Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann eine unbeschränkte persönliche Haftung der Mitglieder einer GmbH & Co. KG wegen „Vermögensvermengung” in Betracht gezogen werden kann.
Normenkette
GmbHG § 13
Verfahrensgang
OLG Köln (Teilurteil vom 16.09.1983) |
LG Köln |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Teilurteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. September 1983 aufgehoben, soweit die Klage über einen Teilbetrag von 139.261,06 DM hinaus abgewiesen worden ist.
In diesem Umfange wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Beklagte trägt 9/10 der Gerichtskosten und 3/4 der außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens. Die übrigen Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
Tatbestand
Die Kläger sind Gesellschafter und Geschäftsführer der in der sogenannten R.-Gruppe zusammengefaßten Handels- und bürgerlich-rechtlichen Gesellschaften, die sich mit Grundstücksgeschäften, Baubetreuung, Vermögensanlagen und Steuerabschreibungsprojekten befaßten. Der Beklagte war ebenfalls an einigen dieser Gesellschaften beteiligt. Durch Vertrag vom 1. Mai 1980 trennten sich die Parteien. Der Beklagte übertrug seine Anteile an den meisten Gesellschaften den Klägern, er erhielt die Anteile der Kläger an drei Grundstücksgesellschaften bürgerlichen Rechts. Der Beklagte übernahm es zudem, die Kläger von den objektbezogenen Verbindlichkeiten der von ihm übernommenen Gesellschaften freizustellen und ihnen die bis zu seinem Ausscheiden bezahlten, von den Klägern nachgewiesenen objektbezogenen Kosten abzüglich der erhaltenen Valuta übernommener Verbindlichkeiten zu bezahlen. Von dem Betrag, den der Beklagte danach zu zahlen hatte, sind – der Höhe nach unstreitig – 571.478,40 DM offen. Diese machen die Kläger mit der Klage geltend.
Der Beklagte hat die Aktivlegitimation der Kläger in Zweifel gezogen, mit einer Reihe von Gegenansprüchen aufgerechnet und Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 564.580,27 DM nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat durch Teilurteil die Klage in Höhe von 221.833,06 DM abgewiesen.
Gegen das Teilurteil haben beide Seiten Revision eingelegt. Der Beklagte wendet sich dagegen, daß das Berufungsgericht die Abweisung der Klage auf den Aufrechnungseinwand gestützt und nicht schon den Klageanspruch für unbegründet gehalten hat; er rügt außerdem, daß es verschiedene Aufrechnungs- und Befreiungsansprüche für unbegründet erachtet und die Klage nicht auch insoweit abgewiesen hat. Die Kläger greifen das angefochtene Urteil an, soweit die Klage aus Gründen der Aufrechnung abgewiesen worden ist.
Entscheidungsgründe
Nachdem der Senat durch Beschluß vom 8. Oktober 1984 die Revision des Beklagten insgesamt und die der Kläger teilweise nicht angenommen hat, ist Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch die Frage, ob das Berufungsgericht die Aufrechnung des Beklagten mit einem Anspruch auf Geschäftsführergehalt in Höhe von 82.572 DM zutreffend hat durchgreifen lassen und die Klage insoweit zu Recht abgewiesen hat (vgl. S. 54 ff. der Entscheidungsgründe unter Nr. 10). In diesem Punkte ist die Revision der Kläger begründet.
Jene Gegenforderung beruht darauf, daß der Beklagte Geschäftsführer der (am 1. Mai 1980 von den Klägern allein übernommenen) Komplementär-GmbH der R. Modernes Wohnen GmbH & Co. KG war und für seine Tätigkeit monatlich 5.000 DM zuzüglich Sozialversicherungsabgaben zu beanspruchen hatte. Seinen Anstellungsvertrag hat er zum 30. September 1979 gekündigt. Nach den revisionsrechtlich nicht angreifbaren Feststellungen des Berufungsgerichts hat er für die Zeit vor seinem Ausscheiden noch 14 Monatsgehälter zu erhalten, so daß ihm die Gesellschaft 70.000 DM + 12.572 DM schuldet; Einwendungen, die die GmbH gegen diese Ansprüche haben könnte, hat das Berufungsgericht ebenfalls rechtlich einwandfrei für unbegründet gehalten. Es kommt daher in der Revisionsinstanz nur noch darauf an, ob der Beklagte die Gehaltsforderung, die er gegenüber der R. Modernes Wohnen GmbH erworben hat, überhaupt dem Vertragsanspruch der Kläger entgegenhalten kann. Das ist zweifelhaft, weil ein Schuldner nach § 387 BGB grundsätzlich nur mit einer Forderung aufrechnen kann, die sich gegen den Gläubiger der von ihm geschuldeten Forderung richtet.
