststellungen ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) am 2. Mai 1973 insgesamt … Liter dieser Ware gem. § 51 b des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG) sicherstellen.
Die dagegen von der Klägerin eingelegte Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurück.
Nach Erhebung der Klage vertrat das HZA zunächst weiterhin die Ansicht, die Klägerin habe nichteinfuhrfähigen Kunstrum eingeführt. Später teilt es der Klägerin mit Schreiben vom 1. November 1973 mit, daß die Sicherstellung aus Billigkeitsgründen aufgehoben werde. Diese Billigkeitsmaßnahme beruhte auf einem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BdF) an die OFD vom 24. Oktober 1973, in dem es u. a. beißt: Diese Ware ist, obwohl sie mehr als 225 mg/100 ml r. A. Begleitstoffe enthält, kein Rum i. S. von Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des Preisausgleichsgesetzes vom 23. Dezember 1970 (BGBl I 1970, 1878, Bundeszollblatt 1971 S. 2 – BZBl 1971, 2 –) i. V. m. § 1 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) über den Gehalt an charakterisierenden Begleitstoffen bei Rum … vom 13. Oktober 1971 (BGBl I 1971, 1678, BZBl 1971, 1294), da ihr nicht aus der alkoholischen Gärung stammende Begleitstoffe (hier synthetische Ester) beigefügt wurden. Sie unterliegt deshalb dem Preisausgleich.
Die Klägerin begehrte daraufhin gem. § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Feststellung, daß der erledigte Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei.
Das Finanzgericht Hamburg (FG) wies die Feststellungsklage mit der Begründung ab, der Klägerin fehle ein berechtigtes Feststellungsinteresse (Urteil vom 3. Mai 1974 V 19/73 S–H – EFG 1974, 456 –). Sie sei durch die Sicherstellungsverfügung nicht diskriminiert. Die Verwendung des Wortes „unerlaubt” könne ein Rechtsschutzinteresse für die Fortsetzungsfeststellungsklage unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation nicht begründen, weil die Klägerin durch den Eingriff über die Dauer der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes hinaus nicht beeinträchtigt werde. Sie könne die Ware ungehindert zum freien Verkehr abfertigen lassen.
Auch die Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Geschäftsführer und andere leitende Angestellte wegen angeblicher Steuerhinterziehung usw. begründe kein Feststellungsinteresse. Das Strafverfahren beziehe sich auch auf andere eingeführte Partien. Es werde deshalb durch eine Entscheidung gem. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nicht beeinflußt. Die Frage der Einfuhrfähigkeit sei außerdem nicht identisch mit den dem Vorwurf der Steuerhinterziehung usw. zugrunde liegenden Fragen.
Ein Strafverfahren könne gem. § 153 der Strafprozeßordnung (StPO) im Hinblick auf die geringe Schuld des Täters eingestellt werden. Da ein Feststellungsurteil lediglich den objektiven Tatbestand einer Steuerhinterziehung usw. berühren könnte, könne der Klägerin ein Feststellungsinteresse nicht zugesprochen werden.
Das Feststellungsinteresse der Klägerin könne auch nicht aus den allein den Gegenstand des Strafverfahrens bildenden persönlichen Interessen der Beschuldigten abgeleitet werden. Das Feststellungsinteresse der Klägerin sei an der Zweckbestimmung des § 51 b BranntwMonG (Sicherstellung von verbotswidrig eingeführtem Branntwein ohne Strafverfahren oder den Nachweis eines Verschuldens) zu messen. Im Unterschied davon bestehe das Interesse der im Strafverfahren Beschuldigten darin, nicht Täter einer Steuerhinterziehung usw. zu sein.
