Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrten eines Lotsen zur jeweiligen Einsatzstelle
Leitsatz (NV)
Die Fahrten eines (selbständig tätigen) Elb- Lotsen von seiner Wohnung zu den jeweiligen Einsatzstellen stellen Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte dar (Fortführung der bisherigen Rechtsprechung). Die Fahrtkosten können jedoch nach den Grundsätzen zur Behandlung von Fahrten zu wechselnden Beschäftigungsstellen unbeschränkt abzugsfähig sein.
Verpflegungsmehraufwand nach für Geschäftsreisen geltenden Grundsätzen ist für diese Fahrten regelmäßig nicht anzuer kennen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, 5 S. 1 Nr. 6, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 12 Nr. 1; AO 1977 § 12
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
1. Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bewohnt mit seiner Familie ein Einfamilienhaus in A. Er erzielt als Seelotse Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Als solcher gehört er einer Lotsenbrüderschaft an. Sie hat ihre Verwaltungsstelle (Lotsenstation) in L. Aufgabe der Lotsenbrüderschaft ist insbesondere, die Dienstfolge der Seelotsen mittels einer "Börtordnung" zu regeln und die von allen Lotsen eingefahrenen Lotsgelder unter den Mitgliedern zu verteilen. Der in der Börtliste ein getragene Lotse muß (im allgemeinen im Reihendienst) ständig dienstbereit sein. Aufträge nimmt er, sofern er sich nicht auf einer der Seestationen der Lotsenbrüderschaft befindet, in seiner Wohnung entgegen. Neben dem Reihendienst wird der Lotse verschiedentlich auch für Wachdienste in der Lotsenstation herangezogen.
Der Kläger unterhält im Kellergeschoß seines Hauses ein 12 qm großes Arbeitszimmer, in dem sich ein Telefonanschluß sowie die für die Berufsausübung erforderlichen Ausrüstungsgegenstände (UKW-Station, Fernglas, Schwimmweste, See- und Peilkarten) befinden. Dort bewahrt er auch seine Verträge und Buchführungsunterlagen auf.
An 127 Tagen des Streitjahres hatte der Kläger Lotsungen von L aus durchzuführen. Für die Fahrten von seiner Wohnung nach L (27 km) benutzte er seinen Pkw. Weitere 26 Einsatzorte (außerhalb des Lotsreviers) erreichte er auf anderem Wege. Daneben war der Kläger im Streitjahr an 18 Tagen auch als Lotse im Hafengebiet von A tätig. Art, Umfang und räumliche Erstreckung der Reisetätigkeit des Klägers ergeben sich aus von ihm vorgelegten Aufstellungen und Kartenausschnitten.
Bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus selbständiger Arbeit berücksichtigte der Kläger u. a. seine Kfz-Kosten und den Verpflegungsmehraufwand im Zusammenhang mit seinen von L ausgehenden Einsätzen als Betriebsausgaben im Rahmen von Geschäftsreisen. Demgegenüber erkannte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) für diese 127 Fahrten nach L lediglich die sich aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebenden Beträge (0,58 DM pro Entfernungskilometer) und als Verpflegungsmehraufwendungen für die entsprechenden Einsätze in Anlehnung an die Regelung für an ständig wechselnden Einsatzstellen beschäftigte Arbeitnehmer bei mehr als sechsstündiger Abwesenheit nur eine Pauschale von 8 DM pro Tag an.
