Leitsatz (amtlich)
Die Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG gelten grundsätzlich auch für einen Schuldbeitritt zur Vergütungsvereinbarung. Ihre Reichweite wird bestimmt durch den Zweck, dem Beitretenden deutlich zu machen, dass er nicht nur der gesetzlichen Vergütungsschuld des Mandanten beitritt, sondern der davon abweichenden, vertraglich vereinbarten Vergütung.
Normenkette
RVG § 3a Abs. 1, § 4b; BGB § 414
Verfahrensgang
LG Kleve (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 6 S 17/15) |
AG Moers (Urteil vom 28.01.2015; Aktenzeichen 561 C 259/14) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Kleve vom 24.9.2015 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG Moers vom 28.1.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 124 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2013 abgewiesen wird.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Beklagten auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger vertrat als Rechtsanwalt den georgischen Staatsangehörigen B. G. in einem Asylfolgeverfahren. Er fertigte unter dem Datum des 30.4.2013 eine Vergütungsvereinbarung. Die Vereinbarung sieht unter der Nr. 1 vor, dass der Mandant anstelle der gesetzlichen Gebühren eine pauschale Vergütung i.H.v. 800 EUR einschließlich Umsatzsteuer zu zahlen hat. Die Nr. 2 bis 9 regeln Einzelheiten der Vergütungspflicht. Die Nr. 10 der Vereinbarung lautet: "Die Unterzeichner haften gesamtschuldnerisch." Darunter unterzeichnete neben dem Mandanten die als Dolmetscherin für ihn tätige Beklagte.
Rz. 2
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 800 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Das AG hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 3
Die Revision hat Erfolg. Die Beklagte schuldet dem Kläger den in der Hauptsache geltend gemachten Betrag von 800 EUR nebst Verzugszinsen. Lediglich hinsichtlich der zusätzlich verlangten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist die Klage abzuweisen.
I.
Rz. 4
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die Beklagte zu, weil das von ihr unterzeichnete Schriftstück nicht den Anforderungen des § 3a RVG an die äußere Gestaltung einer wirksamen Vergütungsvereinbarung entspreche. Ein Schuldbeitritt bedürfe der Form des zugrunde liegenden Geschäfts. Es müssten deshalb auch die Anforderungen des § 3a RVG an die formale Gestaltung der Vereinbarung erfüllt sein. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Verpflichtung der Beklagten zur Mithaftung nicht hinreichend deutlich von der Vergütungsvereinbarung zwischen dem Kläger und seinem Mandanten abgesetzt sei.
II.
Rz. 5
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
1. Mit Recht hat das Berufungsgericht allerdings in der Unterzeichnung der Vergütungsvereinbarung durch die Beklagte einen Beitritt zur Schuld des Mandanten gesehen. Anders konnte der Kläger als Empfänger die ausdrücklich auf eine Mithaftung als Gesamtschuldnerin gerichtete Erklärung der Beklagten bei objektiver Würdigung nicht verstehen. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Beitretenden setzt die Annahme eines Schuldbeitritts nicht voraus. Sofern die Beklagte, wie die Revisionserwiderung einwendet, eine Erklärung dieses Inhalts nicht abgeben wollte oder ihr das Erklärungsbewusstsein überhaupt gefehlt haben sollte, hätte sie ein mögliches Anfechtungsrecht innerhalb der Frist des § 121 BGB ausüben müssen; das hat sie nicht getan.
Rz. 7
2. Die Erklärung eines Schuldbeitritts bedarf grundsätzlich keiner besonderen Form. Er unterliegt aber als Verpflichtungsgeschäft den Formerfordernissen, die für den Hauptvertrag gelten, soweit diese mit Rücksicht auf den Leistungsgegenstand des Schuldbeitritts aufgestellt sind (BGH, Urt. v. 31.1.1991 - III ZR 150/88, NJW 1991, 3095, 3098; vom 8.12.1992 - XI ZR 96/92, BGHZ 121, 1, 3; v. 14.6.1996 - V ZR 85/95, NJW 1996, 2503, 2504; v. 21.4.1998 - IX ZR 258/97, BGHZ 138, 321, 327; zum Verbraucherkreditgesetz: BGH, Urt. v. 8.11.2005 - XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43, 46 f.; v. 24.7.2007 - XI ZR 208/06, ZIP 2007, 1850 Rz. 12 m.w.N.). Um solche Formerfordernisse handelt es sich auch bei denjenigen nach § 3a Abs. 1 RVG (vgl. zur Vorgängervorschrift § 3 Abs. 1 BRAGO: BGH, Urt. v. 31.1.1991, a.a.O.). Sowohl das Erfordernis der Textform als auch die weiteren, in den Sätzen 2 und 3 der Norm aufgeführten Anforderungen dienen der Warnung und dem Schutz des Mandanten. Er soll klar erkennbar darauf hingewiesen werden, dass er eine Vergütungsvereinbarung schließt, die dem Rechtsanwalt einen von den gesetzlichen Gebührenvorschriften abweichenden Honoraranspruch auf vertraglicher Grundlage verschafft (BGH, Urt. v. 3.12.2015 - IX ZR 40/15, AnwBl. 2016, 268 Rz. 17). Tritt ein Dritter der Verpflichtung des Mandanten aus der Vergütungsvereinbarung bei, ist er in gleicher Weise schutzbedürftig. Die Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG gelten deshalb grundsätzlich auch für die Erklärung des Schuldbeitritts.