Schließlich könne die Klägerin ein Feststellungsinteresse auch nicht damit begründen, daß sie die Klärung der Frage begehre, ob die sichergestellte Ware einfuhrfähiger Rum gewesen sei. Diese werde nach dem Schreiben des BdF nicht mehr in Frage gestellt. Die Feststellung, ob es sich bei der sichergestellten Ware um Rum i. S. von Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des Preisausgleichsgesetzes oder um ein dem Preisausgleich unterliegendes Erzeugnis handele, könne die Klägerin im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht erreichen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage unterliege dem Gebot der Subsidiarität. Das Feststellungsinteresse sei zu verneinen, wenn die Verwaltung über die begehrte Feststellung in einem Verwaltungsakt entscheiden müsse, den der Kläger durch Gestaltungsklage anfechten könne. Das werde die Klägerin tun können, sobald Bescheide über die Erhebung von Preisausgleich ergingen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin mangelnde Sachaufklärung und die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 100 Abs. 1 FGO.
Zur Begründung ihrer Ansicht, es liege ein Verfahrensfehler vor, führt die Klägerin aus: Das FG habe den Inhalt des strafrechtlichen Vorwurfs gegen ihre leitenden Angestellten verkannt. Das Landgericht habe durch Verfügung vom 3. Mai 1974, die dem FG nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereicht worden sei, das Verfahren gem. § 442 der Reichsabgabenordnung (AO) mit der Begründung ausgesetzt, daß für das Verfahren die Frage bedeutsam sei, ob es sich bei dem auf der Insel St. Maarten hergestellten Erzeugnis um einfuhrfähigen Rum gehandelt habe. Daß diese Frage im Mittelpunkt des Strafverfahrens stehe, hätte das FG aus den beigezogenen Strafakten erkennen können. Zuwiderhandlungen gegen § 3 BranntwMonG seien als Bannbruch (§ 396 AO) unter Strafe gestellt. Diese Auffassung des HZA sei Grundlage des Strafverfahrens und der angegriffenen Sicherstellungsverfügung. An diesem Standpunkt halte die Verwaltung auch heute noch fest. Das ergebe sich aus dem Schreiben vom 24. Oktober 1973, in dem es beiße, sie werde „zukünftig” ihre Einfuhrbewilligung allgemein auf Erzeugnisse wie „in Sachen …” erweitern.
Das FG hätte eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft herbeiführen müssen, ob sie den gestellten Anwendungsanträgen entsprechen wolle.
Zur materiellen Rechtsrüge trägt die Klägerin vor, ein berechtigtes Interesse sei generell zu bejahen, wenn ein Steuerpflichtiger in ein Strafverfahren verwickelt und die Aussetzungsmöglichkeit des § 442 AO gegeben sei. Der Begriff „berechtigtes Interesse” sei weit auszulegen. Wenn schon ein Rehabilitierungsinteresse anerkannt werde, müsse es um so mehr bejaht werden, wenn eine gerichtliche Feststellung begehrt werde, daß der auf dem Vorwurf einer strafbaren Handlung beruhende Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen sei. Die Sicherstellungsverfügung habe die Behauptung eines strafbaren Tuns der Herren X und anderer zur Grundlage. Das ergebe sich aus der Formulierung „wegen unerlaubter Einfuhr”. Der nach seiner Auffassung durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt Betroffene habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die objektiven Voraussetzungen einer strafbaren Handlung nicht vorgelegen hätten. Die Auffassung des FG, an der Zweckbestimmung der Sicherstellungsverfügung sei das Feststellungsinteresse zu messen, sei zu eng. Die Beschwer liege in der Begründung der Verfügung. Die einzige Rechtsgrundlage der Sicherstellungsverfügung sei jedoch die Behauptung eines strafbaren Tuns ihrer leitenden Angestellten. Deshalb sei das Rechtsschutzinteresse an der nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit durch die Aufhebung der Sicherstellungsverfügung nicht fortgefallen. Die Aufhebung habe auch die Ausstrahlung auf das Strafverfahren und ihre rufschädigende Wirkung nicht beseitigt; denn die Aufhebung sei aus Billigkeitsgründen geschehen, weil „in Zukunft” Waren dieser Art eingeführt werden dürften.
