Leitsatz (amtlich)
Die in GmbHG § 11 Abs 2 bestimmte Haftung dessen, der für eine noch nicht im Handelsregister eingetragene GmbH handelt, greift nicht ein, solange nicht der Gesellschaftsvertrag oder die Errichtungserklärung des einzigen Gesellschafters notariell beurkundet worden ist; die bisherige Rechtsprechung, die Handlungshaftung könne auch schon im Vorgründungsstadium entstehen, wird aufgegeben.
Orientierungssatz
(Zitierungen; Haftung des Handelnden nach Errichtungserklärung und vor Errichtungserklärung)
1. Aufgabe BGH, 1962-03-15, II ZR 103/61, LM Nr 11 zu § 11 GmbHG; Aufgabe BGH, 1979-10-08, II ZR 165/77, LM Nr 25 zu § 11 GmbHG; Aufgabe BGH, 1981-10-26, II ZR 31/81, LM Nr 30 zu § 11 GmbHG.
2. Für die Anwendung des GmbHG § 11 Abs 2 auf die Einmann-GmbH in Gründung ist die notarielle Errichtungserklärung derjenige Anknüpfungspunkt, der bei einer Gründung durch mehrere Personen dem notariellen Gesellschaftsvertrag entspricht.
3. Hat der Geschäftsführer einer GmbH im Vorgründungsstadium namens der GmbH in Gründung gehandelt, die zwar nicht existent ist, wohl aber der Träger des Handelsgeschäfts, mit dem der Vertragspartner den Vertrag schließen wollt, dann haftet bei bestehender Vertretungsmacht der Träger des Handelsgeschäfts und nicht – wegen der bloßen Fehlbezeichnung – der handelnde Vertreter gemäß BGB § 179.
Tenor
Auf die Revision des Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Oktober 1983 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin hat im Mai 1981 dem von dem Kaufmann M in D, A-Straße betriebenen Warenhaus 10.000 T-Shirts geliefert und dafür der M Warenhaus GmbH i.G. 33.900 DM in Rechnung gestellt. Versuche, M zur Zahlung zu veranlassen, blieben erfolglos; im Oktober 1981 wurde über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Die Klägerin nimmt nunmehr den Beklagten wegen eines Teilbetrages in Anspruch. Der Beklagte hatte den der Klägerin erteilten Auftrag unterzeichnet und dazu einen Stempel verwendet, der hinter der Firmenbezeichnung „M Warenhaus GmbH” den Zusatz „i.G.” enthielt. Die Klägerin ist der Ansicht, der Beklagte hafte ihr gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG.
Der Beklagte hat es abgelehnt zu zahlen. Er behauptet, er habe erst nach Eintragung der GmbH ins Handelsregister Geschäftsführer werden sollen und den Auftrag nur als Angestellter und Vertreter von M unterzeichnet. Dementsprechend habe die Klägerin zunächst auch versucht, das Geschäft mit M abzuwickeln. Dieser habe den Plan, die GmbH zu errichten, aufgegeben, als er, der Beklagte, ihm am 6. Juni 1981 eröffnet habe, Konkurs anmelden zu müssen. M habe ihn fristlos entlassen, den Antrag, die GmbH einzutragen, zurückgezogen und ab 9. Juni 1981 wieder unter der Firma Kaufhaus W M gehandelt.