2. Insoweit hatte die Klage teilweise Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) entschied, die Fahrten des Klägers nach L seien mit den tatsächlichen Aufwendungen von 0,72 DM pro gefahrenen Kilometer anzusetzen. Zwar handele es sich dabei nicht um Geschäftsreisen, sondern um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte i. S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Denn der Kläger habe in seinem Wohnhaus keine Betriebsstätte unterhalten; Ausgangspunkt der Fahrten sei jeweils die Wohnung gewesen. Das häusliche Büro des Klägers habe sich in einem Kellerraum befunden und sei von seinem Wohnbereich umschlossen worden. Es habe keine selbständige Einheit gebildet, die dem Gebäude teilweise den Charakter des Privaten nehmen könne. Auch die vom Kläger dort ausgeübten Tätigkeiten rechtfertigten es nicht, das häusliche Arbeitszimmer als Betriebsstätte anzusehen. Der Kernbereich seiner Tätigkeit habe sich im Bereich des Lotsreviers, bei der Beratung der Schiffskapitäne und beim Wachdienst vollzogen. Daneben trete die Vor- und Nacharbeit der Einsätze sowie die Erstellung der Buchführung in der Gewichtung zurück. Ebenso nehme der zeitliche Umfang der Rufbereitschaft der Wohnung selbst nicht den Charakter des Privaten. Betriebsstätte des Klägers sei der Ort, an dem der Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit liege. Dies seien die jeweiligen Schiffe und im Wachdienst die Lotsenstation gewesen.
Im Streitfall seien die Fahrtkosten dennoch unbeschränkt (mit 0,72 DM pro gefahrenen Kilometer) anzuerkennen, da der Kläger an ständig wechselnden Beschäftigungsstätten tätig geworden sei. Der Kläger habe die ihm übertragenen Lotsen- sowie die Wachdienste, zu denen er eingeteilt worden sei, übernehmen müssen, ohne daß der jeweilige Einsatzort im voraus habe bestimmt werden können. Der Bereich der Tätigkeit des Klägers, der sich über mehrere 100 km erstreke, könne auch nicht als großräumige Beschäftigungsstätte angesehen werden. Es habe sich weder um ein zusammenhängendes Gelände gehandelt, noch hätten die Einsatzstellen in unmittelbarer Nähe zueinander gelegen.
Dem unbeschränkten Fahrtkostenabzug stehe auch nicht entgegen, daß die Lotsenstation in L an 127 Tagen Zwischenstation des Klägers auf seinem Weg zum jeweiligen Einsatzort gewesen sei. Da diese Fahrten infolge mangelnder Vorhersehbarkeit nicht regelmäßig stattgefunden und sich über mehr als 20 km erstreckt hätten, entsprächen sie nicht dem Grundtypus der von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG erfaßten Fahrten.
Anzuerkennen seien damit zusätzliche Betriebsausgaben.
Der Ansatz höherer Verpflegungsmehraufwendungen als vom FA pauschal (mit 8 DM pro Tag) anerkannt, sei dagegen zu versagen. Sie seien nur für Geschäftsreisen anzuerkennen, die voraussetzten, daß ein Steuerpflichtiger sich von einem Ort, an dem sich seine Betriebsstätte befinde, an einen Ort begebe, der nicht Betriebsstätte sei.
3. Gegen die Entscheidung des FG haben beide Beteiligte Revision eingelegt.
Der Kläger rügt Verletzung von § 4 Abs. 4 EStG. Er macht unverändert geltend, seine Betriebsstätte in seinem Wohnhaus, nicht dagegen an seinen Einsatzorten unterhalten zu haben. Die Reisen dorthin seien daher Geschäftsreisen gewesen. Aus der Vorschrift des § 12 der Abgabenordnung (AO 1977), die für das gesamte Steuerrecht maßgeblich sei, ergebe sich, daß als Betriebsstätte nur der Teil eines Grundstücks in Betracht komme, über den der Steuerpflichtige verfügungsbefugt sei. Daher scheide das Lotsrevier des Klägers mit einer Länge von mehr als 200 km aus. Auch auf den verschiedenen Schiffen habe der Lotse keine "festen Geschäftseinrichtungen oder Anlagen" zur Verfügung. Er halte sich dort jeweils nur einige Stunden auf, Beginn und Ende der Lotsungen seien örtlich nicht vorhersehbar.
