Leitsatz (amtlich)
a) Der Abschluß eines Vertrages, durch den sich eine Kommanditgesellschaft verpflichtet, das von ihr betriebene, ihr gesamtes Vermögen darstellende Unternehmen zu veräußern, bedarf zu seiner Wirksamkeit eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafter.
b) Der Vermögensübernehmer, der als Gegenleistung Aufwendungen zur Entlastung des übernommenen Vermögens von damit verbundenen Schulden erbringt, hat insoweit ein Vorwegbefriedigungsrecht (Bestätigung von BGHZ 66, 217, 225).
Normenkette
HGB §§ 125, 170; BGB § 419
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 25.11.1993) |
LG München I |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. November 1993 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war Kommanditist der Night-Club E. V. J. KG (im folgenden: KG), die den „Night-Club E.” in M. betrieb. Er gewährte der Gesellschaft im Jahre 1981 ein Darlehen von 150.000,– DM. Der Beklagte hatte seinerseits dem persönlich haftenden Gesellschafter der KG, V. J., Geldmittel im Gesamtbetrag von 240.000,– DM darlehensweise zur Verfügung gestellt. Dieser übertrug Anfang Februar 1982 den Nachtlokalbetrieb entweder auf den Beklagten oder – hierüber streiten die Parteien – die von diesem am 2. Februar 1982 unter Einschaltung eines Herrn B. als Strohmann gegründete Cabaret E. Night-Club GmbH.
Der Kläger hat vom Beklagten unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten die Begleichung seiner Darlehensrückzahlungsforderung verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat den Beklagten unter Vorbehalt der Beschränkung der Haftung auf das übernommene Vermögen zur Zahlung verurteilt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die auf Fortfall des Vorbehalts gerichtete Revision des Klägers hat der Senat nicht angenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.
I. Das Berufungsgericht hat die Verurteilung des Beklagten auf § 419 Abs. 1 BGB gestützt. Dies ist, wie die Revision des Beklagten zu Recht beanstandet, auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht gerechtfertigt.
1. Das Berufungsgericht hat festgestellt, am 26. Januar 1982 habe J. das Geschäft an den Beklagten persönlich gegen Erlaß der gegen ihn – J. – gerichteten Darlehensforderung verkauft. Den sich daraus für den Beklagten ergebenden Anspruch auf Übertragung des Lokals habe dieser, so hat das Berufungsgericht in erster Linie zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, dadurch verwirklicht, daß er das Geschäft auf die von ihm über einen Strohmann gegründete und beherrschte GmbH habe übertragen lassen. Die darin liegende Verfügung habe der Beklagte nur dadurch treffen können, daß er das Vermögen der KG „zumindest für den Zeitpunkt dieses Willensaktes” übernommen habe; dies genüge, um ihn als Vermögensübernehmer im Sinne des § 419 BGB anzusehen.
Diese Beurteilung kann aus Rechtsgründen nicht geteilt werden. Mit ihr hat das Berufungsgericht entscheidend auf den schuldrechtlichen Vertrag abgestellt, an dem der Beklagte selbst beteiligt war. Damit befindet es sich insofern in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung, als hiernach die Haftung gemäß § 419 BGB – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – bereits mit Abschluß des schuldrechtlichen Vertrages beginnt (RGZ 69, 283, 288; BGHZ 66, 217, 225 f.; vgl. auch Staudinger/Kaduk, BGB 12. Aufl. § 419 Rdn. 70; zweifelnd jedoch BGH, Urt. v. 20. März 1986 – IX ZR 88/85, NJW 1986, 1985, 1987). Das setzt aber, wenn man dem folgt, voraus, daß der die rechtliche Grundlage für die Übertragung bildende schuldrechtliche Vertrag wirksam ist. Dies ist hier indessen nicht der Fall. J. hat, so ist das Berufungsurteil zu verstehen, den Kaufvertrag über das Nachtlokal nicht im eigenen Namen, sondern als persönlich haftender Gesellschafter der KG, der es gehörte, geschlossen. Der Lokalbetrieb bildete ferner, wie das Berufungsgericht als unstreitig festgestellt hat, das gesamte Vermögen der KG. Schließlich ist davon auszugehen, daß der Kläger als Kommanditist der Geschäftsveräußerung seinerzeit nicht zugestimmt hat; das Berufungsgericht hat hierzu keine Feststellung getroffen. Unter diesen Umständen stellt sich die vom Senat im Urteil vom 8. Juli 1991 (II ZR 246/90, ZIP 1991, 1066) offengelassene Frage, ob der Abschluß eines auf die Veräußerung des gesamten Vermögens der Gesellschaft gerichteten schuldrechtlichen Vertrages von der Vertretungsmacht des geschäftsführenden Gesellschafters gedeckt ist. Diese Frage ist zu verneinen.
