Leitsatz (amtlich)

Haben Gesellschafter für den Ersterwerb der Gesellschaftsrechte anläßlich einer Gesellschaftsgründung eine Firma als Sacheinlage eingebracht, so ist bei der Berechnung des Wertes der Sacheinlage als Gegenleistung für den Erwerb der Gesellschaftsrechte auch der Geschäftswert (Firmenwert, good will) zu berücksichtigen. Zur Ermittlung des Geschäftswertes ist die indirekte Methode über den Ertragswert des Unternehmens anwendbar. Sie wird dem Einzelfall aber nur dann gerecht, wenn der zutreffende Kapitalisierungszinsfuß angesetzt wird.

 

Normenkette

KVStG i.d.F. vom 22. September 1955 § 2 Nrn. 1, 3 Buchst. b, § 8 Nr. 1 Buchst. b

 

Tatbestand

Die Eheleute X waren je zur Hälfte am Geschäftsvermögen der Firma "Ingenieur-Büro X" beteiligt gewesen. Ende Janaur 1956 gründeten sie die "Ingenieurbüro X GmbH" (Klägerin). Zweck der Gesellschaft sollte neben wärmewirtschaftlicher Beratung im Ofenbau und ähnlichem "insbesondere die Fortführung des bisher unter der Firma 'Ingenieur-Büro X' betriebenen Unternehmens" sein. Zur Deckung des Stammkapitals brachten die Eheleute das bisherige Unternehmen mit allen Aktiven und Passiven ein.

Das FA hatte zunächst nur gemäß § 2 Nr. 1 KVStG in der Fassung vom 22. September 1955 für den Erwerb der GmbH-Anteile Gesellschaftsteuer festgesetzt. Auf Grund einer Kapitalverkehrsteuerprüfung hat das FA zusätzlich die streitige Gesellschaftsteuer verlangt. Es nahm an, in die GmbH seien auch die immateriellen Werte (Fortführung des Firmennamens, Übernahme des Kundenstammes, eingearbeitetes Personal, Vertreterstab etc.) als Sacheinlage eingebracht worden und unterlägen auch nach § 2 Nr. 1 KVStG der Gesellschaftsteuer. Zur Steuerberechnung gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG hat das FA die durchschnittlichen Erlöse dreier Jahre der früheren Firma ermittelt. Den Firmenwert hat das FA unter Berufung auf Verwaltungsübung und Rechtsprechung in Höhe von 10 % des Durchschnittsjahreserlöses angenommen und davon Gesellschaftsteuer verlangt.

Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.

Das FG hat in dem Einbringen der immateriellen Werte freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG gesehen. Es hat ausgeführt, auch immaterielle Werte, vor allem der Firmenwert oder good will, könnten freiwillige Leistungen sein. Dieser vom BFH im Urteil II 105/51 U vom 26. März 1952 (BFH 56, 356, BStBl III 1952, 139) vertretenen Auffassung schließe es sich an. Der unstreitig vorhanden gewesene Firmenwert sei durch Einbringen des früheren Unternehmens in die GmbH mit übergegangen. Die Folge davon sei, daß nach § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG der Wert der Gegenleistung nach dem Grundsatz der Gesamtbewertung nach § 2 BewG zu ermitteln sei. Die Wertermittlung des FA sei nicht zu beanstanden. Der Geschäftswert, zu dem das FA gekommen sei, erscheine im Hinblick auf die erhebliche Umsatz- und Gewinnsteigerung im ersten Jahr nach der Gründung eher zu niedrig als zu hoch. § 217 Abs. 1 AO biete dem FA die Möglichkeit, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen; wie § 217 Abs. 1 Satz 2 AO vorschreibe, habe das FA alle für die Schätzung bedeutsamen Umstände berücksichtigt.

