Leitsatz (amtlich)
Für ein Taxi, das auch privat genutzt wird, ist Investitionszulage zu gewähren, wenn die private Nutzung von untergeordneter Bedeutung ist.
Normenkette
BerlinFG § 19
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt ein Kraftdroschkenunternehmen in Berlin. Für die von ihm im Oktober 1972 angeschaffte Taxe gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) eine Investitionszulage. Der Kläger nutzte das Fahrzeug in nur ganz geringem Umfang privat.
Im Juni 1975 verkaufte der Kläger das Fahrzeug an Herrn A. Die zuständige Verwaltungsbehörde lehnte den Antrag des Käufers ab, die für das Fahrzeug bestehende Konzession auf ihn umzuschreiben. Daraufhin unterschrieben der Kläger und die Schwägerin des Käufers, Frau B, einen gleichlautenden Kaufvertrag, den sie rückdatierten. Die für das verkaufte Fahrzeug erteilte Konzession wurde etwa Ende November 1975 auf Frau B umgeschrieben. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat der Käufer das mit eigenen Mitteln erworbene Fahrzeug nachhaltig auf eigene Rechnung als Taxi eingesetzt. Er hat außerdem den Wagen - einschließlich einer Urlaubsfahrt (ca. 3 000 km) - privat genutzt. Allerdings lag die private Nutzung unter 10 v. H. der von Oktober 1974 bis Oktober 1975 insgesamt zurückgelegten Fahrstrecke.
Nach dem Verkauf der Taxe forderte das FA durch berichtigten Bescheid die für diese gewährte Investitionszulage mit der Begründung zurück, das Fahrzeug sei nicht drei Jahre lang innerhalb eines Betriebs in Berlin (West) ausschließlich zur Personenbeförderung genutzt worden.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das FG hat der Klage statt gegeben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 19 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes in der für den Streitfall maßgebenden Fassung vom 29. Oktober 1970 - BerlinFG - (BGBl I 1970, 1482, BStBl I 1970, 1016). Nach seiner Ansicht ergibt sich aus der Verwendung des Begriffs "ausschließlich" in dieser Vorschrift, daß selbst eine ganz geringfügige private Nutzung zulageschädlich sei. Die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. November 1977 III R 145/74 (BFHE 124, 470, BStBl II 1978, 353) seien im Hinblick auf die Sonderregelung in § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG für Personenkraftfahrzeuge nicht anwendbar.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 19 Abs. 1 BerlinFG können Unternehmer im Sinn des § 2 des Umsatzsteuergesetzes - Mehrwertsteuer - (UStG 1967), die in Berlin (West) einen Betrieb (eine Betriebstätte) haben, für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eine Investitionszulage erhalten. Für Personenkraftfahrzeuge wird eine Investitionszulage allerdings nur gewährt, wenn sie im eigenen gewerblichen Betrieb ausschließlich der Beförderung von Personen gegen Entgelt dienen oder an Selbstfahrer vermietet oder für Fahrschulzwecke verwendet werden. Das FA hat diese Vorschrift zu Unrecht dahin ausgelegt, daß eine private Benutzung eines solchen Fahrzeugs von untergeordneter Bedeutung stets zulageschädlich sei.
1. In seinem Urteil in BFHE 124, 470, BStBl II 1978, 353 hat der Senat zwar entschieden, daß für ein privat mitbenutztes Wirtschaftsgut eine Investitionszulage nicht zu gewähren ist. Er hat jedoch gleichzeitig eine private Nutzung von untergeordneter Bedeutung als unschädlich angesehen. Entgegen der Auffassung des FA sind die Grundsätze dieser Entscheidung auch im vorliegenden Fall anzuwenden.
Unbeschadet der Frage, ob sich der Begriff "ausschließlich" nur auf das Tatbestandsmerkmal der Beförderung von Personen gegen Entgelt oder auch auf die beiden weiteren Tatbestandsmerkmale bezieht, läßt § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG nach seinem Wortlaut auch die Auslegung zu, daß er lediglich eine Abgrenzung innerhalb des betrieblichen Bereichs trifft: Personenkraftfahrzeuge, die einem anderen als dem in der Vorschrift genannten betrieblichen Zweck dienen, sind von der Zulage ausgeschlossen. Diese Auslegung steht in Einklang mit der Entstehungsgeschichte der Regelung.