Wenn sie – die Klägerin – auch nicht Prozeßpartei des Strafverfahrens sei, so könne doch ihr berechtigtes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit der Sicherstellungsverfügung nicht verneint werden. Der sachliche Zusammenhang zwischen dem angegriffenen Verwaltungsakt und dem Rehabilitierungsinteresse genüge.
Die weitere Auffassung des FG, im Feststellungsverfahren könne die Frage, ob die sichergestellte Ware einfuhrfähiger Rum gewesen sei, nicht geklärt werden, beruhe auf einem unzutreffenden Verständnis des Schreibens des BdF vom 24. Oktober 1973. Darin werde die Einfuhrfähigkeit der Ware für die Vergangenheit eindeutig verneint. Folglich müsse die Frage nach der Eigenschaft der Ware als Rum beantwortet werden. Dafür habe sie – die Klägerin – Beweis angetreten.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß die Sicherstellungsverfügung des Zollkommissariats vom 2. Mai 1973 rechtswidrig ist, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der Antrag der Klägerin festzustellen, daß die durch die Zurücknahme erledigte Sicherstellungsverfügung rechtswidrig gewesen sei, ist gem. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO statthaft. Darin liegt der (keine Klageänderung darstellende) Übergang von der Anfechtungsklage zur Fortsetzungsfeststellungsklage.
Der Auffassung des FG, daß das Feststellungsbegehren unzulässig sei, weil die Klägerin kein berechtigtes Feststellungsinteresse habe, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Begriff des berechtigten Interesses reicht weiter als der des rechtlichen Interesses. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 18. Mai 1976 VII R 108/73 (BFHE 119, 26, BStBl II 1976, 566) in Anlehnung an die Rechtsprechung und Literatur entschieden hat, ist das Interesse ein berechtigtes i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO, wenn es durch die Sachlage aus rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Sicht gerechtfertigt ist. Das kann, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, z. B. auch dann der Fall sein, wenn der erledigte Verwaltungsakt eine Diskriminierung des Klägers enthält (Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwG – vom 28. Februar 1961 I C 54.57, BVerwGE 12, 87 – 90 –, Deutsches Verwaltungsblatt 1961 S. 444 – DVBl 1961, 444 –; vom 9. Februar 1967 I C 49.64, BVerwGE 26, 161, 168, DVBl 1967, 379; vom 19. März 1970 I C 6.69, DVBl 1971, 277). Für den Streitfall bedeutet das, daß die Klägerin dann ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sicherstellungsverfügung hat, wenn der diese Verfügung begründende Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Branntwein eine das Ansehen und den Ruf der Klägerin als Kaufmann beeinträchtigende Wirkung hätte. Das ist im Gegensatz zur Auffassung des FG zu bejahen.
Nach § 51 b Abs. 1 Nr. 4 BranntwMonG kann Branntwein, der unerlaubt eingeführt worden ist, in Ausübung der amtlichen Aufsicht für Zwecke des Branntweinmonopols sichergestellt werden. Diese Vorschrift ist Ausfluß des in § 1 Nr. 3 und § 3 Abs. 1 BranntwMonG postulierten Einfuhrmonopols der Monopolverwaltung und des damit verbundenen Einfuhrverbots für andere. Sie beinhaltet mithin den Vorwurf, daß der von der Sicherstellungsverfügung Betroffene gegen das Einfuhrverbot verstoßen hat. Dieser Vorwurf reicht nach Auffassung des Senats im Regelfalle allein aus, um ein berechtigtes Interesse – i. S. der Rehabilitierung – an der Feststellung zu rechtfertigen, daß die später zurückgenommene Sicherstellungsverfügung rechtswidrig gewesen war. Es ist zwar richtig, daß die Sicherstellung wegen unerlaubter Einfuhr nach § 51 b Abs. 1 Nr. 4 BranntwMonG eine reine Verwaltungsmaßnahme darstellt und daß sie in Ausübung der amtlichen Aufsicht mit dem Zweck erfolgt, den Branntwein zum Schutz des Einfuhrmonopols ohne Strafverfahren und ohne Nachweis eines Verschuldens des Betroffenen aus dem Verkehr zu ziehen (so Hoppe-Heinricht, Kommentar zum Gesetz über das Branntweinmonopol, Bd. 1, § 51 b BranntwMonG Anm. 2). Diese Zweckrichtung der Sicherstellung kann indes nicht die Tatsache verdecken, daß der eigentliche Grund für die Sicherstellung in dem behaupteten Verstoß gegen das Einfuhrverbot des § 3 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG liegt. Es kommt hinzu, daß die Verletzung des Einfuhrverbots auch Teil des objektiven Tatbestands des Bannbruchs gem. § 396 AO ist. Die Sicherstellung wegen verbotener Einfuhr belastet deshalb den davon Betroffenen in der Regel auch mit dem Makel, daß ein strafbarer Bannbruch begangen worden sein könnte.