Rz. 8
3. Der Ansicht des Berufungsgerichts, im Streitfall genüge die Gestaltung des Schuldbeitritts nicht den Anforderungen des § 3a Abs. 1 Satz 2 RVG, kann jedoch nicht beigetreten werden.
Rz. 9
a) Nach dieser Vorschrift muss eine Vergütungsvereinbarung als solche oder in vergleichbarer Weise bezeichnet werden, sie muss von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung deutlich abgesetzt sein und darf nicht in der Vollmacht enthalten sein. Inwiefern diese Anforderungen auch auf den Beitritt eines Dritten zu der Vergütungsschuld des Mandanten anzuwenden sind, bestimmt sich nach ihrem Schutzzweck. Dieser besteht darin, den Mandanten, der eine Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts schon von Gesetzes wegen schuldet, davor zu bewahren, dass er sich unbemerkt vertraglich zu einem von der gesetzlichen Vergütung abweichenden Honorar verpflichtet. Bezogen auf den Schuldbeitritt kann es danach nur darum gehen, dem Beitretenden deutlich vor Augen zu führen, dass er nicht nur der gesetzlichen Vergütungsschuld des Mandanten beitritt - ein solcher Beitritt bedürfte keiner besonderen Form -, sondern der davon abweichenden, vertraglich vereinbarten Vergütung.
Rz. 10
b) Diesen Schutz gewährleistet die hier gewählte Form. Die Vereinbarung ist als Vergütungsvereinbarung bezeichnet und enthält ausschließlich die Vergütung betreffende Regelungen. Sie stellt klar, dass die vereinbarte Vergütung von der gesetzlichen Regelung abweicht. Die am Ende unter Nr. 10 getroffene Bestimmung, dass die Unterzeichner gesamtschuldnerisch haften, ist ein Bestandteil der Vergütungsvereinbarung selbst. Sie machte der Beklagten unmissverständlich klar, dass sie mit ihrer Unterschrift die Mithaftung für die vereinbarte Vergütungsschuld des Mandanten übernahm.
Rz. 11
c) Mit der Bestimmung in § 3a Abs. 1 Satz 2 RVG, dass die Vergütungsvereinbarung von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt sein muss, soll verhindert werden, dass der Mandant eine Vergütungsvereinbarung übersieht, die zwischen anderen mit dem Rechtsanwalt getroffenen Vereinbarungen "versteckt" ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann daraus nicht abgeleitet werden, dass der Schuldbeitritt der Beklagten deutlich von der Vergütungsvereinbarung des Mandanten hätte abgesetzt werden müssen. Die Beklagte gab neben dem Schuldbeitritt keine weiteren Erklärungen ab, die ihren Blick auf den Beitritt hätten beeinträchtigen können. Entscheidend ist, dass ihr durch die Gestaltung der Erklärung klar gemacht wurde, einer vertraglichen, von der gesetzlichen Regelung abweichenden Vergütungsschuld beizutreten.
Rz. 12
d) Liegt der nach Ansicht des Berufungsgerichts gegebene Formmangel mithin nicht vor, bedarf die Frage nach der Rechtsfolge eines solchen Mangels keiner Entscheidung. Die Vergütungsvereinbarung zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten ist im Falle eines Verstoßes gegen die Formvorschriften des § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG nicht unwirksam; aus ihr kann die vereinbarte Vergütung nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühr gefordert werden (BGH, Urt. v. 5.6.2014 - IX ZR 137/12, BGHZ 201, 334 Rz. 16 ff., 31; v. 22.10.2015 - IX ZR 100/13, WM 2016, 178 Rz. 8; v. 3.12.2015 - IX ZR 40/15, AnwBl. 2016, 268 Rz. 21). Ob entsprechendes bei Formmängeln eines Schuldbeitritts gilt, kann dahinstehen.
III.
Rz. 13
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
Rz. 14
1. Der Schuldbeitritt genügt der durch § 3a Abs. 1 Satz 1 RVG vorgeschriebenen Textform. Die Vergütungsvereinbarung einschließlich der Mithaftungserklärung der Beklagten erfüllt die Voraussetzungen des § 126b BGB, insb. sind die Personen der Erklärenden hinreichend benannt. Hierfür genügt es, dass die Beklagte in der Unterschriftszeile am Ende der Vereinbarung mit ihrem Namen genannt ist. Dass es sich dabei nicht um ihren tatsächlichen Namen, sondern um den Namen ihrer Tochter handelt, schadet nicht, weil die Beklagte unbestritten regelmäßig unter diesem Namen auftritt und allen Beteiligten klar war, dass sie mit diesem Namen gemeint war (vgl. Einsele in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 126b Rz. 7).
