Leitsatz (amtlich)

Der Grundsatz, daß bei einer Publikums-Kommanditgesellschaft Vereinbarungen der Gründer zu ihren Gunsten gegenüber den anderen Gesellschaftern und der Gesellschaft unwirksam sind, wenn sie sich nicht aus der Vertragsurkunde ergeben, gilt auch dann, wenn die Kapitalanleger nicht unmittelbar, sondern über eine Treuhand-Kommanditgesellschaft beteiligt sind.

 

Tatbestand

Die klagende Kommanditgesellschaft macht einen Einlageanspruch gegen den Beklagten, einen ihrer Kommanditisten, geltend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

In einem „Grundvertrag” vom 15. August 1969 hatten der Kaufmann B., der beratende Betriebswirt W. und der Beklagte die Errichtung einer Textilfabrik in B. und dazu die Gründung einer sog Publikums-Kommanditgesellschaft vereinbart. Das erforderliche Eigenkapital sollten Kommanditisten aufbringen, die B. und W. zu werben hatten (Nr 1). „Das Knowhow” sollte der Beklagte zur Verfügung stellen (Nr 2). Zu seiner Entlastung sollte der Vertrieb für seine eigene Gesellschaft mit dem des neuen Betriebes zusammengelegt und über eine gemeinsame Vertriebsgesellschaft gesteuert werden (Nr 8).

In Durchführung dieses Vertrages gründeten zunächst die B. GmbH und der Beklagte am 19. August 1969 die S. & B. GmbH. Diese als persönlich haftende Gesellschafterin sowie der Beklagte und B. als Kommanditisten errichteten am 25. August 1969 die S. & B. GmbH & Co, Vertriebs-Kommanditgesellschaft („Vertriebsgesellschaft”). Am 1. September 1969 gründeten alsdann diese Vertriebsgesellschaft als persönlich haftende Gesellschafterin sowie wiederum B. und der Beklagte als Kommanditisten die Klägerin. Ihr Zweck ist die Produktion von Textilien.

Die Klägerin verlangt unter Berufung auf § 3 Abs 1 ihres Gesellschaftsvertrages, wonach die Einlagen „in bar erbracht” werden, von dem Beklagten die Zahlung seiner Kommanditeinlage von 250.000 DM. Der Beklagte macht geltend, sie nicht persönlich zu schulden. Er behauptet, zwischen den Gründer-Gesellschaftern habe Einigkeit darüber bestanden, die von der Klägerin benötigten Maschinen nicht unmittelbar vom Hersteller, sondern unter Einschaltung der von B. beherrschten D. GmbH als Zwischenhändlerin zu erwerben, wie es dann auch geschehen sei. B. habe sich von vornherein verpflichtet, den von der D. GmbH aus dem Einkauf und Weiterverkauf dieser Maschinen zu erzielenden Gewinn („Investitionsgewinn”) unter anderem für die Zahlung der von den Gründern geschuldeten Einlagen zu verwenden. Deshalb könne die Klägerin ihn, den Beklagten, nicht in Anspruch nehmen.

Die Vorinstanzen haben die auf Zahlung von 250.000 DM nebst Zinsen gerichtete Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Verurteilung des Beklagten.

Wie keiner weiteren Erörterung bedarf und auch das Berufungsgericht nicht in Zweifel zieht, schuldet der Beklagte nach Wortlaut und objektivem Sinn von § 3 Abs 1 des Gesellschaftsvertrages die Einlage von 250.000 DM persönlich. Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin ihn nur deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil bei Errichtung der Gesellschaft am 1. September 1969 ihre Gründer – der Beklagte, B. und die durch beide vertretene Vertriebsgesellschaft – darüber einig gewesen seien, daß B. die Einlage des Beklagten aus dem „Investitionsgewinn” zahlen werde, der durch die Maschinenkäufe über die D. GmbH erzielt werden sollte, und weil dieser Gewinn unstreitig entstanden sei. Eine dahingehende Vereinbarung ergebe sich aus dem Inhalt des Grundvertrages, aus den Aussagen des Zeugen W. in dem Rechtsstreit der Vertriebsgesellschaft gegen den Beklagten und aus dem Verhalten der Klägerin selbst in den ersten Jahren ihres Bestehens, in denen sie die Einlage von ihm nicht eingefordert habe. Nach diesen Ausführungen haben die Gründer-Gesellschafter den § 3 Abs 1 ihres Vertrages durch eine mündliche Nebenabrede dahin ergänzt, daß der Beklagte die Einlage nicht persönlich zu leisten brauche. Eine solche Nebenabrede ist zwar an sich zulässig. Die Klägerin ist jedoch aus Rechtsgründen an eine solche aus der Vertragsurkunde nicht ersichtliche Vereinbarung nicht gebunden; es braucht deshalb weder auf die gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts gerichteten Revisionsangriffe eingegangen zu werden, noch kommt es darauf an, ob die Verpflichtung B.s überhaupt wirksam ist (vgl das Urteil vom heutigen Tage in der Parallelsache II ZR 106/76).

