Leitsatz (amtlich)
1. Der Käufer, der sich zur Begründung eines Schadenersatzanspruches auf Mängel der Ware beruft, hat diese zu beweisen. Bestreitet der Verkäufer bei einem beiderseitigen Handelsgeschäft, daß die Mängel rechtzeitig und gehörig gerügt sind, so hat der Käufer zu beweisen, daß er rechtzeitig eine gehörige Mängelanzeige mündlich erstattet oder schriftlich abgesandt hat.
2. § 377 HGB legt dem Käufer keine „Untersuchungspflicht” in dem Sinne auf, daß deren Verletzung wie eine Genehmigung der Ware wirkt. Nicht die Unterlassung der Untersuchung, sondern die Unterlassung einer rechtzeitigen Anzeige der Mängel hat die im § 377 Abs. 2 HGB bestimmten rechtlichen Folgen. Die Bedeutung der Untersuchung liegt nur darin, daß die für die ordnungsmäßige Untersuchung erforderliche Frist maßgebend für die Rechtzeitigkeit der Mängelanzeige ist. An der Rechtsprechung des RG (RGZ 96, 175 ff) wird festgehalten.
Normenkette
HGB § 377
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 29.03.1951) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Hamm vom 29. März 1951 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin fertigt in ihren Werken in B. und in L. u. a. Verpackungsgefäße aus Pappe für Waschmittel an. Die Beklagte betreibt eine Seifenfabrik in K. und in H., sie stellt insbesondere Schmierseife her. Die zur Verpackung ihrer Waren gebrauchten Pappkübel bezog sie seit Jahren zum Teil von der Klägerin. Durch die Kriegs- und Nachkriegsverhältnisse wurden die Geschäftsbeziehungen der Parteien zeitweise unterbrochen. In einem Schreiben vom 9. August 1948 bat die Beklagte die Klägerin um ein bemustertes Angebot. Sie wies darauf hin, die Kübel müßten stark imprägniert sein, da sie zur Verpackung von Schmierseife dienen sollten, die im flüssigen Zustande heiß eingefüllt werde. Im Jahre 1949 ließ die Beklagte sich erneut Musterkübel zur Verpackung von Schmierseife von der Klägerin zusenden. Sie probierte diese aus und befand sie als gut. Darauf bezog sie in der Zeit vom 14. Februar 1949 bis 1. April 1949 von der Klägerin insgesamt 3 992 Pappkübel in verschiedenen Lieferungen. Am 22. März 1949 sandte die Klägerin an das Werk der Beklagten in Hannover infolge eines Versehens eines Angestellten statt der bestellten Ware 727 Kübel, die für einen anderen Kunden bestimmt waren. Diese Kübel unterschieden sich äußerlich von den von der Beklagten bestellten und bisher bezogenen dadurch, daß die Umrandungskappe rauh und nicht glatt war. Die Beklagte füllte in 629 Kübel von ihr als „Mesaponat” bezeichnete Schmierseife und in 98 eine ihr neu hergestellte medizinische Seife, sogenanntes „Sapokalinos”. Sie versandte die Kübel an ihre Kunden. Diese stellten sie ihr wieder zur Verfügung. Die Kübel kamen aufgeweicht und zerdrückt zurück, die in ihnen befindliche Ware hatte sich zersetzt. Die Beklagte ließ die Kübel darauf untersuchen und stellte die Abweichung von dem Muster fest. Sie teilte dies zunächst dem Geschäftsführer der Klägerin mündlich mit und machte der Klägerin ferner am 1. April 1949 eine schriftliche Mitteilung. Sie forderte zugleich Schadenersatz. Die Klägerin erklärte sich mit Schreiben vom 12. April 1949 bereit, der Beklagten die 727 Kübel zu ersetzen, lehnte aber Schadensersatzansprüche ab. In dem Schreiben heißt es u. a.:
„Wenn uns auch ein großer Teil der Schuld trifft, so ist doch nicht von der Hand zu weisen, daß es auch Ihnen beim Entladen auffallen mußte, eine ganz andere Sorte zu erhalten”.
Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte schulde ihr für gelieferte Waren noch 13 058,67 DM. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung greife nicht durch. Die Beklagte besitze nämlich keine Schadensersatzansprüche. Zwar hätten die 727 Kübel nicht ganz dem Muster entsprochen; denn die Pappe der Zylinder dieser Lieferung habe aus einem anderen Stoff als die der Muster bestanden. Dieser Umstand sei aber unerheblich. Entscheidend sei, daß die Beschaffenheit des Bodens und der Deckel der Kübel wie vor allem auch die Imprägnierung der Pappe dieser Lieferung mit den bestellten Mustern übereingestimmt habe. Wenn bei den 727 Kübeln im Gegensatz zu den übrigen Zersetzungserscheinungen aufgetreten seien, so könne dies nicht auf der verschiedenen Art der Pappe, sondern nur darauf beruhen, daß diese Kübel mit einer anders beschaffenen Masse als die übrigen gefüllt worden seien. Schon ein verschiedener Hitzegrad beim Einfüllen könne hier wesentlich sein. Die Imprägnierungsweise, auf die es allein ankomme, sei in der von der Beklagten gebildeten Art der Muster ausgeführt worden. Wenn sie für die Füllware nicht geeignet gewesen sei, so habe das die Beklagte zu vertreten.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Widerklage erhoben mit dem Antrage,
festzustellen, daß die Klägerin verpflichtet sei, ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Lieferung der 727 Kübel über den Betrag der Klageforderung hinaus entstanden sei.
Sie hat geltend gemacht, sie habe die ihr in der Zeit vom 14. Februar 1949 bis zum 1. April 1949 von der Beklagten gelieferten 3 992 Kübel mit ihrer Ware gefüllt und an ihre Kunden geliefert. Beanstandungen hätten sich nur bei den 727 Kübeln ergeben, die die Klägerin ihr infolge der Verwechslung zugesandt habe. Diese Kübel seien infolge ihrer vertragswidrigen Beschaffenheit für die Verpackung der Waren nicht geeignet gewesen, wie sich nachträglich herausgestellt habe. Darauf sei der Verderb der in sie eingefüllten Waren zurückzuführen. Die durch die fehlerhaften Kübel verdorbenen Waren hätten einen Wert von 15 224,57 DM besessen. Um diesen Betrag sei sie, die Beklagte, durch das fahrlässige Verhalten der Klägerin geschädigt worden. Hinzu träten noch weitere Schäden, die nur durch Rückfrachten und Provisionen und vor allem dadurch entstanden seien, daß durch die mangelhafte Lieferung ihr Ansehen gelitten habe und ihr Umsatz zurückgegangen sei. Den Umfang dieser Schäden könne sie zur Zeit noch nicht beziffern, so daß sie insoweit auf eine Feststellungsklage angewiesen sei.
Die Klägerin ist dem entgegengetreten und hat Abweisung der Widerklage begehrt. Das Landgericht hat Beweis durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben und sodann durch Urteil vom 23. November 1950 der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.
Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und begehrt, nach ihren Anträgen des ersten Rechtszugs zu erkennen. Die Klägerin hat um Zurückweisung der Berufung gebeten. Sie hat im zweiten Rechtszuge neu geltend gemacht, die etwaigen Schadensersatzansprüche entfielen schon deshalb, weil die Beklagte die angeblichen Mängel zu spät gerügt habe. Im übrigen sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die Kübel zuvor auszuprobieren. Das habe sie schuldhaft unterlassen. Hierdurch sei der Schaden zum mindesten so überwiegend verursacht worden, daß die Beklagte ihn auch deshalb selbst tragen müsse (§ 254 BGB).
Das Oberlandesgericht hat durch Urteil vom 29. März. 1951 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, den von der Klägerin gelieferten Pappkübeln habe zwar eine zugesicherte Eigenschaft gefehlt, der Beklagten stünden aber trotzdem keine Schadensersatzansprüche zu. Die Beklagte habe die Kübel unverzüglich nach Erhalt, jedenfalls aber, bevor sie diese gefüllt und zum Versand gebracht habe, untersuchen müssen, zumal da bereits äußerlich erkennbar gewesen sei, daß sie von den Mustern abwichen und da sich schon beim Einfüllen der Seife stecknadelkopfgroße Pünktchen gebildet hätten. Die Beklagte sei ihrer Untersuchungspflicht verspätet nachgekommen. Die mangelhafte Ware gelte daher als genehmigt. Die Klägerin habe sich allerdings bereit erklärt, für die fehlerhafte Ware Ersatz zu leisten, sie habe aber von vornherein Schadensersatzansprüche abgelehnt und somit nicht auf eine unverzügliche Untersuchung und Mängelrüge durch die Beklagte verzichtet. Bei der gegebenen Sachlage würden alle etwaigen Schadensersatzansprüche der Beklagten, auch solche aus positiver Vertragsverletzung, durch § 377 Abs. 2 HGB ausgeschlossen.