Den Gedanken, den Vertrag vom 1. Mai 1980 (ergänzend) dahin auszulegen, daß die Vertragspartner auf das Gegenseitigkeitserfordernis keinen Wert legen wollten, hat das Berufungsgericht zu Recht nicht weiter verfolgt. Zwar handelte es sich bei jenem Vertrage um eine zum Zweck der Trennung vorgenommene Auseinandersetzung über eine Unternehmensgruppe, die nur deren Inhaber – ohne Beteiligung der Einzelgesellschaften – unter sich ausgehandelt und in die sie nicht nur eigene, sondern auch solche Ansprüche einbezogen haben, die zwischen den Gesellschaften ihrer Gruppe und zwischen diesen Gesellschaften und einem Gesellschafter bestanden haben. Haben die Vertragspartner in einem Falle dieser Art – wie hier – keinen Generalverzicht auf etwaige ungenannte Forderungen ausgesprochen, dann mag es auch nicht fern liegen anzunehmen, daß jeder Vertragspartner befugt sein solle, eine bisher nicht berücksichtigte persönliche Forderung aus dem Bereich der Unternehmensgruppe nachträglich durch Aufrechnung noch geltend zu machen, um damit die endgültige Auseinandersetzung zu fördern. Das kommt aber im vorliegenden Falle nicht in Betracht. Wenn auch der Vortrag der Parteien zum Gehaltsanspruch im einzelnen geschwankt hat, so hat doch jedenfalls der Beklagte im Schriftsatz vom 30. Juli 1982 S. 12 (GA Bl. 248) selbst behauptet, dieser Punkt sei im Rahmen der Vereinbarung vom 1. Mai 1980 erörtert worden, er habe aber nicht geregelt werden können. Ähnlich haben die Kläger im Schriftsatz vom 2. September 1982 S. 9 (GA Bl. 295) vorgetragen, man habe die Gehaltsfrage ausführlich besprochen; sie, die Kläger, hätten aber klar zu erkennen gegeben, daß sie nicht bereit seien, dafür ein Entgelt zu zahlen. Danach haben die Parteien die Gehaltsansprüche nicht übersehen, sondern sie bewußt nicht in die Auseinandersetzung hineingenommen. Hierzu wäre es ein Widerspruch, den Vertrag ergänzend dahin auszulegen, daß die aufrechnungsweise Einbeziehung zu Lasten der Kläger nachträglich doch möglich sein solle.
Das Berufungsgericht hat dementsprechend auch aus einem anderen Grunde gemeint, daß die Aufrechnung zulässig sei: der Beklagte brauche sich nämlich die „rechtliche Selbständigkeit der Firmen der R.-Gruppe nicht entgegenhalten lassen”, weil er auf die Kläger als die Gesellschafter dieser Gruppe unter dem Gesichtspunkt der „Vermögensvermischung” durchgreifen könne. Gesellschaftsvermögen und Privatvermögen der Kläger sei dadurch miteinander vermengt worden, daß sich die Kläger im Vertrag vom 1. Mai 1980 die Rückzahlung aller Beträge hätten versprechen lassen, die bestimmte Firmen der R.-Gruppe für die vom Beklagten übernommenen bürgerlich-rechtlichen Gesellschaften verauslagt gehabt hätten. Im Vertrage finde sich kein Hinweis, auf welche Weise sichergestellt werden solle, daß die in Vorlage getretenen Firmen später aus den vom Beklagten zu zahlenden Geldern befriedigt werden sollten. Der Vortrag der Kläger, die Kosten hätten letzten Endes wieder dahin fließen sollen, woher sie gekommen seien, reiche nicht aus, um eine durch den Vollzug des Vertrages vom 1. Mai 1980 eintretende Vermögensvermengung zu beseitigen. Die frühere Gesellschafterstellung des Beklagten in der R. Modernes Wohnen GmbH stehe einem Durchgriff nicht im Wege, weil er selbst sein eigenes Vermögen mit dem der Firmen der Unternehmensgruppe nicht vermengt habe.
Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.
