Leitsatz (amtlich)
a) Die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB finden auf einen Schuldbeitritt zu einem Darlehensvertrag entsprechende Anwendung.
b) Bei dem Schuldbeitritt eines Verbrauchers besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB nicht, wenn ein solches für den gesicherten Darlehensvertrag gem. § 495 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeschlossen wäre.
Normenkette
BGB §§ 491, 495, 504
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Stuttgart vom 24.11.2020 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines vom Beklagten erklärten Widerrufs seiner auf Abschluss einer Mithaftungserklärung gerichteten Willenserklärung.
Rz. 2
Die Ehefrau des Beklagten betrieb als Einzelunternehmerin eine Wäscherei. Der Beklagte war im Unternehmen angestellt und außerdem als stiller Gesellschafter mit einer Einlage von 400.000 EUR am Unternehmen beteiligt. Im Februar 2012 übernahm der Beklagte die gesamtschuldnerische persönliche Mitverpflichtung für einen von der Klägerin mit seiner Ehefrau (im Folgenden: Darlehensnehmerin) im Rahmen des Einzelunternehmens mit derselben Urkunde vereinbarten Kontokorrentkredit über einen Kreditnennbetrag von 80.000 EUR. Eine Widerrufsinformation erteilte die Klägerin dem Beklagten nicht.
Rz. 3
Nachdem im Oktober 2015 über das Vermögen der Darlehensnehmerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, kündigte die Klägerin ihr gegenüber die gesamte Geschäftsbeziehung und forderte von ihr den Ausgleich des auf dem Kontokorrentkonto befindlichen negativen Saldos von 33.181,41 EUR. In der Folgezeit musste die Klägerin an den Insolvenzverwalter aufgrund einer Insolvenzanfechtung mehrere von dem Kontokorrentkonto abgeflossene Teilbeträge i.H.v. insgesamt 44.086,01 EUR zurückzahlen.
Rz. 4
Mit der Klage hat die Klägerin den Beklagten aus der Mithaftungserklärung auf Zahlung von 77.267,42 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Daraufhin hat der Beklagte den Widerruf seiner auf Abschluss der Mithaftungserklärung gerichteten Willenserklärung erklärt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung, mit der die Klägerin ihren Zahlungsanspruch im Hinblick auf zwei aus der Insolvenzmasse erhaltene Zahlungen nur noch i.H.v. 68.556,18 EUR aufrechterhalten hat, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren in zweiter Instanz gestellten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Rz. 5
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Ladung zum Termin nicht vertreten war. Inhaltlich ist das Urteil insoweit jedoch keine Folge der Säumnis, sondern beruht auf einer Sachprüfung (vgl. BGH, Urt. v. 4.4.1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 81 f.).
I.
Rz. 6
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Rz. 7
Der Beklagte habe seine Haftungserklärung gem. §§ 495, 355 BGB wirksam widerrufen, weil er unstreitig nicht über ein Widerrufsrecht belehrt worden sei und dieses noch in der Klageerwiderung fristgerecht habe ausüben können. Gemäß Art. 229 §§ 32 Abs. 1, 38 Abs. 1, 40 Abs. 1 EGBGB seien die für die Entscheidung maßgeblichen Vorschriften von BGB und EGBGB in der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Februar 2012 gültigen Fassung (11.6.2010 bis 12.6.2014) anwendbar. Danach habe der Schuldbeitritt eines Verbrauchers zu einem Darlehensvertrag in entsprechender Anwendung von § 495 Abs. 1 BGB ebenso wie ein Verbraucherdarlehensvertrag widerrufen werden können. Der Beklagte habe vorliegend als Verbraucher (§ 13 BGB) und nicht als Unternehmer (§ 14 BGB) gehandelt. Hieran ändere weder seine stille Beteiligung am Unternehmen noch seine Anstellung im Unternehmen seiner Ehefrau etwas.
Rz. 8
Ein Widerrufsrecht des Beklagten sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich vorliegend um einen Kontokorrentkreditvertrag handele und der Darlehensnehmerin - unterstellt sie hätte als Verbraucherin gehandelt - gem. §§ 495 Abs. 3 Nr. 3, 504 Abs. 2 BGB kein Widerrufsrecht zugestanden hätte. Die Vorschrift des § 504 Abs. 2 BGB sei nämlich auf den Widerruf des Schuldbeitritts nicht entsprechend anzuwenden. Für das Widerrufsrecht seien allein die Person des Schuldbeitretenden und nicht die vertraglichen Vereinbarungen im Darlehensvertrag - von denen abhängig sei, ob die Bereichsausnahme für den Darlehensvertrag einschlägig sei - maßgeblich. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der BGH die Verbraucherschutzvorschriften auf den Schuldbeitritt auch dann anwende, wenn das Darlehen selbst an einen Verbraucher gar nicht gewährt werden könne. Zudem passten Sinn und Zweck der Bereichsausnahme des § 504 Abs. 2 BGB nicht zum Schuldbeitritt. Während der Darlehensnehmer bei einem Überziehungskredit eine jederzeitige entschädigungsfreie Rückzahlungsmöglichkeit habe und deshalb für ein Widerrufsrecht kein praktisches Bedürfnis bestehe, gelte dies für den Schuldbeitritt nicht. Der Beitretende übernehme zwar die Pflichten des Darlehensnehmers, nicht aber dessen vertragliche Rechte. Aufgrund dessen erfordere der vom Gesetzgeber bezweckte Verbraucherschutz die Einräumung eines Widerrufsrechts für einen vom Verbraucher erklärten Schuldbeitritt zu einem Kontokorrentkreditvertrag.