Das Land- und das Oberlandesgericht haben den Beklagten verurteilt, 5.424 DM und Zinsen zu zahlen. Mit der (vom Berufungsgericht zugelassenen) Revision, die die Klägerin zurückzuweisen beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter, die Klage abzuweisen. Die Klägerin möchte mit der Anschlußrevision höhere Zinsen durchsetzen, die ihr das Berufungsgericht aberkannt hatte.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Nach den rechtlich nicht angreifbaren Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte, als er der Klägerin den Auftrag erteilte, nicht im Namen des Kaufmanns M persönlich, sondern als Geschäftsführer im Namen der „M Warenhaus GmbH i.G.” gehandelt. Eine solche Gesellschaft ist niemals im Handelsregister eingetragen worden. Er haftet daher gemäß § 11 Abs. 2 GmbHG auf den Kaufpreis ohne weiteres, wenn, was das Berufungsgericht als möglich unterstellt hat, vor Abschluß des Kaufvertrages mehrere Personen einen entsprechenden Gesellschaftsvertrag abgeschlossen hätten (§ 2 GmbHG) und deshalb eine im Rechtsverkehr handlungsfähige GmbH-Vorgesellschaft bestanden haben sollte. Nach dem Parteivortrag, insbesondere des Beklagten, liegt es allerdings näher anzunehmen, daß der Kaufmann M, bevor der Beklagte die Ware bestellte, durch einseitige notarielle Erklärung eine Einmann-GmbH errichtet (§§ 1 n.F., 2 Abs. 1 GmbHG), zum Handelsregister angemeldet und den Beklagten zu deren Geschäftsführer bestellt hat. Dann greift aber § 11 Abs. 2 GmbHG ebenfalls zu Lasten des Beklagten ein (K. Schmidt, ZHR 145 (1981), S. 561; Scholz-Winter, GmbHG 6. Aufl. § 1 n.F. Anm. 44; Ulmer, BB 1980, 1004). Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich des § 11 Abs. 2 insoweit nicht eingeschränkt, als er die Gründung der GmbH durch eine einzige Person zugelassen hat. Dann ist aber für die Anwendung der Vorschrift die notarielle Errichtungserklärung derjenige Anknüpfungspunkt, der bei einer Gründung durch mehrere Personen dem notariellen Gesellschaftsvertrag entspricht.
2. Das Berufungsgericht hat es aber auch für möglich gehalten, daß M weder allein noch zusammen mit anderen Personen jemals Gründungserklärungen abgegeben hat; das ändere aber nichts daran, daß § 11 Abs. 2 GmbHG zu Lasten des Beklagten anzuwenden sei, denn das Handeln im Namen einer GmbH löse die Haftung des Handelnden auch aus, wenn die Gesellschaft noch nicht gegründet worden sei.
Diese Ansicht, nach der jene Vorschrift unter Umständen schon im Vorgründungsstadium eingreifen kann, entspricht der bisherigen Rechtsprechung – auch des erkennenden Senats –, sofern „im maßgebenden Zeitpunkt greifbare Ansätze zu einer GmbH-Gründung vorhanden und die Verhandlungen hierüber soweit gediehen seien, daß feststehe, für wen der Handelnde auftreten wolle” (SenUrt. v. 15.3.62, II ZR 103/61 = LM GmbHG § 11 Nr. 11; Urt. v. 8.10.79, II ZR 165/77 = LM GmbHG § 11 Nr. 25; Urt. v. 26.10.81, II ZR 31/81 = LM GmbHG § 11 Nr. 30). Sie ist aber unter anderen rechtlichen Voraussetzungen entwickelt worden, als sie heute gegeben sind. Das Reichsgericht hat trotz beachtlicher Gegenstimmen im Jahre 1928 erstmals in diesem Sinne entschieden und das damit begründet, der erkennbare Wille des Gesetzgebers gebe für einen Haftungsbeginn erst nach Abschluß des Gesellschaftsvertrages nichts her, und das Bedürfnis, Dritte schon im Anfangsstadium einer sich anbahnenden Gesellschaftsgründung zu schützen, müsse anerkannt werden; das Gegenteil sei umso weniger einzusehen, als