Von einer „Vermögensvermengung” zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern, die trotz gesellschaftsrechtlich einwandfrei begründeter Haftungsbeschränkung unter Umständen zu einer persönlichen Inanspruchnahme der Gesellschafter führen kann, läßt sich nur sprechen, wenn sich nicht ermitteln läßt, welcher Vermögensgegenstand zum Gesellschafts- und welcher zum Privatvermögen gehört. Das wird in der Regel nur der Fall sein, wenn das Gesellschaftsvermögen in den Büchern der Gesellschaft unzureichend ausgewiesen, die Buchführung aus anderen Gründen undurchsichtig oder die Vermögensabgrenzung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern sonst verschleiert worden ist. Die deutliche, aus den Büchern zu belegende Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen gehört zu den unverzichtbaren Voraussetzungen für die beschränkte Haftung, die die Gesellschafter von Rechts wegen durch die Errichtung von Kapital- oder Kommanditgesellschaften mit jeweils eigenem Gesellschaftsvermögen herbeiführen können; die zum Schütze der Gesellschaftsgläubiger erlassenen Kapitalerhaltungsvorschriften beruhen geradezu darauf, daß ein selbständiges Gesellschaftsvermögen gebildet und seinem Umfange nach vom Eigenvermögen der Gesellschafter abgegrenzt feststellbar bleibt. Daher ist, wenn die Vermögenszugehörigkeit nicht unterscheidbar ist, der Fortbestand der beschränkten Gesellschafterhaftung problematisch. Ob Sachverhalte dieser Art freilich sinnvoll mit allgemeinen Durchgriffserwägungen oder, wie auch sonst in den sogenannten „Durchgriffs”-Fällen besser fallgruppenweise mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen zu erfassen sind, kann hier dahingestellt bleiben; so wäre etwa im Falle einer „Vermögensvermengung” zu erwägen, ob nicht schon das Recht der unerlaubten Handlungen (vgl. etwa § 823 Abs. 2 BGB, § 283 b StGB) befriedigende Lösungen erlaubt. Im vorliegenden Falle braucht das jedoch nicht näher erörtert zu werden, weil das Berufungsgericht einen Sachverhalt, den man als „Vermögensvermengung” in dem dargelegten Sinne bezeichnen könnte, gar nicht festgestellt hat. Es hat sich nur auf die Bestimmung des Vertrages vom 1. Mai 1980 gestützt, nach der der Beklagte seine Ausgleichsleistungen nicht an die anspruchsberechtigten Gesellschaften der R.-Gruppe, sondern an die Kläger als die einzigen verbleibenden Gesellschafter zu erbringen hat. Das mag vielleicht bedeuten, daß die Kläger in der Absicht, die vom Beklagten zu leistenden Gelder nicht weiterzuleiten, die Erstattungsansprüche dem Vermögen ihrer Gesellschaften (durch Abtretung oder rein tatsächlich) entzogen und ihrem Privatvermögen zugeführt haben. Ein solcher Vermögensentzug hätte aber allenfalls Ansprüche der jeweils betroffenen Gesellschaft auf Rückgewähr gemäß § 30, § 31 GmbHG auslösen können, wenn und soweit hierdurch das zur Erhaltung von Stammkapital erforderliche Gesellschaftsvermögen geschmälert worden sein sollte. Dem braucht aber nicht nachgegangen zu werden, weil sich daraus kein Anspruch des Beklagten, sondern nur ein Anspruch der betroffenen Gesellschaft gegen die Kläger hätte ergeben können. Mit „Vermögensvermengung”, wie sie für einen persönlichen Anspruch gegen die Kläger erforderlich wäre, hat es jedenfalls nichts zu tun, wenn die Gesellschafter Gesellschaftsvermögen entnehmen, sofern nur generell die Vermögensbewegungen zwischen Gesellschaften und Gesellschaftern buchmäßig erkennbar sind.