Die Revision rügt unrichtige Rechtsanwendung. Sie meint, für einen immateriellen Gegenstand, der in der Eröffnungsbilanz nicht bilanziert sei - der nach Handelsrecht nicht einmal bilanzierungsfähig sei, § 133 Nr. 5 AktG 1937 und § 42 GmbHG -, für den weder Einkommen- und Gewerbesteuer noch Umsatz- oder Vermögensteuer anfalle, könne keine Gesellschaftsteuerpflicht entstehen. Die Rechtsprechung des BFH von 1952 bedürfe heute der Nachprüfung, da ein "Extra-Weg", wie Friedrich in Steuer und Wirtschaft 1957 S. 434 es nenne, und ein Alleingang des Kapitalverkehrsteuerrechts im Gegensatz zum geltenden Recht nicht Rechtens sein könne. Wenn der Gesetzgeber die gesellschaftsteuerrechtliche Besteuerung des good will beabsichtigt hätte, würde er ihn spätestens bei der Neufassung des § 2 Nr. 3 Buchst. b im KVStG 1959 besonders aufgeführt haben. In der Überlassung des angeblichen good will liege auch keine freiwillige Leistung. Die Leistung sei, wenn überhaupt, erfolgt, weil sich aus dem Gründungsakt die vertragliche Verpflichtung ergebe, alle Aktiven zu übertragen. Der originäre Firmenwert dürfe im Zuge eines Gründungsoder Umwandlungsvorganges solange nicht bemessen werden, als das Handelsrecht seine Aktivierung verbiete und das Ertrag- und Vermögensteuerrecht ihn steuerfrei lasse.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache.

1. Die streitige Steuer fällt nicht, wie das FG meint, gemäß § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG an. Die Revision hat insoweit recht: Das mit dem Einbringen der früheren Firma in die GmbH verbundene Einbringen des Geschäftswertes (Firmenwert, good will) ist keine freiwillige Leistung eines Gesellschafters im Sinne dieser Vorschrift.

Die Gesellschaftsteuerpflicht folgt auf § 2 Nr. 1 KVStG. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Erwerb von Gesellschaftsrechten an einer inländischen Kapitalgesellschaft durch den ersten Erwerber der Gesellschaftsteuer. Besteht die Gegenleistung dessen, der die Gesellschaftsrechte erwirbt, nicht in Geld, sondern in Sacheinlagen, wird die Steuer vom Wert dieser Gegenleistung berechnet, § 8 Nr. 1 Buchst. b KVStG.

Für den Erwerb der Gesellschaftsrechte anläßlich der GmbH-Gründung haben die Eheleute X ihre ehemalige Firma eingebracht, also Sacheinlagen erbracht. In Höhe der ausgewiesenen Stammeinlage ist die Gesellschaftsteuer bereits entrichtet. Der Wert eines wirtschaftlichen Unternehmens ist aber in der Regel nicht mit der Summe der bilanzierten Vermögensgegenstände identisch. In der Mehrzahl der Fälle ist der tatsächliche Wert um die sogenannten immateriellen Werte höher, die z. B. aus Ruf, Werbekraft, Kreditwürdigkeit, Standort, Geschäftsverbindungen, Wettbewerbstellung, Organisation, Geschäftsgeheimnissen, Kundenstamm und Facharbeitern bestehen. Diese Faktoren zusammen genommen bilden den Geschäftswert eines Unternehmens. Er befähigt den Betrieb, nachhaltig einen über der üblichen Verzinsung des Gesamtkapitals liegenden Ertrag zu erzielen. Übernimmt eine Kapitalgesellschaft vollständig ein in Form einer Personengesellschaft oder einer Einzelfirma betriebenes Unternehmen, so übernimmt sie auch den diesem wirtschaftlich selbständigen Organismus anhfaftenden Geschäftswert.

Unstreitig hatte die frühere Firma einen Geschäftswert, der in den Bilanzen allerdings nicht ausgewiesen werden konnte. Zu Unrecht folgert die Revision, ein nicht bilanzierter Geschäftswert könne nicht Gegenstand der Gesellschaftsteuer sein. Im Werte des Geschäftswertes übersteigen die neuerworbenen Gesellschaftsrechte anteilig die bilanzmäßig ausgewiesenen Vermögenswerte, den Nennbetrag des Stammkapitals. Auch ein nicht bilanzierter Geschäftswert ist deshalb von der Rechtsprechung stets als Besteuerungsgrundlage für die Gesellschaftsteuer angenommen worden.