Veräußert eine Gesellschaft ihr gesamtes Unternehmen, so bedeutet das in aller Regel – hier war es offensichtlich so – die Einstellung des eigenen Geschäftsbetriebs; die Gesellschaft verliert damit ihre Eigenschaft als werbendes Unternehmen. Das führt, wenn es nicht sogar zur Auflösung der Gesellschaft zwingt, zu einer Änderung des Gesellschaftszwecks. Aus diesem Grund schreibt § 361 Abs. 1 AktG für einen Vertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft oder eine Kommanditgesellschaft auf Aktien zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung vor. Der Rechtsgedanke dieser Vorschrift, den die h.M. auf die GmbH für entsprechend anwendbar hält (vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. § 53 Rdn. 164 m.w.N.), trifft auch für das Personengesellschaftsrecht zu. Die soeben umschriebene Umgestaltung der Gesellschaft, die mit der Veräußerung des von ihr bis dahin betriebenen Unternehmens verbunden ist, wird von der Vertretungsmacht des oder der geschäftsführenden Gesellschafter nicht mehr gedeckt. Es bedarf deshalb auch hier zur Wirksamkeit des – zur Geschäftsveräußerung verpflichtenden schuldrechtlichen – Vertrages eines Beschlusses der Gesellschafter (Rob. Fischer, GroßKomm z. HGB 3. Aufl. § 126 Anm. 3; Staub/Hüffer, HGB 4. Aufl. § 22 Rdn. 31; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB 5. Aufl. § 126 Rdn. 13; der Sache nach auch schon Sen. Urt. v. 17. Dezember 1959 – II ZR 81/59, LM HGB § 161 Nr. 13; a.A. Grunewald, Gesellschaftsrecht, 1994, S. 94 Rdn. 23). Ob dabei, wie in einem Teil des – vornehmlich älteren – Schrifttums angenommen wird, die gleichzeitige Übertragung des Rechts zur Fortführung der Firma eine entscheidende Rolle spielt (vgl. die Nachw. bei Rob. Fischer aaO), ist für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Bedeutung, weil hier, soweit der Prozeßstoff dies erkennen läßt, der Erwerber – sei es der Beklagte selbst oder die alsbald danach gegründete GmbH – zur Fortführung der Firma berechtigt sein sollte; die GmbH hat sie jedenfalls übernommen und fortgeführt.
Damit erweist sich der Ausgangspunkt der Erwägungen des Berufungsgerichts, der Vertrag vom 26. Januar 1982 sei wirksam gewesen, als unrichtig. Auf seine weiteren Überlegungen, wonach der Beklagte aufgrund dieses Vertrages sozusagen für eine logische Sekunde Übernehmer des Gesellschaftsvermögens im Sinne des § 419 BGB geworden sein soll, braucht deshalb nicht weiter eingegangen zu werden.
2. Ungeachtet der Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrages haftet der Beklagte als Vermögensübernehmer nach § 419 BGB, wenn das Unternehmen der KG auf ihn übertragen worden ist; denn der dingliche Rechtserwerb reicht für die Anwendung dieser Vorschrift aus (BGHZ 93, 135, 139 m.w.N.; Sen. Urt. v. 8. Juli 1991 aaO S. 1066). Es kommt deshalb darauf an, ob der Nachtlokalbetrieb – zunächst – auf den Beklagten selbst oder sogleich auf die GmbH übertragen worden ist, die ihn später fortgeführt hat. Das Berufungsgericht hat dazu in einer Hilfsbegründung unter Würdigung der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme, der in einem anderen Rechtsstreit protokollierten Aussage des inzwischen verstorbenen Zeugen B. sowie der sonstigen Umstände ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, daß das Lokal erst am 2. Februar 1982 durch die an diesem Tage gegründete GmbH und nicht schon einen Tag vorher und damit durch den Beklagten persönlich übernommen worden sei. Dies gehe zu Lasten des Beklagten; denn derjenige, der ein Vertretergeschäft behaupte, müsse nach § 164 Abs. 2 BGB beweisen, daß er erkennbar nicht für sich selbst, sondern für den von ihm Vertretenen gehandelt habe. Diese Darlegungen tragen die Verurteilung des Beklagten nicht.
Allerdings läßt sich das nicht, wie die Revision meint, damit begründen, daß es sich bei der Übertragung des Betriebs um ein unternehmensbezogenes Geschäft und aus diesem Grunde um ein solches der GmbH gehandelt habe. Nach den insoweit geltenden Grundsätzen kommt ein Vertrag, der erkennbar mit dem Inhaber eines bestimmten Unternehmens abgeschlossen werden soll, mit diesem Inhaber auch dann zustande, wenn unklar bleibt, ob der Erklärende selbst oder eine andere – natürliche oder juristische – Person der Unternehmensträger ist (BGHZ 62, 216, 219 f.; BGHZ 64, 11, 14 f.; BGHZ 92, 259, 268). Im vorliegenden Fall war indessen die Übertragung des Unternehmens kein Geschäft eben dieses Unternehmens und damit des – wirklichen – Unternehmensträgers; denn es ging vielmehr gerade darum, das Unternehmen auf einen neuen Inhaber zu übertragen. Das Unternehmen war damit nicht „Subjekt”, sondern Gegenstand des Vertrages. Mit wem dieser zustande kommt, läßt sich in einem solchen Fall nicht durch Zuordnung des Geschäfts zu dem Unternehmen bestimmen.
