Entscheidungsstichwort (Thema)
Inhaltliche Anforderungen an die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens
Leitsatz (NV)
Eine im Sinne von § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO ausreichende Bezeichnung des Gegenstandes des Klagebegehrens (Streitgegenstands) erfordert die substantiierte Darlegung des Klägers, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99, 102; BFH-Urteil vom 16. März 1988 I R 93/84, BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895). Diesen Anforderungen genügt die bloße Erklärung, gegen das Finanzamt wegen Vermögensteuer-Festsetzungen auf den 1. Januar 1977 und 1. Januar 1980 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen Klage erheben zu wollen, nicht, wenn sich das Klagebegehren auch nicht aus ggfs. mit der Klageschrift eingereichten sonstigen Unterlagen bzw. anderen ohne weiteres zugänglichen Umständen zweifelsfrei ergibt.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) erließ unter dem 13. April 1989 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Änderungsbescheide betreffend die Hauptveranlagung der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zur Vermögensteuer auf den 1. Januar 1977 und 1. Januar 1980.
Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin Klage, ohne jedoch einen Klageantrag zu stellen und die Klage zu begründen. Sie wurde deshalb durch das Finanzgericht (FG) mit Schreiben vom 28. Februar 1991 aufgefordert, bis zum 10. April 1991 einen Klageantrag zu stellen und eine Klagebegründung einzureichen. Bis zur mündlichen Verhandlung vor dem FG am 11. Juni 1991 war sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Zu Protokoll erklärte die Klägerin, sie werde bis zum 15. Oktober 1991 noch schriftsätzlich Stellung nehmen. Daraufhin sicherte der Senatsvorsitzende den Beteiligten, die auf weitere mündliche Verhandlung verzichtet hatten, zu, das Gericht werde nicht vor dem 15. Oktober 1991 über die Klage entscheiden.
Mit seinem -- in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 6 veröffentlichten -- Urteil vom 7. September 1993 hob das FG die streitigen Vermögensteuerbescheide auf den 1. Januar 1977 und 1. Januar 1980 -- ohne mündlich zu verhandeln und ohne daß die Klägerin eine Klagebegründung vorgelegt hatte -- auf.
Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts sowie in verfahrensrechtlicher Hinsicht Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG Bremen vom 7. September 1993 (II 50/91 K) die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das Urteil der Vorinstanz ist aufzuheben, weil das FG zu Unrecht eine Entscheidung in der Sache getroffen hat, obwohl die hierfür erforderlichen Sachurteilsvoraussetzungen nicht vorlagen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) auch ohne entsprechende Rüge der Beteiligten von Amts wegen zu prüfen (allgemeine Meinung, vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rz. 34 m. w. N. und Rz. 49).
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muß die Klage u. a. den Gegenstand des Klagebegehrens (Streitgegenstand) bezeichnen. Dessen ausreichende Bezeichnung erfordert nach ständiger Rechtsprechung des BFH die substantiierte Darlegung des Klägers, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt (BFH-Beschluß vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117 ff., BStBl II 1980, 99, 102; BFH-Urteil vom 16. März 1988 I R 93/84, BFHE 153, 290 ff., BStBl II 1988, 895 ff.). Erforderlich ist eine schlüssige Geltendmachung der Beschwer. Das Gericht muß in die Lage versetzt werden, das Klagebegehren zu ermitteln, um die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis zu bestimmen.
Im Streitfall genügt die Klage der Klägerin, die lediglich erklärt hat, gegen das FA wegen Vermögensteuerfestsetzungen auf den 1. Januar 1977 und 1. Januar 1980 sowie der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidungen Klage erheben zu wollen, diesen Anforderungen nicht. Die Klägerin hat damit nicht substantiiert vorgetragen, worin die Rechtswidrigkeit der von ihr angefochtenen Bescheide bestehen soll.
Der Auffassung der Vorinstanz, das Klagebegehren der Klägerin -- und damit die geltend gemachte Rechtsverletzung -- sei "im Hinblick auf ähnliche Verfahren für andere Streitjahre" ausreichend deutlich, vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar kann im Einzelfall die bloße Andeutung des Klagebegehrens ausreichen, wenn sich aus den mit der Klageschrift eingereichten sonstigen Unterlagen bzw. anderen ohne weiteres zugänglichen Umständen zweifelsfrei das Klagebegehren ergibt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 1989 III R 132/85, BFHE 157, 296 ff., BStBl II 1989, 846). Dies ist aber im Streitfall nicht gegeben.
Aus den zeitgleich erhobenen, andere Verwaltungsakte des FA betreffenden Klagen der Klägerin, die diese -- wie die vorliegende Klage auch -- nicht begründet hat, kann ihr Begehren ebensowenig abgeleitet werden, wie aus den bereits 1987 rechtskräftig abgeschlossenen dieselben Veranlagungsstichtage betreffenden Klageverfahren. Im übrigen sind Verfahren "anderer Streitjahre" nicht ersichtlich, aus denen sich das Klagebegehren der Klägerin ableiten läßt.
Die nicht spruchreife Sache ist an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 423583 |
BFH/NV 1996, 564 |