Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonstiges Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Die einheitliche und gesonderte Feststellung eines Kriegssachschadens muß für eine eindeutig und klar bestimmte wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens oder des Betriebsvermögens durchgeführt werden.
Bei der Schadensfeststellung für ein Rückerstattungsgrundstück kann der Erwerber und Rückerstattungsverpflichtete einen von ihm entrichteten Abgeltungsbetrag zur Ablösung der Hauszinssteuer als unmittelbar Geschädigter geltend machen.
Feststellungsgesetz § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2; LAG § 40; 10.AbgabenDV-LA § 46 Abs. 1 Satz 1;
Normenkette
FeststG § 13 Abs. 1 S. 1, § 13/1/2; LAG § 40; 10-AbgabenDV-LA 46/1/1; 20-AbgabenDV-LA 3/1; 20-AbgabenDV-LA 3/2/1; 20-AbgabenDV-LA 3/5
Tatbestand
Eine Eisenwarenhandlung war im Jahre 1936 von ihren Inhabern an Herrn J. veräußert worden. Zum Betriebsvermögen der Firma gehörten die Grundstücke A und B. Auf Grund eines Vergleichs vor dem Schlichter für Wiedergutmachungssachen im Jahre 1951 gab der Erwerber die Grundstücke den Erben der früheren Inhaber (Bg.) zurück, konnte aber das Geschäft behalten.
Durch Vergleich mit der Rückerstattungsverpflichteten Frau H. erhielten die Bg. im Jahre 1951 ein weiteres Grundstück C zurück.
Im Jahre 1938 hatte Herr J. das Grundstück D erworben und den Geschäftsbetrieb der Eisenwarenhandlung auf dieses Grundstück ausgedehnt. Auch hinsichtlich dieses Grundstückes wurden Rückerstattungsansprüche geltend gemacht. Herr J. einigte sich in einem Vergleich mit dem Rückerstattungsberechtigten auf eine Nachzahlung und behielt das Grundstück.
Sämtliche Grundstücke erlitten Kriegsschäden. Das Finanzamt erließ im Jahre 1955 gegen die Bg. einen Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Kriegssachschäden an den ihnen im Wege der Rückerstattung übertragenen Grundstücken A, B und C. Im Jahre 1959 berichtigte das Finanzamt diesen Bescheid nach § 222 Abs. 1 Ziff. 3 AO mit folgender Begründung: Die Bg. seien hinsichtlich der Grundstücke A und B nicht ermäßigungsberechtigt. Der Kriegssachschaden müsse insoweit dem Rückerstattungsverpflichteten, Herrn J., zugerechnet werden. Auch hinsichtlich des Grundstückes C sei die Rückerstattungsverpflichtete, Frau H., für einen Teil des Schadens ermäßigungsberechtigt.
Die Bg. wandten sich gegen den Berichtigungsbescheid. Der Einspruch hatte teilweise Erfolg. Das Finanzamt führte in der Einspruchsentscheidung aus, die Schadensbeträge seien, wie im ursprünglichen Bescheid angenommen, grundsätzlich den Bg. zuzurechnen. Etwas anderes müsse aber für die bei der Schadensermittlung zu berücksichtigenden Hauszinssteuerabgeltungsbeträge gelten, die der Rückerstattungsverpflichtete J. entrichtet und bei der Rückerstattung nicht zurückgewährt erhalten habe. Der an den Grundstücken D, A und B entstandene Schaden müsse daher auf die Bg. und Herrn J. verteilt werden.
Das Finanzgericht hob die Einspruchsentscheidung auf. Auch die Hauszinssteuerabgeltungsbeträge für die Grundstücke A und B seien den Bg. zuzurechnen. Das Finanzamt könne seine Auffassung nicht aus § 3 Abs. 5 der Zwanzigsten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 18. Dezember 1956 (20. AbgabenDV-LA) herleiten. Diese Vorschrift komme im Streitfall gar nicht zum Zuge, da § 3 Abs. 2 der 20. AbgabenDV-LA hinsichtlich der Zurechnung des Abgeltungsbetrags bei der Schadensermittlung keine Sonderregelung bringe. Diese Vorschrift enthalte gegenüber dem Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschäden und Kriegssachschäden in der Fassung vom 14. August 1952 (Feststellungsgesetz) nur eine andere Regelung des Zeitpunkts des Anfangsvergleichswerts. Darunter sei aber der reine Einheitswert ohne etwa vorzunehmende Hinzurechnungen oder Kürzungen zu verstehen. Für die Zurechnung des Abgeltungsbetrags seien daher allein die Vorschriften des Feststellungsgesetzes maßgebend. Die auf die Grundstücke D, A und B entfallenden Schadensbeträge seien so zu verteilen, daß auf Herrn J. nur der Schaden für das ihm allein gehörige Grundstück D entfalle.