In seinem Arbeitszimmer unterliege der Lotse dagegen mit Ausnahme seines Einsatzes ständiger Rufbereitschaft. Diese umfasse 2/3 seiner Dienstzeit und setzte einen festen Abrufpunkt voraus. Hier bereite er Informationen auf, plane die einzelnen Lotsungen und arbeite sie auf, warte technische Geräte und erledige schriftliche Arbeiten. Dort befänden sich auch die berufsspezifischen Unterlagen (etwa See- und Peilkarten). Von diesem Arbeitszimmer begebe sich der Kläger jeweils zu seinen Einsatzorten. Es handele sich daher um seine (einzige) Betriebsstätte.
Im übrigen sei der Betriebsstättenbegriff für die streitige Frage, ob der Kläger Verpflegungsmehraufwand geltend machen könne, nicht bedeutsam. Gemäß § 4 Abs. 4 EStG sei entscheidend, ob der Aufwand betrieblich veranlaßt sei. Der Kläger könne nicht vorherbestimmen, wann und wohin er jeweils abgerufen werde, die Lotsenstation sei dabei lediglich die vermittelnde Zentrale. Er könne daher auch keine Vorsorge für kostengünstige Mahlzeiten treffen. Auch zu Hause könne er seine Mahlzeiten nicht immer einnehmen und sei dann darauf angewiesen, sich unterwegs zu verpflegen. Dies bedinge erhöhten Verpflegungsaufwand, der nach wie vor geltend gemacht werde.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als weitere Betriebsausgaben in Höhe von ... DM nicht anerkannt worden sind, und die Steuer entsprechend festzusetzen.
Das FA beantragt, im wesentlichen unter Berufung auf die Vorentscheidung, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Im Streitfall seien die Grundsätze über die Behandlung der Fahrten zwischen Wohnung und wechselnder Einsatzstelle nicht anwendbar, da die streitigen Fahrten regelmäßig zu einem gleichbleibenden Treffpunkt geführt hätten, von dem aus der Kläger zum jeweiligen Einsatzort weiterbefördert worden sei. Dies entspreche nicht der Einsatzwechseltätigkeit, die begünstigt werden sollte, weil der je weilige Arbeitnehmer sich auf immer neue Arbeitsstätten einzustellen habe und den erhöhten Fahrtkosten nicht durch entsprechende Wohnsitznahme begegnen könne. Bei dieser Regelmäßigkeit der Fahrten komme es nicht auf deren zeitliche Vorhersehbarkeit und auch nicht auf die Ausdehnung des Einzugsbereichs an.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Einkommensteuer niedriger als mit ... DM festgesetzt wurde, und die Klage insoweit abzuweisen.
Der Kläger beantragt seinerseits, die Revision des FA zurückzuweisen. Da das Einsatzgebiet des Klägers von ... bis ... reiche, bestehe nicht die Möglichkeit einer günstigeren Wohnsitznahme. Zudem sei der Kläger auch als Lotse im Hafen von A tätig. Wachdienst in der Lotsenstation habe der Kläger im Streitjahr nur zweimal und im Folgejahr nur einmal verrichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Das FG hat die Fahrtkosten des Klägers nach L zu Recht unbeschränkt als Betriebsausgaben anerkannt.