Die Beweislastentscheidung des Berufungsgerichts läßt sich aber deswegen nicht halten, weil die Anwendung des § 164 Abs. 2 BGB voraussetzt, daß feststeht, wer bei Abschluß des Geschäfts „gehandelt” hat; denn erst dann stellt sich die Frage, wem dieses Handeln zuzurechnen ist. Das Berufungsgericht hat ungeachtet seiner Ausführungen zur Beweiswürdigung letztlich offengelassen, ob das Lokal am 1. oder erst am 2. Februar 1982 übertragen worden ist. Für die Revisionsinstanz ist daher entsprechend dem Vortrag des Beklagten zu unterstellen, daß dies an dem letzteren Tage, also nach Gründung der GmbH, geschehen ist. Nach der Darstellung des Beklagten soll damals nicht er selbst, sondern der – formale – Alleingesellschafter und -geschäftsführer B. erklärt haben, er sei (als Geschäftsführer der GmbH) „nunmehr der neue Chef”. In diesem Sinn hat auch B. selbst als Zeuge ausgesagt. Das Berufungsgericht hat sich zwar auch mit dieser Aussage befaßt, sie aber lediglich für nicht ausreichend erachtet, die ihr widersprechenden Aussagen der anderen Zeugen zu widerlegen. Auf diese Weise läßt sich die Anwendbarkeit des § 164 Abs. 2 BGB und damit die Beweislast des Beklagten nicht begründen. Denn wenn dessen bisher nicht als widerlegt festgestellte Darstellung zutrifft, hat er selbst bei der Übertragungsverhandlung keine Willenserklärung abgegeben. Daß es anders war, muß der Kläger, dessen Sache es ist, die Voraussetzungen des § 419 Abs. 1 BGB darzutun, beweisen; erst dann kann ihm die Beweisregel des § 164 Abs. 2 BGB zugute kommen. Ob dieser Beweis als geführt anzusehen ist, hat das Berufungsgericht offengelassen. Sein Urteil muß deshalb aufgehoben werden, damit diese Frage tatrichterlich geklärt werden kann.
II. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
Das Berufungsgericht hat dem Beklagten – zu Recht – die Beschränkung der Haftung nach § 419 Abs. 2 BGB vorbehalten. Aus Satz 2 dieser Vorschrift in Verbindung mit den §§ 1990, 1991, 1978, 1979 BGB ergibt sich, daß der Übernehmer sich wegen seiner eigenen Forderung gegen den „Übergeber” aus dem übernommenen Vermögen vorweg, also vor den übrigen Gläubigern befriedigen darf (RGZ 139, 199, 202; BGHZ 66, 217, 225; BGH, Urt. v. 20. März 1986 – IX ZR 88/85, NJW 1986, 1985, 1987 und v. 29. April 1993 – IX ZR 215/92, BB 1993, 1164, 1166). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haftete die KG dem Beklagten aufgrund eines von ihr erklärten Schuldbeitritts neben J. auf Rückzahlung des Darlehens von 240.000,– DM. Ob dies ein Vorwegbefriedigungsrecht des Beklagten begründet, kann, muß aber nicht im Erkenntnisverfahren entschieden werden (vgl. BGH, Urt. v. 29. April 1993 aaO). Das Berufungsgericht hat gemeint, ein derartiges Recht des Beklagten komme nicht in Betracht, weil die Mithaftung der KG an die Schuld des J. gekoppelt gewesen, diese aber, was so als „Kaufpreis” vereinbart worden sei, mit der Übertragung des Unternehmens erloschen sei. Dem kann nicht zugestimmt werden. Wenn dem Beklagten das Unternehmen an Erfüllungs Statt übertragen worden ist, so hatte dies gerade den Sinn, daß er sich aus den ihm überlassenen Vermögenswerten wegen seiner Darlehensforderung sollte befriedigen können. Dieses Recht kann ihm nicht mit der Erwägung versagt werden, infolge der Annahme der Leistung an Erfüllungs Statt bestehe eine Forderung, derentwegen er sich befriedigen durfte, jetzt nicht mehr. Der Beklagte hat vielmehr dadurch, daß er seine Darlehensforderung als Gegenleistung für die Unternehmensübertragung aufgegeben hat, gleichzeitig eine Aufwendung aus seinem Vermögen gemacht, die zur Entlastung der mithaftenden KG führte; das berechtigt ihn nach den §§ 1978 Abs. 3, 1979 BGB dazu, sich deswegen aus dem übernommenen Vermögen – vorweg – zu befriedigen (vgl. BGHZ 66, 217, 225).
III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen werden können.
Unterschriften
Boujong, Dr. Hesselberger, Röhricht, Stodolkowitz, Dr. Goette
Fundstellen
NJW 1995, 596 |
Nachschlagewerk BGH |