Die Rechtsprechung des BFH im Urteil II 105/51 U aus dem Jahre 1952, deren Nachprüfung die Revision begehrt, ist vom Senat wiederholt bestätigt worden. Das Einbringen eines Geschäftswertes ist stets als eine gesellschaftsteuerpflichtige Leistung gewertet worden, und zwar bei dem ersten Erwerb von Gesellschaftsrechten nach § 2 Nr. 1 KVStG (vgl. die Urteile II 225/56 vom 11. September 1957, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 2 Rechtsspruch 28 = HFR 1961, 201; II 107/60 vom 8. Mai 1963, HFR 1964, 13 = Steuerrechtsprechung in Karteiform, Kapitalverkehrsteuergesetz, § 2 Rechtsspruch 49) und auch bei freiwilligen Gesellschafterleistungen nach § 2 Nr. 3 Buchst. b KVStG (vgl. das Urteil II 165/59 vom 28. November 1962, HFR 1963, 170). Diese Meinung wird auch in der Kommentarliteratur vertreten (vgl. Boruttau-Schadek, Kapitalverkehrsteuer, S. 86; Brönner, Kapitalverkehrsteuergesetz, 1956, S. 118; Egly, Kommentar zum Gesellschaftsteuergesetz, S. 65; Glöggler, Gesellschaftsteuer, 1950, § 8 Anm. 2 d; Kinnebrock, Kapitalverkehrsteuergesetz, 3. Aufl., § 2 III 5). Der Geschäftswert ist als bewertungsfähiges Wirtschaftsgut längst anerkannt worden (vgl. z. B. Gürsching-Stenger, Bewertungsgesetz, § 2 Anm. 2 S. 5). Die Gesellschaftsteuer geht also auch keine Extra-Wege, wie die Revision im Hinblick auf Friedrich in Steuer und Wirtschaft 1957 Spalte 434 meint.

2. Die Sache mußte zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden, weil das FG die Methode, mit der das FA den Geschäftswert geschätzt hat, zu Unrecht gebilligt hat. Die gebräuchliche Faustregel, deren sich das FA bedient hat, indem es 10 v. H. des durchschnittlichen Erlöses als Geschäftswert annahm, ist ungeeignet, den Geschäftswert annähernd zu ermitteln (vgl. Urteile des BFH II 76/60 vom 10. Juli 1963, HFR 1963, 433; II 107/60 a. a. O.). Inzwischen haben mehrere Senate des BFH die über den Gesamtwert des Unternehmens führende indirekte Methode zur Schätzung des Geschäftswertes (vgl. Leissle in Steuer und Wirtschaft 1953 S. 641, besonders 651) als Berechnungsart für geeignet gehalten (vgl. Urteile I 229/59 U vom 11. Oktober 1960, BFH 71, 695, BStBl III 1960, 509; II 107/60 a. a. O.; III 342/61 U vom 19. Februar 1965, BFH 82, 1, BStBl III 1965, 248). Diese Methode geht vom Ertragswert des Unternehmens aus, subtrahiert den Wert des buchmäßigen Betriebsvermögens und kommt nach einem 50 %igen Risikoabschlag zum Geschäftswert. Der Ertragswert eines Unternehmens wird durch die Kapitalisierung der geschätzten Reinerträge ermittelt. Die Formel lautet:

Ertragswert = Ertrag x 100/Zinsfuß

(vgl. auch Gablers Wirtschaftslexikon, Stichwort Ertragswert). Der Senat hält diese Methode für anwendbar. Sie kann aber nur dann dem Einzelfall gerecht werden und ein annähernd richtiges Ergebnis zeitigen, wenn der zutreffende Kapitalisierungszinsfuß angesetzt wird.

In dem streitigen Ingenieurbetrieb steht weniger die Nutzung des eingesetzten Kapitals im Vordergrund als vielmhr die geistige Leistung des Ingenieurs. Welcher Zinsfuß für so gelagerte Betriebe branchenüblich ist, wird das FG in ihm geeignet erscheinender Weise festzustellen haben. Dabei erscheint besondere Vorsicht angebracht.

 

Fundstellen

Haufe-Index 412823

BStBl II 1968, 233

BFHE 1968, 127

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