Die Klägerin ist keine „normale” Kommanditgesellschaft mit geschlossenem Gesellschafterkreis, sondern von ihren Gründern darauf angelegt worden, eine unbestimmte Vielzahl von Kapitalanlegern bei sich aufzunehmen. Das ergibt sich insbesondere aus § 3 Abs 2 und 3 ihres Gesellschaftsvertrages. Danach waren sich die Gründer darüber einig, das Gesellschaftskapital im wesentlichen „von neu hinzutretenden Kommanditisten” aufbringen zu lassen, und sie hatten zu diesem Zweck die persönlich haftende Gesellschafterin „berechtigt und bevollmächtigt …, nach ihrem Ermessen unter Abschluß entsprechender Beitrittsverträge im Namen aller Gesellschafter natürliche oder juristische Personen ihrer Wahl als Kommanditisten in die Gesellschaft aufzunehmen”. Für Publikumsgesellschaften dieser Art hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. März 1976 – II ZR 178/74 (WM 1976, 446 Abschn 3) ausgesprochen, daß grundsätzlich alle Verpflichtungen, die einer solchen Gesellschaft gegenüber Gründergesellschaftern auferlegt werden sollen, in den schriftlichen Gesellschaftsvertrag (oder, was hier außer Betracht bleiben kann, in einen ordnungsgemäß zustande gekommenen und protokollierten Gesellschafterbeschluß) aufgenommen werden müssen, um wirksam zu sein. Für Vereinbarungen, die umgekehrt einen Gründer von einer ihm sonst obliegenden Verpflichtung freistellen sollen, kann nichts anderes gelten. Denn später eintretende Gesellschafter müssen auf den Inhalt der für das Gesellschaftsverhältnis maßgebenden Urkunden auch insoweit vertrauen können, als sich aus ihnen – gegebenenfalls in Verbindung mit der gesetzlichen Regelung – bei objektiver Auslegung Ansprüche gegen die Gründer ergeben, wie hier der Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung seiner Einlage. Wer einer Publikumsgesellschaft beitreten will, ist im allgemeinen außerstande, Erkundigungen über Nebenabreden der Gründer einzuziehen; die nur als Geldanleger geworbenen Gesellschafter pflegen untereinander und zu den eigentlichen Unternehmer-Gesellschaftern in keinen persönlichen oder sonstigen Beziehungen zu stehen, wie es in der „normalen” Kommanditgesellschaft regelmäßig der Fall ist. Ihnen stehen als Erkenntnisquelle für den Inhalt des Gesellschaftsvertrages üblicherweise nur Urkunden zur Verfügung. Umstände, die außerhalb dieser Urkunden liegen, mögen für die Ermittlung des Vertragsinhalts zwar insoweit herangezogen werden können, als sie nach den besonderen Verhältnissen des einzelnen Falles jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Das trifft aber für den vom Berufungsgericht herangezogenen Prozeßstoff, aus dem es eine Gründervereinbarung über den Ausschluß einer persönlichen Leistungspflicht des Beklagten herleitet, gerade nicht zu. Dessen Verwertung läßt sich auch nicht damit rechtfertigen, daß der Klägerin dann – am 19. Dezember 1969 – lediglich die R.-T. KG, Investitions-Kommanditgesellschaft B. GmbH & Co, beigetreten ist. Die R.-T. KG ist ihrerseits eine Publikumsgesellschaft, deren Kommanditeinlage bei der Klägerin bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht 11,5 Mio DM erreicht hatte. Damit unterscheidet sich die Klägerin von anderen Publikumsgesellschaften nur dadurch, daß in ihr die Rechte der einzelnen Anleger nicht von diesen unmittelbar, sondern von einer für sie alle handelnden Treuhänderin wahrgenommen werden. Das kann aber in diesem Zusammenhang keine wesentliche Rolle spielen. Denn auch in einem solchen Falle richten sich die Entschließungen der Gesellschafter in erster Linie nach den Verhältnissen bei der Hauptgesellschaft, hier also der Klägerin. Ihr Interesse daran, sich auf Wortlaut und objektiven Sinn der maßgebenden Urkunden verlassen zu können, ist deshalb ebenso groß, wie wenn sie unmittelbar der Klägerin beigetreten wären.

Nach alledem schuldet der Beklagte die Einlage so, wie das im schriftlichen Gesellschaftsvertrag niedergelegt worden ist, also persönlich. Seine hilfsweise erklärte Aufrechnung ist unbegründet. Nach § 18 Abs 2 des Gesellschaftsvertrages kann er seinen Anteil an der von dem Finanzamt gezahlten Investitionszulage nur entnehmen, „soweit es die Liquiditätslage der Gesellschaft” erlaubt. Daß er unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt zu einer Entnahme berechtigt sei, hat er in den Vorinstanzen nicht dargelegt. Infolgedessen ist sein zur Aufrechnung gestellter Anspruch jedenfalls noch nicht fällig; es braucht daher nicht darauf eingegangen zu werden, ob dieser begründet ist.

Die Beklagte muß mithin auf die Rechtsmittel der Klägerin verurteilt werden, an sie 250.000 DM zu zahlen. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 161 Abs 2, § 111 Abs 1, § 352 Abs 2 HGB.

 

Fundstellen

Haufe-Index 647888

NJW 1978, 755

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