1. Zutreffend geht das FG zwar davon aus, daß es sich insoweit nicht um Fahrten des Klägers zwischen zwei Betriebsstätten oder zwischen einer Betriebsstätte und einem Ort ohne Betriebsstätte handelte, sondern um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte i. S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG. Diese Beurteilung entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
Die mit der Begrenzung des Fahrtkosten abzuges in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG angestrebte Gleichbehandlung des Werbungskostenabzugs bei Arbeitnehmern und des Betriebsausgabenabzugs bei Selbständigen verlangt eine deutliche Grenzziehung zwischen dem privaten Bereich des Wohnens und dem der beruflichen oder betrieblichen Betätigung. Räumlichkeiten, die -- wie üblicherweise ein häusliches Arbeitszimmer -- nur einen Teil der Wohnung oder des Wohnhauses bilden, also in den Wohnbereich und damit in die private Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden bleiben, können -- ungeachtet ihrer beruflichen oder betrieblichen Nutzung -- somit nicht als Betriebsstätte qualifiziert werden (BFH-Urteile vom 15. Juli 1986 VIII R 134/83, BFHE 147, 169, BStBl II 1986, 744; vom 7. Dezember 1988 X R 15/87, BFHE 155, 353, BStBl II 1989, 421; vom 13. Juli 1989 IV R 55/88, BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; vom 19. September 1990 X R 110/88, BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208, und vom 27. Oktober 1993 I R 99/92, BFH/NV 1994, 701; BFH-Beschluß vom 20. Dezember 1994 I B 102/94, BFH/NV 1995, 870). Im Streitfall ist nach den Feststellungen des FG ein gesonderter betrieblicher Bereich nicht erkennbar. Das Arbeitszimmer im Keller gehört baulich zum Einfamilienhaus und ist vom Wohnbereich umschlossen. An dieser Einbindung seines Arbeitszimmers in den privaten Bereich vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Kläger dort Vor- und Nacharbeiten zu seinen Einsätzen verrichtete, sein Material und seine Ausrüstung aufbewahrte und schriftliche Arbeiten erledigte. Auch die Einhaltung der Rufbereitschaft im Wohnbereich beseitigt nicht dessen privaten Charakter (BFH-Urteil vom 20. März 1992 VI R 10/91, BFHE 168, 85, BStBl II 1992, 835). Die Wohnung war daher Ausgangspunkt und Endpunkt der Fahrten des Klägers nach L, unabhängig davon, welchen Raum er jeweils unmittelbar davor oder danach als ersten aufgesucht hat (Senatsurteile vom 16. Februar 1994 XI R 52/91, BFHE 174, 65, BStBl II 1994, 468, und vom 21. März 1995 XI R 93/94, BFH/NV 1995, 875). Aus dem BFH- Urteil vom 17. Oktober 1990 I R 30/88 (BFH/NV 1991, 730) ergibt sich nichts Abweichendes. Dort war der I. Senat, wie er ausführt, gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die wertende Feststellung des FG gebunden, daß die Wohnung des Klägers (Taxifahrers) seine Betriebsstätte war. Vorliegend hat das FG andere Feststellungen getroffen.
Von seiner Wohnung aus gelangte der Kläger zu seinen jeweiligen Einsatzorten. Dies waren seine Betriebsstätten.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Begriff der Betriebsstätte in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG nicht deckungsgleich mit dem Betriebsstättenbegriff des § 12 AO 1977. Anders als dort ist unter Betriebsstätte die (von der Wohnung getrennte) Beschäftigungsstätte zu verstehen. Gemeint ist der Ort, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen. Eine abgrenzbare Fläche oder Räumlichkeit und eine hierauf bezogene eigene Verfügungsmacht des Steuerpflichtigen ist -- im Unterschied zur Geschäftseinrichtung oder zur Anlage i. S. des § 12 Satz 1 AO 1977 -- nicht erforderlich (BFH-Urteile in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23; vom 19. September 1990 X R 44/89, BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97; vom 18. September 1991 XI R 34/90, BFHE 165, 411, BStBl II 1992, 90, und in BFH/NV 1994, 701). Nach diesen Grundsätzen ist etwa bei einem Schulungsleiter oder Trainer Betriebsstätte der Unterrichts- oder Sportraum, bei einem Händler im Reisegewerbe der Ort, an dem die Leistungen gegenüber dem Kunden erbracht werden (BFH-Urteil in BFHE 165, 411, BStBl II 1992, 90; vom 15. April 1993 IV R 5/92, BFH/NV 1993, 719), bei einem Bezirksschornsteinfeger der Kehrbezirk (BFH-Urteil in BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208). Etwas anderes kann auch nicht für die jeweiligen Einsatzorte des Klägers in seinem Lotsbezirk gelten.