Die Revision rügt Verletzung des § 377 und der §§ 139, 286 ZPO. Sie macht insbesondere geltend, die Klägerin habe, wie ihr Schreiben vom 12. April 1949 ergebe, die Fehlerhaftigkeit der Ware vorbehaltlos anerkannt und sich zu Ersatzlieferungen erboten. In ihrem Verhalten liege ein Verzicht auf die Rechte aus einer etwaigen Verspätung der Rüge. Schon deshalb gehe das Urteil des Oberlandesgerichts fehl. Im übrigen bestehe entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nach § 377 HGB keine gesetzliche Pflicht, eine Ware zu untersuchen, sondern nur eine Verpflichtung, etwaige Mängel unverzüglich anzuzeigen. Die Mängelrüge sei hier binnen einer Woche nach Eintreffen der Ware erfolgt. Die Mängel hätten in der unzureichenden Imprägnierung der Pappe bestanden. Um sie festzustellen, hätte es aber mindestens einer Frist von einer Woche bedurft. Das Berufungsgericht habe es rechtsirrig unterlassen, zu prüfen, binnen welchen Zeitraums die Mängel zu erkennen gewesen seien.
II. Die erste Rüge, nämlich daß die Klägerin auf ihre Rechte aus einer etwaigen Verspätung der Mängelrüge verzichtet habe, greift nicht durch. Die weiteren Rügen sind dagegen im Ergebnis gerechtfertigt.
1) An sich ist es zwar zulässig, auf den Verspätungseinwand aus § 377 HGB zu verzichten (RG WarnResp 1929 Nr. 97, 177). Das Berufungsgericht hat das Verhalten der Klägerin jedoch dahin gewürdigt, ein solcher Verzicht liege nicht vor. Dem kann aus Rechtsgründen nicht entgegengetreten werden. Die Klägerin hatte als kaufmännisches Unternehmen ein Interesse daran, die aufgetretenen Differenzen gütlich zu regeln. Das erklärt ihre Bereitwilligkeit, der Beklagten für die Kübel Ersatz zu liefern, sie hat dabei aber von vornherein betont, sie erkenne irgendwelche Schadensersatzansprüche der Beklagten nicht an. Ihre Erklärungen konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum im Zusammenhalt dahin auslegen, daß sie, falls es nicht zu einer Verständigung kam, ihren Rechtsstandpunkt voll wahren und nicht auf irgendwelche Einwende, die ihr das Gesetz gibt, so vor allem den Verspätungseinwand, verzichten wollte. Entgegen der Revisionsrüge kann die Beklagte aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts nichts für ihre gegenteilige Rechtsauffassung herleiten. Den in LZ 1911, 58 und HansRGZ 1929, 554 abgedruckten Entscheidungen des Reichsgerichts, in denen dieses einen Verzicht auf den Verspätungseinwand angenommen hat, lagen Sachverhalte zugrunde, die sich mit dem vorliegenden nicht vergleichen lassen. Aus diesen Entscheidungen kann die Beklagte somit nichts gewinnen. In den in LZ 1917, 795 und Gruchot 51, 175 abgedruckten Entscheidungen hat das Reichsgericht ausdrücklich betont, daß in dem Verhandeln auf eine Zurverfügungstellung der Ware hin noch kein Verzicht auf die in der Versäumung einer rechtzeitigen Mängelrüge geknüpften Rechtsfolgen zu liegen brauche. Auch der Umstand, daß die Klägerin den Verspätungseinwand erst im zweiten Rechtszuge vorgebracht hat, besagt nichts Entscheidendes gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Wird z. B. eine Verjährungseinrede noch nicht im ersten Rechtszuge erhoben, so kann darin noch kein Verzicht auf diese Einrede erblickt werden. Ebensowenig läßt sich aber aus einer Nichterhebung des Verspätungseinwandes aus § 377 HGB im ersten Rechtsgange etwas für einen einschlägigen Verzicht herleiten. Grundsätzlich ist es auch zulässig, neue Verteidigungsmittel im zweiten Rechtszuge vorzubringen (§ 529 Abs. 1 ZPO).