das rechtliche Handeln der GmbH erst mit ihrer Eintragung beginne, während die bürgerlich-rechtliche Gründungsgesellschaft nur zu Bindungen der Gesellschafter untereinander führe und bis zur Eintragung unverändert so fortbestehe, so daß es willkürlich wäre, die Haftung des im Namen einer GmbH Handelnden vom Abschluß des gültigen Gesellschaftsvertrages abhängig zu machen (RGZ 122, 172, 174). Diese Begründung trägt das Ergebnis nicht mehr, nachdem sich in jahrelanger allmählicher Entwicklung im Schrifttum und in der Rechtsprechung die Auffassung durchgesetzt hat, daß sich die Rechtslage nach der notariellen Gesellschaftsgründung von dem vorher bestehenden Rechtszustand grundlegend unterscheidet. Heute ist allgemein anerkannt, daß mit Abschluß des notariellen Gesellschaftsvertrages eine Vorgesellschaft entsteht, die bereits weitgehend dem GmbH-Recht untersteht, als Träger von Rechten und Pflichten nach außen hin im Rechtsverkehr auftreten kann und mit der Eintragung im Handelsregister ohne weiteres mit allen Rechten und Verbindlichkeiten in der dann rechtlich entstehenden GmbH aufgeht (BGHZ 80, 129). Vor Abschluß des Gründungsvertrages ist das anders. Eine dann schon bestehende, die spätere GmbH-Tätigkeit vorbereitende Personenvereinigung hat mit der in Aussicht genommenen GmbH im Rechtssinne noch nichts zu tun. Es handelt sich um eine eigenständige Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder, wenn bereits ein Handelsgeschäft betrieben wird, um eine offene Handelsgesellschaft, für deren Schulden alle Beteiligten unbeschränkt persönlich haften; Rechte und Verbindlichkeiten gehen, da GmbH-Recht noch nicht gilt, mit der GmbH-Gründung nicht automatisch auf die Vorgesellschaft oder später auf die GmbH über, sondern müssen, wenn sie in die GmbH eingebracht werden sollen, durch besonderes Rechtsgeschäft übertragen werden (BGHZ 22, 240; SenUrt. v. 20.6.83, II ZR 200/82 = WM 1983, 861; Urt. v. 26.10.81, II ZR 31/81 = LM GmbHG § 11 Nr. 30; Scholz-Winter, GmbHG 6. Aufl. § 2 Anm. 67; Ulmer in Hachenburg, GmbHG 7. Aufl. § 11 Rdn. 19 m.w.N.). Daraus wird deutlich, daß nach heutiger Sicht zwischen der Vorgründungs- Gesellschaft und der Vor-GmbH keine Kontinuität besteht und auch das GmbH-Recht auf die Zeit vor dem Gründungsvertrag nicht übergreift. Damit ist der Begründung des Reichsgerichts, daß für eine unterschiedliche Anwendung des § 11 Abs. 2 kein Grund ersichtlich sei, der Boden entzogen. Es ist vom Standpunkt der heutigen rechtlichen Beurteilung umgekehrt: Die Ausdehnung der GmbH-rechtlichen Vorschrift des § 11 Abs. 2 über den eigentlichen Anwendungsbereich des Rechts der Gesellschaft mit beschränkter Haftung müßte durch überzeugende Gründe nachgewiesen werden. Diese lassen sich nicht finden. Solange eine Person im Namen einer GmbH oder einer GmbH in Gründung auftritt, bevor ein Gesellschaftsvertrag abgeschlossen worden ist, solange handelt es sich um einen der im Geschäftsleben in vielfältiger Weise vorkommenden und keineswegs ungewöhnlichen Fälle, in denen der Rechtsträger des Unternehmens, für das gehandelt wird, falsch bezeichnet wird. Fälle dieser Art werden allgemein so gelöst, daß der wahre Rechtsträger aus dem (betriebsbezogenen) Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet wird, falls der Handelnde bevollmächtigt war (BGHZ 62, 216 m.w.N.), oder daß dieser selbst nach § 179 BGB haftet, wenn er keine Vollmacht besaß oder der Rechtsträger nicht existiert. Da beim Abschluß im Namen