Entscheidungsstichwort (Thema)
Unangemessene Benachteiligung bei Verkürzung der Verjährungsfrist durch AGB
Leitsatz (amtlich)
Eine vom Auftraggeber in einem Bauvertrag gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung, mit der die Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch des Auftragnehmers auf zwei Jahre abgekürzt wird, ist unwirksam, weil sie den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
Normenkette
BGB §§ 195, 307
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 11.11.2011; Aktenzeichen 50 S 72/10) |
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 25.02.2010; Aktenzeichen 10 C 147/09) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der Zivilkammer 50 des LG Berlin in Berlin-Mitte vom 11.11.2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Restvergütung aus einem Werkvertrag vom 9.11.2004 über die Ausführung von Elektroarbeiten an einem Bauvorhaben in B., den die Rechtsvorgänger der Parteien (im Folgenden: Klägerin und Beklagte) geschlossen haben. Die VOB/B und C in den seinerzeit gültigen Fassungen sind Vertragsbestandteil.
Rz. 2
Teil B Ziffer VIII 4 des Vertrags lautet:
"Die Gewährleistungsfrist beträgt abweichend von § 13 Nr. 4 VOB 5 Jahre; ansonsten verbleibt es bei den Regelungen der VOB."
Rz. 3
Teil B Ziff. IX des Vertrags lautet:
"1.) Die Ansprüche des AN auf Werklohn verjähren in zwei Jahren."
Rz. 4
Bei diesen beiden Bestimmungen handelt es sich um von der Beklagten gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Rz. 5
Mit ihrer bei Gericht am 18.6.2009 eingegangenen Klage, die der Beklagten am 4.8.2009 zugestellt worden ist, verlangt die Klägerin den Betrag von 2.041,20 EUR nebst Zinsen.
Rz. 6
Die Beklagte hat vorsorglich gegenüber der Restvergütungsforderung der Klägerin mit einem Schadensersatzanspruch i.H.v. 2.041,20 EUR aufgerechnet und die Einrede der Verjährung erhoben.
Rz. 7
Das AG hat die Restvergütungsklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil zurückgewiesen.
Rz. 8
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Restvergütungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Rz. 10
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Verkürzung der Verjährungsfrist für Werklohnforderungen auf zwei Jahre in der AGB-Klausel in Ziff. IX des Werkvertrags begegne keinen Bedenken.
Rz. 11
Damit habe die Frist für die Verjährung der in der Schlussrechnung vom 1.6.2006 geltend gemachten Vergütungsforderung gem. § 199 Abs. 1 BGB spätestens am 1.1.2007 zu laufen begonnen. Infolge der Hemmung durch die nachfolgenden Verhandlungen der Parteien bis zum 5.3.2007 habe die Verjährungsfrist faktisch erst am 6.3.2007 zu laufen begonnen. Die Verjährung sei am 6.3.2009 eingetreten. Die am 18.6.2009 bei dem AG eingegangene Klage sei daher nicht mehr geeignet gewesen, die am 6.3.2009 eingetretene Verjährung zu hemmen.
II.
Rz. 12
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts benachteiligt die Verkürzung der Verjährungsfrist für den Werklohnanspruch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers den Auftragnehmer unangemessen, denn sie verstößt gegen das gesetzliche Leitbild des § 195 BGB und es sind keine Interessen des Auftraggebers erkennbar, die eine derartige Verkürzung rechtfertigen könnten (vgl. OLG München NJW-RR 2008, 1233, 1234; Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 202 Rz. 13; Erman/J. Schmidt-Räntsch, BGB, 13. Aufl., § 202 Rz. 13; Grothe in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 202 Rz. 10).
Rz. 13
Darauf kommt es indessen für die Entscheidung des Senats nicht an, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat. Der Schuldner kann durch einseitige Erklärung auf die Einrede der Verjährung unabhängig von deren Eintritt auch noch in der Revisionsinstanz verzichten (BGH, Urt. v. 15.4.2010 - III ZR 196/09, BGHZ 185, 185 Rz. 17).
III.
Rz. 14
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen zur Berechtigung des Restvergütungsanspruchs sowie zur Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch getroffen hat. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 3545844 |
DB 2013, 59 |