2) Das Berufungsgericht spricht in den Urteilsgründen mehrfach von einer Untersuchungspflicht der Beklagten und davon, daß die Beklagte durch die Verletzung dieser Pflicht ihre etwaigen Schadensersatzansprüche verloren habe. Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß § 377 HGB eine Untersuchungspflicht in dem von ihm verstandenen Sinne vorschreibe, ist von Rechtsirrtum beeinflußt. Der Rechtsfehler ist entscheidungserheblich, denn er hat dazu geführt, daß das Berufungsgericht wesentliche Fragen nicht geprüft hat. Das Berufungsgericht hat verkannt, daß eine Genehmigung der Ware nur an die Unterlassung der unverzüglichen Mängelrüge, nicht aber an die Unterlassung der Untersuchung geknüpft ist. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 29. Januar 1952 (I ZR 33/51) im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 96, 175 ff; 106, 359 ff mit Nachweisen) und der auch im Schrifttum allgemein vertretenen Ansicht (Heinichen in RGRKomm z. HGB § 377 Anm. 12, S 116; Hoeniger in Düringer-Hachenburg § 377 HGB Anm 15 S 330) folgendes ausgeführt: Eine „Untersuchungspflicht” in dem Sinne, daß deren Verletzung wie ein Anerkenntnis der Vertragsmäßigkeit der Ware wirke, legt § 377 HGB dem Käufer nicht auf. Nicht die Unterlassung der Untersuchung, sondern die Unterlassung einer rechtzeitigen Anzeige der Mängel hat die in § 377 Abs. 2 HGB bestimmten rechtlichen Folgen. Die Bedeutung der Untersuchung liegt nur darin, daß die für eine ordnungsmässige Untersuchung erforderliche Frist maßgebend für die Prüfung der Rechtzeitigkeit der Mängelrüge ist, und daß andererseits die Unterlassung einer nach einem ordnungsmäßigen Geschäftsgange tunlichen Untersuchung den Käufer der Gefahr aussetzt, eine bei rechtzeitigem Hervortreten der Mängel erstattete Anzeige werde als verspätet zurückgewiesen werden, weil die Mängel bei ordnungsmäßiger Untersuchung bereits früher hätten angezeigt werden können. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest. Die für die Untersuchung erforderliche Zeit bestimmt den Zeitpunkt, bis zu dem die Mängelrüge verschoben werden kann. Sache der Beklagten ist es, die von ihr behaupteten Mängel zu beweisen und ferner darzutun, daß die von ihr geltend gemachten Schäden durch die Mängel verursacht worden sind. Da die Klägerin die Rechtzeitigkeit der Rüge bestreitet, so hat die Beklagte ferner zu belegen, daß sie rechtzeitig eine gehörige Mängelanzeige erstattet hat. Die Ware ist am 22. März 1949 bei der Beklagten eingetroffen. Die schriftliche Mängelrüge ist am 1. April 1949 erfolgt. Die Beklagte hat aber unstreitig bereits vorher die Mängel dem Geschäftsführer der Klägerin gegenüber mündlich gerügt. Nach § 377 HGB genügt eine mündliche Rüge. Das angefochtene Urteil enthält keine Feststellungen darüber, an welchem Tage mündlich gerügt worden ist. In dem Tatbestand des Urteils heißt es nur, die Beklagte teilte der Klägerin die Abweichung von den Mustern zunächst mündlich und am 1. April 1949 schriftlich mit. Mangels sonstiger Feststellungen ist bei dieser Sachlage im Revisionsrechtszuge davon auszugehen, daß die mündliche Mängelanzeige nicht früher als einen Tag vor der am 1. April 1949 erfolgten schriftlichen Rüge, also am 31. März 1949, und somit 8 Tage nach dem Eintreffen der Ware, erstattet worden ist. Daher kommt es insoweit darauf an, ob eine Mängelrüge binnen 8 Tagen nach Erhalt der Ware hier noch unverzüglich im Sinne von § 377 HGB war. Für die Entscheidung dieser Frage fehlt es bisher an den nötigen Feststellungen durch den Tatrichter. Das Berufungsgericht stellt nur fest, daß die Pappe der in Rede stehenden Kübel im Gegensatz zu den früheren Lieferungen nicht glatt, sondern rauh war und daß sich beim Einfüllen der Seife auf der Innenseite in den Kübeln winzige, höchstens stecknadelkopfgroße weiße Pünktchen gezeigt hätten. Diese von ihrem Siedemeister Fichte gemachten Wahrnehmungen muß die Beklagte entgegen der Auffassung der Revision zwar selbst dann gegen sich gelten lassen, wenn Fichte ihrer Geschäftsleitung davon keine Mitteilung gemacht haben sollte. Es fehlt aber an jeder Prüfung der Frage durch das Berufungsgericht und einer Feststellung darüber, ob sich aus den beiden erwähnten Tatsachen für einen Fachkundigen bereits einigermaßen sicher ergab, daß die Kübel Sachmängel im Sinne von § 377 HGB, § 