Nach § 21 Abs. 2 des Berlinhilfegesetzes (BHG) 1962 (BGBl I 1962, 492, BStBl I 1962, 997), dem Vorläufer des § 19 Abs. 2 BerlinFG, waren Personenkraftfahrzeuge schlechthin von der Investitionszulage ausgeschlossen. Um die damit verbundene Benachteiligung der Taxi-, Mietwagen- und Fahrschulunternehmen zu beseitigen, wurde durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin (West) und des Gesetzes über Steuererleichterungen und Arbeitnehmervergünstigungen in Berlin (West) vom 29. Juli 1964 (BGBl I 1964, 534, BStBl I 1964, 505) die mit § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG wortgleiche Bestimmung des § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1964 geschaffen. Der Gesetzgeber wollte es damit den in § 21 Abs. 2 Satz 2 BHG 1964 / § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG genannten Gewerbezweigen ermöglichen, für die Anschaffung von Personenkraftfahrzeugen in gleicher Weise eine Investitionszulage zu erhalten, wie die übrigen Unternehmer für sonstige Wirtschaftsgüter (vgl. Bundesrats-Drucksache 183/64 S. 6 ff.). Ist aber bei den übrigen zulagefähigen Wirtschaftsgütern eine private Nutzung von untergeordneter, Bedeutung unschädlich, so ist es vertretbar, die gleichen Grundsätze auch bei Personenkraftfahrzeugen anzuwenden, die im eigenen gewerblichen Betrieb der Personenbeförderung gegen Entgelt dienen (Taxiunternehmen).
Die Auffassung des FA würde im übrigen in der Praxis dazu führen, daß insbesondere Unternehmen, die nur ein Fahrzeug haben, regelmäßig von der Zulage ausgeschlossen wären. Dies würde aber der Absicht des Gesetzgebers widersprechen, ganz allgemein Taxi-, Mietwagen- und Fahrschulunternehmen den anderen Unternehmen in bezug auf die Investitionszulagevergünstigung gleichzustellen. Auch die Finanzverwaltung war in der Vergangenheit der Auffassung, daß nicht jede private Nutzung als zulageschädlich anzusehen sei (vgl. Landesfinanzamt Berlin, Rdvfg. Nr. 164/65 vom 10. September 1965, Nr. 5, Steuer- und Zollblatt für Berlin 1965 S. 1408 - StuZBl.Bln 1965, 1408 -; Oberfinanzdirektion Berlin, Rdvfg. Nr. 124/71 vom 29. März 1971, Nr. 10, StuZBl.Bln 1971, 321, 324).
2. In seinem Urteil vom 7. März 1980 III R 92/78 (BFHE 130, 221, BStBl II 1980, 412) hat der Senat eine private Nutzung dann als von untergeordneter Bedeutung angesehen, wenn sie die Grenze von 10 v. H. der Gesamtnutzung nicht überschreitet. Diese Abgrenzung ist auch für die private Nutzung von Personenkraftfahrzeugen im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG maßgebend. Ob die private Nutzung im jeweiligen Einzelfall von untergeordneter Bedeutung ist, muß das FG als Tatsacheninstanz feststellen.
3. Die Anwendung der vorstehenden Rechtsgrundsätze auf den Streitfall ergibt, daß das FA keinen Anspruch auf Rückzahlung der gewährten Investitionszulage hat. Das streitige Fahrzeug hat während des gesamten maßgeblichen Dreijahreszeitraums in eigenen gewerblichen Betrieben in Berlin (West) der Personenbeförderung gedient. Dem steht auf Grund der im Streitfall gegebenen Sachlage nicht entgegen, daß der Käufer des Wagens nicht selbst Inhaber der Taxikonzession war. Es ist vielmehr ausreichend, daß er das Fahrzeug auf eigene Rechnung und Gefahr als Taxi nutzte.
Nach den unangefochtenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des FG wurde das Fahrzeug darüber hinaus in jedem der drei Jahre zu weniger als 10 v. H. der Gesamtfahrleistung privat genutzt. Die private Nutzung war damit von untergeordneter Bedeutung.
Fundstellen
Haufe-Index 413694 |
BStBl II 1981, 772 |
BFHE 1981, 89 |