einer GmbH oder GmbH i.G. mit Vertretungsmacht die Vorgründungsgesellschaft verpflichtet wird und ihre Gesellschafter unbeschränkt haften, gibt es keinen Grund, hier eine besondere Ausnahme von anderen Fällen zu machen und die Haftung des Handelnden anders zu regeln, als es bei einer sonstigen Fehlbezeichnung geschehen würde; ebensowenig besteht beim Handeln ohne Vertretungsmacht ein Bedürfnis, die Haftung gegenüber der des § 179 BGB zu verschärfen. Dagegen hat die strenge Haftung des § 11 Abs. 2 GmbHG im eigentlichen Gründungsstadium angesichts der nur beschränkten Haftung der Gesellschafter (eingehend SenUrt. v. 29.5.80, II ZR 225/78 = WM 1980, 955, 956; BGHZ 80, 129, 144 m.Anm. Fleck, LM GmbHG § 11 Nr. 30 a; Ulmer ZGR 1981, 593, 608 ff. m.w.N.; dagegen ein Teil des Schrifttums, – u.a. Flume, NJW 1981, 1753; John, BB 1982, 505; K. Schmidt NJW 1981, 1345, 1347 m.w.N.) die allein hier in Betracht kommende Funktion, die unbeschränkte Haftung wenigstens einer verantwortlichen Person zu begründen und damit auszugleichen, daß die (begrenzte) Kapitalgrundlage der Gesellschaft noch nicht im gleichen Maße wie bei der eingetragenen GmbH gerichtlich kontrolliert, bekannt gemacht und durch zwingende Schutzvorschriften gesichert ist (BGHZ 80, 129, 133; 80, 182, 184). Die Rechtsprechung, wonach § 11 Abs. 2 GmbHG auch vor Gründung der GmbH anzuwenden sei, muß daher, wie teilweise im Schrifttum gefordert worden ist (K. Schmidt, Zur Stellung der oHG im System der Handelsgesellschaften, 1972 S. 264 ff.; Ulmer, GmbHG 7. Aufl. § 11 Rdn. 20 sowie schon Hachenburg und Schilling in den Vorauflagen), aufgegeben werden. Für die Einmanngesellschaft beginnt die Handlungshaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG dementsprechend ebenfalls nicht, ehe nicht der Notar die Errichtungserklärung nach §§ 1, 2 Abs. 1 GmbHG beurkundet hat.
3. Da das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht festgestellt hat, ob die M Warenhaus GmbH notariell gegründet worden war, muß der Sachverhalt in diesem Punkte noch geklärt werden. War sie bei Auftragserteilung errichtet, bleibt es bei der Verurteilung, weil dann der Beklagte als verantwortlicher Geschäftsführer gehandelt hat. War das nicht der Fall, ist er als bloßer Handlungsbevollmächtigter des Kaufmanns M, des wahren Unternehmensträgers, nicht selbst verpflichtet worden (§ 164 Abs. 1 BGB). Wegen der bloßen Fehlbezeichnung kommt dann eine Haftung des Beklagten auch nach § 179 BGB nicht in Betracht. Die benannte GmbH i.G. existiert zwar nicht, wohl aber der als Vertragspartner der Klägerin gewollte Träger des Handelsgeschäfts. Auf Fälle dieser Art, den § 179 BGB auszudehnen und damit dem Gläubiger einen zusätzlichen Schuldner zum Geschäftsinhaber zu geben, besteht kein Grund, zumal sich ein Gläubiger von einer GmbH-Vorgesellschaft in der Regel keine günstigere Haftungsgrundlage versprechen kann als von den Personen, die sie angeblich errichtet haben. Der seltene Sonderfall, daß der Geschäftsführer erkennbar nur die GmbH nach ihrer Entstehung verpflichten wollte, liegt nicht vor. Dies hätte einwandfrei zum Ausdruck kommen müssen, die Bezeichnung „GmbH” hätte dafür keineswegs genügt.
Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben und die Sache im zweiten Rechtszuge – gegebenenfalls auch über den mit der Anschlußrevision geltend gemachten weiteren Zinsanspruch – erneut verhandelt werden.
Fundstellen
BGHZ, 148 |
ZIP 1984, 950 |
DNotZ 1984, 585 |
JZ 1984, 943 |