Der Vorsteher des Finanzamts legte Rb. ein. Das Urteil des Finanzgerichts habe zur Folge, daß der Abgeltungsbetrag bei der Schadensberechnung dem Rückerstattungsberechtigten auch dann zugerechnet werden müsse, wenn nicht dieser, sondern - wie in der Regel - der Rückerstattungsverpflichtete ihn getragen habe. Dies könne der Verordnungsgeber nicht gewollt haben. Auch ergebe sich die Auffassung des Finanzgerichts, Anfangsvergleichswert im Sinne des § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes sei der Einheitswert ohne Hinzurechnungen oder Kürzungen, nicht zwingend aus dem Gesetz. Eine sinngemäße Auslegung der Vorschrift führe vielmehr gerade zu dem entgegengesetzten Ergebnis, daß nämlich der Einheitswert und der Abgeltungsbetrag für die Ermittlung des Anfangsvergleichswerts nach § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes zusammenzurechnen seien. An die Stelle dieses Anfangsvergleichswerts trete in Rückerstattungsfällen der Einheitswert im Zeitpunkt der Entziehung. Folge man dieser Auffassung, so sei der Abgeltungsbetrag im Streitfall dem Rückerstattungsverpflichteten zuzurechnen, der ihn wirtschaftlich auch getragen habe. Auf das einen ähnlichen Fall betreffende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts IV C 114/61 vom 18. April 1962 (Rundschau für den Lastenausgleich 1963 S. 75) werde verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und des Feststellungsbescheids.
Sind wegen des an einer wirtschaftlichen Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens oder des Betriebsvermögens entstandenen Kriegssachschaden mehrere Personen (z. B. Miteigentümer, Mitunternehmer oder Miterben) nach § 40 LAG ermäßigungsberechtigt, so wird ein an der wirtschaftlichen Einheit entstandener Kriegssachschaden vorbehaltlich des § 2 Abs. 4 Satz 2 der Achten Verordnung zur Durchführung des Feststellungsgesetzes vom 18. Dezember 1956 (8. FeststellungsDV) von dem Finanzamt einheitlich und gesondert festgestellt, wenn angenommen werden kann, daß wegen dieses Schadens mindestens bei einem selbständig zur Vermögensabgabe zu veranlagenden Abgabepflichtigen eine Ermäßigung der Vermögensabgabe in Betracht kommt (ß 46 Abs. 1 Satz 1 der Zehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 28. Juni 1954 - 10. AbgabenDV-LA -).
Voraussetzung für den Erlaß eines Feststellungsbescheids nach dieser Vorschrift ist demnach, daß an einer wirtschaftlichen Einheit der genannten Vermögensarten ein Kriegssachschaden entstanden ist. Die einheitliche und gesonderte Feststellung eines Kriegssachschadens muß sich immer auf eine bestimmte wirtschaftliche Einheit beziehen. Das Finanzamt muß sich bei Erlaß des Feststellungsbescheids darüber klar werden, für welche wirtschaftliche Einheit es einen Schaden feststellen will. Ebenso muß sich das Rechtsmittelverfahren auf die in dem Feststellungsbescheid genannte wirtschaftliche Einheit beziehen.
Es erscheint dem Senat zweifelhaft, ob in dem vorliegenden Fall diese Grundsätze beachtet wurden. Der ursprüngliche Feststellungsbescheid bezog sich auf die "gemischtgenutzten Grundstücke A, B und C", der angefochtene berichtigte Feststellungsbescheid auf das Grundstück C, da nach Auffassung des Finanzamts für die Grundstücke A und B die Bg. nicht ermäßigungsberechtigt seien. Gegen diesen Bescheid wurde Einspruch eingelegt und über diesen Einspruch hatte das Finanzamt zu entscheiden. Das Finanzamt hat aber nach Aktenlage im Einspruchsbescheid den Kriegssachschaden am "Betriebsvermögen der Eisenwarenhandlung J., bestehend aus den Grundstücken D, A und B", festgestellt. Auch das Finanzgericht hat über diese Schadensfeststellung entschieden.
Dieses Verfahren hatte darüber hinaus gewisse mit den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Rechtsmittelverfahrens nicht zu vereinbarende Folgen: 1. Der Einspruch der Bg. gegen den berichtigten Feststellungsbescheid bezog sich ausdrücklich auch auf die Verteilung des Schadens für das Grundstück C. Das Finanzamt mußte über den Einspruch auch insoweit entscheiden, auch wenn der Vertreter der Bg. im Laufe des Einspruchsverfahrens wegen der Geringfügigkeit des der Rückerstattungsverpflichteten H. zugeteilten Schadensbetrags den Verzicht der Bg. auf ihren "Anspruch" erklärte. In der Einspruchsentscheidung des Finanzamts ist das Grundstück C aber nicht mehr erwähnt. 2. Da der Rückerstattungsverpflichteten H. im Feststellungsbescheid ein Schadensteilbetrag zugeteilt wurde, wurde ihr der Feststellungsbescheid zugestellt. Am Rechtsmittelverfahren gegen diesen Bescheid wurde sie aber wegen der späteren Außerachtlassung des Grundstücks C nicht mehr beteiligt. Dafür wurde Herrn J. die Einspruchsentscheidung zugestellt und dieser zum Berufungsverfahren zugezogen.