Das berechtigte Feststellungsinteresse ist gerade auch im Hinblick auf die strafrechtlichen Zusammenhänge zu bejahen. Nach den Feststellungen des FG schwebt gegen den Geschäftsführer X der Klägerin und gegen andere leitende Angestellte der Klägerin ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und des Bannbruchs, in dem der Vorwurf erhoben wird, daß es sich bei der von der Klägerin seit Jahren eingeführten Ware nicht um Rum i. S. der einschlägigen deutschen Bestimmungen, sondern um einfuhrverbotenen sog. Kunstrum gehandelt habe. Nachdem das HZA von dem Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen Kenntnis erlangt hatte, hat es die Sicherstellungsverfügung erlassen. Es besteht danach ein enger Zusammenhang zwischen dem Strafermittlungsverfahren und der Sicherstellungsverfügung. Daran ändert auch nichts der Umstand, daß die Sicherstellungsverfügung gegen die Klägerin ergangen ist, während sich das Strafermittlungsverfahren gegen den Geschäftsführer und andere leitende Angestellte ihrer Firma richtet. Die Klägerin ist zwar strafrechtlich nicht handlungs- und schuldfähig, gleichwohl muß sie sich aber die strafrechtlichen Vorwürfe, die im Zusammenhang mit von ihr durchgeführten Einfuhrgeschäften gegen die erwähnten, für sie handelnden Personen erhoben werden, anrechnen lassen. Eine Bestrafung ihrer Angestellten hätte notwendigerweise auch Auswirkungen auf Ansehen und Ruf der Klägerin.
Die Verneinung des Feststellungsinteresses mit der Begründung, daß Strafverfahren gem. § 153 StPO wegen geringer Schuld eingestellt werden können und daß die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sicherstellungsverfügung lediglich den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung bzw. des Bannbruchs betreffen würde, hält einer näheren Nachprüfung nicht stand. Das FG hat verkannt, daß es im Regelfalle einer Einstellung wegen geringer Schuld gem. § 153 StPO nicht bedarf, wenn schon mangels verbotswidriger Einfuhr der objektive Tatbestand einer Steuerstraftat nicht vorliegt.
Das Vorliegen eines berechtigten Feststellungsinteresses kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, daß das Strafverfahren sich auch auf andere Einfuhrpartien beziehe als nur diejenigen, die von der hier angeordneten Sicherstellungsverfügung betroffen worden sind, so daß, wie das FG meint, eine Einflußmöglichkeit auf das Strafverfahren fehle. Im Streitfalle geht es nur um die Rehabilitierung der Klägerin in dem Sinne, daß sie von dem Makel befreit wird, die wegen unerlaubter Einfuhr sichergestellten Branntweinmengen verbotswidrig und belastet mit dem Vorwurf strafbarer Handlungen eingeführt zu haben.