459 BGB aufwiesen, insbesondere daß sie für den Verwendungszweck ungeeignet waren. In der Richtung wird das Berufungsgericht den Sachverhalt zunächst – gegebenenfalls unter Anhörung eines Sachverständigen – prüfen müssen. Falls es zu dem Ergebnis gelangen sollte, daß die beiden erwähnten Umstände die Beklagte bereits eindeutig darauf hinweisen mussten, daß die Kübel der in Betracht kommenden Lieferung, im Gegensatz zu den früheren Lieferungen, mangelhaft (§ 377 HGB, § 459 BGB) waren, so würde eine erst 8 Tage nach Erhalt der Ware erfolgte Rüge dann in der Tat verspätet sein und würden damit alle Schadensersatzansprüche der Beklagten entfallen (RGZ 125, 78). Falls die Prüfung zu dem Ergebnis führen sollte, die Wahrnehmungen Fichtes seien zwar noch kein genügender Hinweis für die Ungeeignetheit der Kübel gewesen, sie hätten der Beklagten aber Veranlassung geben müssen, die Kübel näher auf ihre Geeignetheit zu untersuchen, so wird das Berufungsgericht weiter – wiederum gegebenenfalls unter Anhörung eines Sachverständigen – prüfen und feststellen müssen, in welcher Weise derartige Pappkübel auf ihre Geeignetheit für die Verwendung zu untersuchen sind und welche Zeit für eine solche Untersuchung benötigt wird. Sollte sich auf Grund dieser Feststellungen ergeben, daß die mündliche Anzeige nicht unverzüglich nach Ablauf dieses für die Untersuchung benötigten Zeitraums erfolgt ist, so würden etwaige Schadensersatzansprüche auch dann entfallen. Sollte die vom Berufungsgericht vorzunehmende Prüfung schließlich zu dem Ergebnis führen, daß die äussere Beschaffenheit der Kübel und die Wahrnehmungen Fichtes einem Fachkundigen keinen Anhalt dafür boten, daß die Kübel für die beabsichtigte Verwendung ungeeignet waren, so wird das Berufungsgericht dann untersuchen müssen, wann sich die in dem Falle verborgen gewesenen Mängel gezeigt haben und ob die Beklagte unter dieser Voraussetzung die Mängelanzeige unverzüglich nach der Entdeckung der verborgenen Mängel erstattet hat. In dem Zusammenhange wird das Berufungsgericht klären müssen, wenn die Beklagte ihrerseits die ersten Beanstandungen von ihrem Kunden erhalten hat und ob diese bereits die Mängel der Kübel ergaben oder ob aus ihnen und aus der Beschaffenheit der zurückgegebenen Lieferungen noch nicht zu ersehen war, ob die Zersetzungserscheinungen auf die Beschaffenheit der Ware oder auf die der Kübel zurückzuführen war. In dem Falle würde das Berufungsgericht noch weiter feststellen müssen, eine wie lange Zeit dann wiederum eine Untersuchung der Ware und der Kübel darauf, ob die Kübel selbst die Mängel aufwiesen, benötigte, und ob die Mängelanzeige bei Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts rechtzeitig war. Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß unverzüglich gerügt worden ist, so würde es weiter zu untersuchen haben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange die von der Beklagten geltend gemachten Schäden auf die Mängel der Kübel zurückzuführen sind und ob und in welchem Umfange die Beklagte gegebenenfalls die etwaigen Schäden schuldhaft mitverursacht hat (§ 254 BGB). Letztere Frage würde vor allem dann auftauchen, wenn die Wahrnehmungen Fichtes die Beklagte hätten bedenklich stimmen müssen. Bei der Prüfung der ersten Frage wird sich das Berufungsgericht auch mit den von der Beklagten beigebrachten Privatgutachten, die als Parteivortrag anzusehen sind, auseinandersetzen müssen. Es wird auch zu erwägen haben, ob es angebracht ist, einen weiteren Gutachter heranzuziehen oder wenigstens die bisherige Gutachterin mündlich zu vernehmen. Es möge nicht unerwähnt bleiben, daß eine mündliche Vernehmung der bisherigen Gutachterin oder eines etwa neu zu beauftragenden Sachverständigen erfolgen muß, wenn die Parteien an die Sachverständigen zur Sache gehörige Fragen stellen wollen (RG JW 1935, 2432, 2897; HRR 1934; BGH I ZR 84/51 Urt vom 14. Dezember 1951; Stein-Jonas-Schönke 17. Aufl. § 411 ZPO IV).
Da es, wie erörtert, an den für die Entscheidung der in Betracht kommenden Fragen erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bisher mangelt, so war der Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Diesem war auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu überlassen.
Unterschriften
Lindenmaier, Heidenhain, Schmidt, Wilde, Benkard
Fundstellen