Die Vorentscheidungen und der berichtigte Feststellungsbescheid sind aus diesen Gründen aufzuheben. Bei einer erneuten Berichtigung des ursprünglichen Feststellungsbescheids wird das Finanzamt die vorstehenden Grundsätze beachten müssen.
Zu der Frage, ob der Abgeltungsbetrag bei der Schadensberechnung dem Rückerstattungsberechtigten oder dem Rückerstattungsverpflichteten zuzurechnen ist, nimmt der Senat wie folgt Stellung: Auszugehen ist von § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes. Hiernach sind Kriegssachschäden an land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und an Grundvermögen im Sinne des BewG grundsätzlich mit dem Betrag festzustellen, um den der Einheitswert, der für die beschädigte wirtschaftliche Einheit auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor Eintritt des Schadens festgestellt ist, den für dieselbe wirtschaftliche Einheit für den Währungsstichtag geltenden Einheitswert übersteigt (ß 13 Abs. 1 Satz 1 des Feststellungsgesetzes). Ist für ein von Kriegssachschäden betroffenes Grundstück ein Abgeltungsbetrag gemäß der Verordnung über die Aufhebung der Gebäudeentschuldungssteuer vom 31. Juli 1942 (RGBl I S. 501) entrichtet worden, so ist für die Schadensberechnung dem auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor Eintritt des Schadens festgestellten Einheitswert der Abgeltungsbetrag hinzuzurechnen (ß 13 Abs. 1 Satz 2 des Feststellungsgesetzes). Ist ein Kriegssachschaden an einem Wirtschaftsgut entstanden, das auf Grund der Rechtsvorschriften zur Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte rückerstattet worden ist, gilt als unmittelbar Geschädigter im Sinne der §§ 40, 229 LAG diejenige Person, an die rückerstattet worden ist (ß 3 Abs. 1 Satz 1 der 20. AbgabenDV-LA). In diesen Fällen gilt bei der Berechnung des Schadensbetrags im Sinne des § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes als Anfangsvergleichswert der Einheitswert der entzogenen wirtschaftlichen Einheit im Zeitpunkt der Entziehung (ß 3 Abs. 2 Satz 1 der 20. AbgabenDV-LA). Ergibt sich in den Fälle des § 3 Abs. 2 der 20. AbgabenDV-LA bei Zugrundelegung der Vorschriften des Feststellungsgesetzes gegenüber der Berechnung nach Abs. 2 ein höherer berücksichtigungsfähiger Schadensbetrag, gilt der Rückerstattungsverpflichtete hinsichtlich des Unterschiedsbetrags als unmittelbar Geschädigter (ß 3 Abs. 5 der 20. AbgabenDV-LA).
Der Auffassung des Finanzgerichts, die letztgenannte Vorschrift käme nicht zur Anwendung, wenn der Rückerstattungsverpflichtete den Abgeltungsbetrag zur Ablösung der Gebäudeentschuldungssteuer entrichtet habe, kann nicht gefolgt werden. Sie beruht auf einer unrichtigen Auslegung des Begriffs Anfangsvergleichswert in § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes. Anfangsvergleichswert ist, wie schon der Name sagt, der Wert, der mit dem Endvergleichswert zu vergleichen ist. Das ist, wenn für ein Grundstück ein Abgeltungsbetrag gezahlt wurde, im Regelfall der Einheitswert auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor Eintritt des Schadens zuzüglich des Abgeltungsbetrags. An die Stelle dieses Anfangsvergleichswerts des Regelfalles tritt in Rückerstattungsfällen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 der 20. AbgabenDV-LA als Anfangsvergleichswert der Einheitswert im Zeitpunkt der Entziehung. Eine Zurechnung des Abgeltungsbetrags erfolgt hier grundsätzlich nicht. Weisen die Einheitswerte auf den letzten Feststellungszeitpunkt vor Eintritt des Schadens die gleiche Höhe auf wie die Einheitswerte im Zeitpunkt der Entziehung, so ergeben sich bei Berechnung des Schadens nach § 13 Abs. 1 des Feststellungsgesetzes in Höhe der hiernach zuzurechnenden Abgeltungsbeträge höhere berücksichtigungsfähige Schadensbeträge als bei der Schadensberechnung nach § 3 Abs. 2 der 20. AbgabenDV-LA. Der Unterschiedsbetrag ist gemäß § 3 Abs. 5 der 20. AbgabenDV-LA dem Rückerstattungsverpflichteten zuzurechnen. Der Bf. betont mit Recht, daß nur diese Auslegung dem Sinn der letztgenannten Vorschrift gerecht wird, wonach dem Rückerstattungsverpflichteten eine Entschädigung für seine werterhöhenden Aufwendungen auf das Rückerstattungsgrundstück zugesprochen werden sollte. Als solche werterhöhende Aufwendung gilt auch die Entrichtung des Abgeltungsbetrags durch den Rückerstattungsverpflichteten. Der Senat stimmt insoweit mit der in der Entscheidung IV C 114/61 vom 18. April 1962 (a. a. O.) zum Ausdruck gebrachten Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts überein.
Fundstellen
Haufe-Index 411332 |
BStBl III 1964, 663 |
BFHE 1965, 527 |
BFHE 80, 527 |