Allerdings ist dem Kläger einzuräumen, daß sich aus § 12 AO 1977 eine andere Definition der Betriebsstätte ergibt. Danach müßte es sich in der Tat um eine feste Geschäftseinrichtung oder -anlage handeln, die der Tätigkeit des Steuerpflichtigen als Unternehmer dient. Für Geschäftseinrichtungen und -anlagen, die dem Unternehmer nicht gehören, ist andererseits zu verlangen, daß er eine gewisse, nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über sie besitzt.
Die im Streitfall einschlägige Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG hat wegen ihres besonderen Zwecks jedoch einen anderen Inhalt. Die Regelung geht auf das Steueränderungsgesetz vom 23. Dezember 1966 (BGBl I 1966, 702, BStBl I 1967, 2) zurück, das die für den Werbungskostenabzug bei Arbeitnehmern maßgebende Kilometerpauschale auch auf den Bereich der Gewinneinkünfte erstreckte. Aufwendungen von Gewerbetreibenden und Freiberuflern für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb werden seither in gleichem Umfang wie entsprechende Aufwendungen von Arbeitnehmern berücksichtigt. Dieser Regelungszweck, der auch in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG zum Ausdruck kommt, ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG durchweg zu berücksichtigen (BFH- Urteil vom 31. Mai 1978 I R 69/76, BFHE 125, 381, BStBl II 1978, 564). Verfügt ein im Wege eines Dienstvertrags beschäftigter Unternehmer nicht über eine eigene Betriebsstätte, muß daher der Ort, an dem er die geschuldete Leistung zu erbringen hat, als seine Betriebsstätte angesehen werden.
Eine modifizierte Anwendung des sonst in § 12 AO 1977 definierten Betriebsstättenbegriffs im Rahmen von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist der Rechtsprechung nicht verwehrt. Zwar soll die Definition der Betriebsstätte in der AO 1977 allen in Betracht kommenden Steuern Rechnung tragen und sollen ergänzende Vorschriften in den betreffenden Einzelsteuergesetzen geregelt werden (BTDrucks VI/1982 S. 103). Für die Auslegung des § 12 AO 1977 ist wie für die Auslegung anderer Gesetzesvorschriften jedoch dessen objektiver Inhalt ausschlaggebend. Der Wortlaut des § 12 AO 1977 ergibt nicht, daß von ihm nur aufgrund einer ausdrücklichen Regelung in einem Einzelsteuergesetz abgewichen werden darf (BFH-Urteil in BFHE 157, 562, BStBl II 1990, 23).
2. Gleichwohl hat das FG die Fahrtkosten des Klägers unter Hinweis auf seine wechselnden Einsatzstellen zu Recht in vollem Umfang anerkannt.
Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung von Werbungskosten- und Betriebsausgabenabzug ist es geboten, die von der Rechtsprechung für den Fahrtkostenabzug von Arbeitnehmern mit ständig wechselnden Einsatzstellen entwickelten Grundsätze auch auf den Regelungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu übertragen und Fahrtkosten ausnahmsweise zum uneingeschränkten Betriebsausgabenabzug zuzulassen, soweit sie zwischen Wohnung und ständig wechselnden Beschäftigungsstätten angefallen sind (BFH-Urteile vom 5. November 1987 IV R 180/85, BFHE 151, 413, BStBl II 1988, 334; in BFHE 162, 77, BStBl II 1991, 97; in BFHE 165, 411, BStBl II 1992, 90, und in BFH/NV 1993, 719).