Eine allgemeine Vermögensvermengung innerhalb der R.-Gruppe in dem hier vorauszusetzenden Sinne läßt sich aber auch dem vom Berufungsgericht nicht herangezogenen weiteren Sachvortrag der Parteien nicht entnehmen. Die Behauptungen des Beklagten kann man im wesentlichen dahin zusammenfassen, daß die R.-Gesellschaften eng miteinander verflochten gewesen seien, daß es eine gemeinsame R.-Kasse gegeben habe und „aus einem großen Topf” gewirtschaftet worden sei, daß in vielen Fällen Schulden der einen Gesellschaft von anderen Gesellschaften ausgeglichen worden seien und überhaupt Umbuchungen von Kosten der einen auf die andere Gesellschaft an der Tagesordnung gewesen seien. Solche Maßnahmen sind unter Gesellschaften einer Unternehmensgruppe nicht selten und mit dem Gesichtspunkt der Vermögensvermengung nicht zu erfassen, wenn die Vermögensbewegungen nicht verdeckt, sondern ordnungsgemäß verbucht werden. Das hiergegen von den R.-Gesellschaften, insbesondere der Modernes Wohnen GmbH & Co. KG verstoßen worden wäre, hat der Beklagte nicht dargetan. Sein Hinweis, die R.-Gesellschaften und die Kläger selbst seien in finanzieller Hinsicht „praktisch identisch” gewesen, führt ebensowenig weiter; gegen die Identifizierung von Gesellschaftern mit ihrer Gesellschaft ist nichts einzuwenden, solange die für das Auftreten in der Rechtsform von juristischen Personen und Handelsgesellschaften im Rechtsverkehr gültigen Regeln eingehalten werden. Sofern die Kläger allgemein, wie der Beklagte behauptet, ohne Benennung der jeweils beteiligten Gesellschaft im Schriftverkehr und auch sonst unter bloßem Hinweis auf die R.-Firmengruppe in Erscheinung getreten sein sollten, mögen sich Ansprüche irregeführter Vertragspartner aus Rechtsscheinsgesichtspunkten ergeben; für den Beklagten lassen sich daraus schon deshalb keine Rechte herleiten, weil er selbst solchen Gesellschaften angehörte und als Gesellschafter und Geschäftsführer der R. Modernes Wohnen GmbH keinen Irrtümern in dieser Hinsicht unterliegen konnte.
Der Beklagte hat auch sonst keinen Sachverhalt vorgetragen, nach dem aus anderen – etwa konzernrechtlichen – Gründen eine persönliche Inanspruchnahme der Kläger näher hätte geprüft werden müssen. Eine persönliche Haftung der Kläger als Kommanditisten der R. Modernes Wohnen GmbH & Co. KG für die Gehaltsansprüche des Beklagten gemäß §§ 171, 172 Abs. 4 HGB kommt nicht in Betracht, selbst wenn die Einziehung von Erstattungsansprüchen der Kommanditgesellschaft auf eine mittelbare Auszahlung der Einlagen an die Kläger gleichkäme. Denn der Anstellungsvertrag des Beklagten gibt nichts dafür her, daß Schuldner seiner Gehaltsansprüche die Kommanditgesellschaft sein solle. Für Schulden ihrer Komplementär-GmbH haften aber die GmbH & Co. KG und ihre Gesellschafter grundsätzlich nicht.
Der Aufrechnungseinwand des Beklagten scheitert nach alledem daran, daß sein Gehaltsanspruch und die Klageforderung nicht gegenseitig einander gegenüberstehen. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben werden, soweit das Berufungsgericht die Klage wegen der Aufrechnung des Beklagten nicht nur in Höhe von 139.261,06 DM, sondern – auf Grund der Gehaltsforderung – wegen eines weiteren Teilbetrages von 82.572 DM abgewiesen hat. Eine rechtliche Möglichkeit, der Klage insoweit sogleich stattzugeben, besteht jedoch nicht; denn der Beklagte hat dem Klaganspruch weitere Gegenforderungen entgegengehalten, über die das Berufungsgericht bislang nicht befunden hat. Außerdem hat es dem Beklagten diejenigen Forderungen, die es in den Entscheidungsgründen seines Urteils als unbegründet bezeichnet hat, bislang nicht rechtskraftfähig aberkannt. Die Vorschrift des § 322 Abs. 2 ZPO greift insoweit bei dem lediglich auf eine teilweise Klagabweisung lautenden Teilurteil des Oberlandesgerichts nicht ein. Schließlich macht der Beklagte Zurückbehaltungsrechte geltend.
Bei der Kostenverteilung nach § 92 ZPO war, obwohl sich dies auf den Gebührenstreitwert nicht auswirken kann, auch angemessen zu berücksichtigen, daß der Beklagte versucht hat, neben der vom Berufungsgericht an sich bejahten Klageforderung seine vom Berufungsgericht verneinten Gegenforderungen zum Gegenstand des Revisionsverfahrens zu machen.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Dr. Kellermann, Bundschuh, Dr. Seidl
Fundstellen
Haufe-Index 1778295 |
NJW 1985, 740 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1985, 29 |