Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuer. Verfassungsmäßigkeit des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974. Umfang der Bereicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Kappung der Befreiungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959 durch § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 verstößt nicht gegen die Verfassung.

2. Bei der Erbschaftsteuer ist nur auf die objektive Bereicherung abzustellen. Auch eine Zuwendung von Todes wegen, die belohnenden Charakter hat – auch wenn es für den Anwendungsbereich der Vorschrift unerheblich ist, ob die Zuwendung in belohnender Absicht erfolgt –, ist eine den Empfänger bereichernde Zuwendung. Nur dann, wenn durch die vermeintliche „Zuwendung” eine Forderung des Empfängers zum Erlöschen gebracht wird, liegt keine objektive Bereicherung vor.

 

Normenkette

ErbStG 1974 § 10 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 Nr. 9; ErbStG 1959 § 18 Abs. 1 Nr. 11

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 26.03.1984; Aktenzeichen 1 BvR 803/82)

 

Tatbestand

Der am 23. Dezember 1977 verstorbene H wurde aufgrund notariell beurkundeten Testaments vom 10. Mai 1976 vom Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) allein beerbt. Noch vor Abgabe der Erbschaftsteuererklärung verstarb auch der Ehemann der Klägerin. Durch Erbschaftsteuerbescheid vom 13. Juni 1979 – gerichtet an die Klägerin – setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt – FA–) für den Erwerb des verstorbenen Ehemannes Erbschaftsteuer in Höhe von … DM fest. Bei der Berechnung des steuerpflichtigen Erwerbs hat das FA 2.000 DM gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 9 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) berücksichtigt.

Mit dem Einspruch machte die Klägerin geltend, der Abzugsbetrag sei zu niedrig bemessen. Der anhanglose Erblasser sei seit etwa 1959 in der Familie der Klägerin bei freier Unterkunft beköstigt, verpflegt und mit Wäsche versorgt worden. Der Betrag der damit verbundenen Aufwendungen müsse auf 70.200 DM beziffert werden. Der Erblasser habe übrigens ihrem Ehemann nur im Hinblick auf die kostenlosen Zuwendungen etwas hinterlassen können. Der Einspruch blieb erfolglos.

Die Klage, mit der die Klägerin die Herabsetzung der Erbschaftsteuer auf 0 DM begehrt, hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Sie hält § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 für mit Art. 3 des Grundgesetzes unvereinbar und deshalb nichtig. Die Erbschaftsteuer sei eine reine Bereicherungssteuer. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 verstoße mit dem darin enthaltenen Ausschluß der Berücksichtigung einer konkreten Last gegen den Sinn des Gesetzes.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO–).

Der als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterliegende (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) Erwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) ist steuerpflichtig im Ausmaß der Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1974). Als Bereicherung gilt bei Erwerben von Todes wegen der Betrag, der sich ergibt, wenn von dem nach § 12 ErbStG 1974 zu ermittelnden Wert des gesamten Vermögensanfalls, soweit er der Besteuerung nach dem ErbStG unterliegt, die nach § 10 Abs. 3 mit 9 ErbStG 1974 abzugsfähigen Nachlaßverbindlichkeiten mit ihrem nach § 12 ErbStG 1974 zu ermittelnden Wert abgezogen werden (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974).

1. Zutreffend wurde bei der Steuerfestsetzung der von der Klägerin bezifferte Betrag nicht als den Umfang der Bereicherung beeinflussende Nachlaßverbindlichkeit berücksichtigt. Auch nach dem Vortrag der Klägerin hat es sich nicht um eine Verbindlichkeit des Erblassers gegenüber dem Erben gehandelt.

2. Ohne Rechtsverstoß ist auch die steuerpflichtige Bereicherung unter Berücksichtigung nur des Freibetrages nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG 1974 und des steuerfreien Betrages von 2.000 DM nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 der Steuerfestsetzung zugrunde gelegt worden. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 bleibt ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 2.000 DM steuerfrei, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist. Ebenso wie die sog. belohnende Schenkung selbst bei größeren Aufwendungen des Beschenkten für die belohnte Tätigkeit in vollem Umfang eine Schenkung i.S. des bürgerlichen Rechtes ist, ist auch eine Zuwendung von Todes wegen, die belohnenden Charakter hat – auch wenn es für den Anwendungsbereich der Vorschrift unerheblich ist, ob die Zuwendung in belohnender Absicht erfolgt –, eine den Empfänger bereichernde Zuwendung. Zur Bereicherung nämlich führen alle Zuwendungen, die nicht zur Abgeltung eines Anspruches des Zuwendungsempfängers erfolgen. Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß nur auf die objektive Bereicherung abzustellen ist, d.h. auf einen Vergleich des Vermögens des Empfängers vor und nach Erhalt der Zuwendung. Nur dann, wenn durch die vermeintliche „Zuwendung” eine Forderung des Empfängers zum Erlöschen gebracht wird, liegt keine objektive Bereicherung vor.

3. Da der Erwerb ohne die in § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG 1974 vorgesehene Befreiung in vollem Ausmaß der um den Freibetrag gekürzten Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG 1974) der Erbschaftsteuer unterlegen hätte, ist ein Verfassungsverstoß in dem von der Klägerin gerügten Sinne durch die gegenüber § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959 veränderte und gekappte Befreiungsvorschrift nicht ersichtlich.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1179013

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