Maßgebend für die von Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abweichende Behandlung der Fahrten zu wechselnden Einsatzstellen ist vornehmlich der Umstand, daß der Steuerpflichtige -- wie bei Dienstreisen -- nicht laufend zur gleichen Arbeitsstätte fährt und deshalb nicht die Möglichkeit hat, durch eine entsprechende Wohnsitznahme vorzusorgen und dadurch selbst die Höhe seiner Fahrtaufwendungen zu bestimmen (BFH-Urteile vom 31. Oktober 1973 VI R 98/73, BFHE 111, 76, BStBl II 1974, 258; vom 11. Juli 1980 VI R 198/77, BFHE 131, 64, BStBl II 1980, 654; vom 20. November 1987 VI R 6/86, BFHE 152, 232, BStBl II 1988, 443). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor; der Bereich der von der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG erfaßten Fahrten wird daher verlassen.
Wie sich aus den vorliegenden Aufstellungen und Kartenausschnitten ergibt, erstreckt sich der Einsatzbereich des Klägers (ohne Beschränkung auf das eigentliche Lotsrevier) über eine Länge von mehr als 200 km. Innerhalb dieses Bereichs war der Kläger im Streitjahr an insgesamt 271 (also mehrfach auch täglich) unterschiedlichen Einsatzorten tätig. Selbst wenn die streitigen Einsätze des Klägers, die von L aus erfolgten, überwiegend im Bereich um L erfolgt sein sollten, handelte es sich nach den Feststellungen der Vorinstanz auch insoweit um jeweils unterschiedliche Einsatzstellen. Auch dieser Bereich erfüllt daher, wie das FG zu Recht ausführt, nicht die Voraussetzungen für die Annahme einer großräumigen Beschäftigungsstelle als zwar größerer, aber räumlich zusammenhängender Bereich (BFH-Urteile vom 5. Mai 1994 VI R 6/92, BFHE 174, 169, BStBl II 1994, 534, und vom 4. August 1994 VI R 92/93, BFH/NV 1995, 27). Besondere Bedeutung mißt der Senat zudem dem Umstand zu, daß die jeweiligen Einsatzorte weder zeitlich noch räumlich der Bestimmung des Klägers unterlagen. Sie ergaben sich vielmehr erst durch die Auftragserteilung von dritter Seite unmittelbar vor dem jeweiligen Einsatz. Daher kann nicht entscheidend sein, daß an 127 Tagen des Streitjahres L Zwischenstation des Klägers auf seinem Weg zu den unterschiedlichen Einsatzorten war. Insoweit mußte sich der Kläger zwar nicht auf jeweils neue Fahrwege einrichten. Wegen der Ausdehnung seines Einsatzraumes insgesamt und der nicht unerheblichen Anzahl abweichender Zugangswege hätte er seine Fahrtkosten aber nicht durch entsprechende Wohnsitznahme zu beeinflussen vermocht.
Im übrigen erstreckte sich der Weg nach L über eine Entfernung von mehr als etwa 20 km (BFH-Urteil in BFHE 152, 232, BStBl II 1988, 443).
III. Die Revision des Klägers ist ebenfalls nicht begründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger den die bereits gewährte Pauschale für Einsatzwechseltätigkeit übersteigenden Verpflegungsmehraufwand nicht geltend machen kann.
Dessen Anerkennung würde voraussetzen, daß der Kläger Geschäftsreisen unternommen hat. Dies sind Reisen eines Steuerpflichtigen von einem Ort, an dem sich seine Betriebsstätte als Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit befindet, an einen anderen Ort ohne Betriebsstätte (BFH-Urteile in BFHE 162, 82, BStBl II 1991, 208; in BFHE 165, 411, BStBl II 1992, 90, und in BFH/NV 1994, 701). Wie oben zu II.1. ausgeführt, liegen diese Voraussetzungen im Streitfall nicht vor. Die jeweiligen Fahrten des Klägers zur Lotsenstation und weiter zu seinen Einsatzorten stellten Fahrten zwischen Wohnung und jeweiliger wechselnder Betriebsstätte dar.
Fundstellen