Rz. 15
2. Der Umstand, dass die Vergütungsvereinbarung entgegen § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG keinen Hinweis darauf enthält, dass die gegnerische Partei, ein Verfahrensbeteiligter oder die Staatskasse im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss, lässt den Anspruch des Rechtsanwalts auf die vereinbarte Vergütung - anders als eine Verletzung der Formvorschriften nach § 3a Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG - unberührt (§ 4b Satz 1 RVG; Onderka in AnwKomm/RVG, 7. Aufl., § 3a Rz. 3; Mayer/Kroiß/Teubel, RVG, 6. Aufl., § 3a Rz. 49). Eine weitergehende Rechtsfolge kann diesem Formmangel auch im Verhältnis zu einem Dritten, welcher der Schuld des Mandanten beigetreten ist, nicht zukommen.
Rz. 16
3. Die vertragliche Regelung über den Schuldbeitritt hält auch einer Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen stand.
Rz. 17
a) Die Vertragsklausel betreffend den Schuldbeitritt ist nicht als überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB unwirksam. Als der Kläger von der Beklagten die Mitunterzeichnung der von ihm mit seinem Mandanten zu schließenden Gebührenvereinbarung verlangte, lag es für die Beklagte nahe, dass es dem Kläger darauf ankam, zur Absicherung seiner Gebührenforderung eine weitere Person in die Mithaftung zu nehmen. Andere Gründe, die eine Unterzeichnung durch die Beklagte erfordert hätten, lagen - anders als etwa bei einem Handeln als Abschlussvertreter (vgl. dazu § 309 Nr. 11 Buchst. a BGB) - nicht vor. Drängte sich dieses Interesse des Klägers der Beklagten auf, musste sie damit rechnen, dass der ihr vorgelegte Vertragstext eine entsprechende Klausel enthielt. Ein Überrumpelungseffekt ergab sich im Übrigen auch nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags. Die Klausel betreffend die gesamtschuldnerische Mithaftung der Beklagten findet sich knapp und prägnant formuliert als letzte Vertragsbestimmung unmittelbar über dem für die Beklagte vorgesehenen Unterschriftsfeld.
Rz. 18
b) Auf die Frage, ob die unter Nr. 7 der Vergütungsvereinbarung getroffene Regelung, dass die vorzeitige Beendigung des Mandats durch den Mandanten den Vergütungsanspruch nicht berührt, nach §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 308 Nr. 7a BGB unwirksam ist, kommt es nicht an. Die Vergütungsvereinbarung bliebe im Übrigen gleichwohl wirksam (§ 306 Abs. 1 BGB; vgl. OLG Köln, JurBüro 2013, 469, 470 m.w.N.). Der Inhalt der Vereinbarung richtet sich in dem betreffenden Punkt ggf. nach den gesetzlichen Regeln. Ihr Fortbestand nach dieser Maßgabe stellte für die Vertragsparteien keine unzumutbare Härte dar (§ 306 Abs. 3 BGB).
IV.
Rz. 19
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Aufhebung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Rz. 20
Die Beklagte schuldet dem Kläger aufgrund ihres Beitritts zu der Vergütungsvereinbarung 800 EUR. Dieser Betrag ist wegen Verzugs ab dem Ablauf der vom Kläger gesetzten Zahlungsfrist zum 13.12.2013 mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen (§§ 286, 288 Abs. 1 BGB). Keinen Anspruch hat der Kläger hingegen auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Zwar können Rechtsverfolgungskosten im erforderlichen und zweckmäßigen Umfang zu dem wegen Verzugs erstattungsfähigen Schaden gehören (§§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB; vgl. etwa BGH, Urt. v. 6.10.2010 - VIII ZR 271/09, NJW 2011, 296 Rz. 8 f m.w.N.), auch wenn ein Rechtsanwalt in eigener Sache tätig wird (vgl. BAG ZIP 1995, 499). Sie müssen jedoch durch den Verzug verursacht worden sein. Daran fehlt es im Streitfall. Der Kläger hat die Beklagte bereits mit der verzugsbegründenden Mahnung vom 20.12.2013 zur Zahlung der Anwaltskosten aufgefordert, die demnach schon zuvor entstanden sein müssen. Die Berufung der Beklagten war daher unter Abweisung der Klage bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 9494121 |
BB 2016, 1537 |
DStR 2016, 12 |
NJW 2016, 10 |
NJW-RR 2017, 124 |
NVwZ 2016, 10 |
FA 2016, 242 |
WM 2017, 541 |
ZAP 2016, 896 |
ZIP 2016, 59 |
AnwBl 2016, 692 |
JZ 2016, 509 |
MDR 2016, 915 |
AGS 2016, 382 |
ErbR 2016, 445 |
NJW-Spezial 2016, 605 |
RENOpraxis 2016, 249 |
RVGreport 2016, 332 |
VRR 2016, 3 |
AG/KOMPAKT 2016, 122 |
BRAK-Mitt. 2016, 200 |