Als rechtsirrig verweist sich auch die weitere Auffassung des FG, daß das Feststellungsinteresse zu verneinen sei, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nur subsidiär sei und die Klägerin ihre Rechte nach Erlaß eines Bescheids über den Preisausgleich durch Gestaltungsklage verfolgen könnte. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EGH) hat mit Urteil vom 17. Februar 1976 Rs. 91/75 (EGHE 1976, 217) entschieden, daß Art. 37 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) der Erhebung der Preisausgleichsabgabe entgegenstehe. Aufgrund dieses Urteils besteht für die Klägerin keine Möglichkeit mehr, im Rahmen der Überprüfung der Rechtsmäßigkeit von Ausgleichsbetragsbescheiden darüber eine Entscheidung zu erlangen, ob der streitige Branntwein in seiner Zusammensetzung den Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 des Preisausgleichsgesetzes i. V. m. der Verordnung des BMWF über den Gehalt an charakterisierenden Begleitstoffen beim Rum … vom 13. Oktober 1971 entsprach – was das HZA verneint hat – und ob er, wenn das nicht der Fall war, nach der Einfuhrbewilligung für anderen Branntwein aus Zuckerrohrstoffen als Rum (vgl. die Bekanntmachungen der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein über Branntweineinfuhr vom 13. Oktober 1971 und vom 6. September 1972, BZBl 1971, 1298 und 1972, 1244) eingeführt werden durfte.
Daß die Klägerin nach Aufhebung der Sicherstellungsverfügung nicht mehr gehindert war, die Ware als einfuhrfähig zum freien Verkehr abfertigen zu lassen, kann nicht, wie das FG meint, als Begründung dafür herangezogen werden, daß kein Rechtsschutzinteresse für die Fortsetzungsfeststellungsklage bestehe. Die Zurücknahme des ursprünglich angefochtenen Verwaltungsaktes mit den sich daraus ergebenden zollrechtlichen Folgen ist rechtssystematisch gerade die Voraussetzung für die Statthaftigkeit eines Antrages gem. § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO.
Der Senat kann dem FG schließlich auch nicht darin zustimmen, daß es am Feststellungsinteresse deshalb fehle, weil die Einfuhrfähigkeit der Ware nach dem Schreiben des BdF vom 24. Oktober 1973 nicht mehr in Frage gestellt sei. Die Klägerin hat zutreffend darauf hingewiesen, daß der BdF die Einfuhrfähigkeit des Branntweins für die Vergangenheit im Ergebnis verneint hat. Das ergibt sich einmal daraus, daß die Sicherstellungsverfügung auf Weisung des BdF aus Billigkeitsgründen aufgehoben worden ist, woraus geschlossen werden muß, daß die Verwaltung von der Rechtmäßigkeit dieser Verfügung ausgeht, und daneben auch daraus, daß die Bundesmonopolverwaltung nach dem erwähnten Schreiben des BdF „zukünftig” ihre Einfuhrbewilligung auf Waren, wie sie die Klägerin eingeführt hat, erweitern werde. Die Klägerin hat deshalb ein berechtigtes Rehabilitierungsinteresse an der Feststellung, daß der von ihr eingeführte und zunächst sichergestellte Branntwein auch schon vor der Erweiterung der Einfuhrbewilligung keinem Einfuhrverbot unterlag.
Auf den von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung braucht der Senat nach den vorstehenden Ausführungen nicht einzugehen.
Da nach allem für die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sicherstellungsverfügung besteht, durfte das FG die Fortsetzungsfeststellungsklage nicht als unzulässig abweisen. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Dieses wird festzustellen haben, ob der eingeführte Branntwein nach § 3 BranntwMonG i. V. m. den in Betracht kommenden Bekanntmachungen über Branntweineinfuhr im Zeitpunkt der jeweiligen Einfuhr einem Einfuhrverbot unterlag.
Fundstellen
Haufe-Index 514794 |
BFHE 1978, 553 |