Rz. 9
Ein adäquater Schutz des Schuldbeitretenden, der die Versagung eines Widerrufsrechts rechtfertigen könnte, werde auch nicht anderweitig erreicht, etwa durch die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 314 Abs. 1 BGB. Eine solche Kündigung wäre allenfalls im Hinblick auf zukünftige weitere Kreditgewährungen denkbar und jedenfalls (zumindest) von den gleichen Voraussetzungen, wie sie für die Bürgschaft gelten würden, abhängig. Sie käme insb. nur unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist in Betracht, bei der vor allem das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers zu berücksichtigen sei. Ein solches Kündigungsrecht sei folglich nicht geeignet, ein mit einem Widerrufsrecht vergleichbares Schutzniveau zu gewährleisten.
II.
Rz. 10
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat der Beklagte seine Haftungserklärung nicht wirksam widerrufen, weil ihm ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB nicht zugestanden hat.
Rz. 11
1. Im Ausgangspunkt ist das Berufungsgericht allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass auf einen Schuldbeitritt die Vorschriften der §§ 491 ff. BGB über Verbraucherdarlehensverträge entsprechend Anwendung finden. Der Schuldbeitritt ist seinem Wesen nach zwar kein Verbraucherdarlehensvertrag i.S.d. § 491 BGB in der zwischen dem 11.6.2010 und dem 20.3.2016 geltenden Fassung (künftig: a.F.), weil der Beitretende selbst kein Darlehen erlangt, sondern lediglich die Mithaftung für die Verpflichtung des Darlehensnehmers übernimmt. Er ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des BGH einem Verbraucherdarlehensvertrag bei wertender Betrachtung gleichzustellen, wenn es sich bei dem Vertrag, zu dem der Beitritt erklärt wird, wie hier, um einen von einem Unternehmer gewährten Darlehensvertrag handelt (vgl. BGH, Urt. v. 8.11.2005 - XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43, 46; v. 24.7.2007 - XI ZR 208/06 WM 2007, 1833 Rz. 12; v. 25.10.2011 - XI ZR 331/10, WM 2011, 2355 Rz. 10, jeweils m.w.N.).
Rz. 12
Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - der Darlehensnehmer das Darlehen zu gewerblichen Zwecken aufgenommen hat. Entscheidend ist allein die Verbrauchereigenschaft des Beitretenden zum Zeitpunkt der Mithaftungserklärung (BGH, Urt. v. 8.11.2005 - XI ZR 34/05, BGHZ 165, 43, 47 f.; v. 24.7.2007 - XI ZR 208/06 WM 2007, 1833 Rz. 13; v. 25.10.2011 - XI ZR 331/10, WM 2011, 2355 Rz. 10, jeweils m.w.N.). Danach war der Beklagte - was das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - Verbraucher, weil seine stille Beteiligung an dem Unternehmen seiner Ehefrau zur privaten Vermögensverwaltung gehört und er damit selbst keine unternehmerische Tätigkeit ausübt (vgl. Senat, Urt. v. 25.10.2011 - XI ZR 331/10, a.a.O., m.w.N.).
Rz. 13
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht dagegen angenommen, dass dem Beklagten vorliegend in entsprechender Anwendung des § 495 Abs. 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der zwischen dem 11.6.2010 und 12.6.2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.) ein Widerrufsrecht zugestanden hat. Ein solches Widerrufsrecht hat vorliegend entsprechend § 495 Abs. 3 Nr. 3 BGB in der zwischen dem 11.6.2010 und dem 12.6.2014 geltenden Fassung (künftig: a.F.) i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB in der zwischen dem 11.6.2010 und dem 20.3.2016 geltenden Fassung (künftig: a.F.) nicht bestanden.
Rz. 14
a) Die entsprechende Anwendung der Verbraucherschutzvorschriften der §§ 491 ff. BGB beruht nach der Rechtsprechung des Senats darauf, dass bei wertender Betrachtung der Beitretende ebenso schutzwürdig ist, als wenn er den Darlehensvertrag selbst abgeschlossen hätte oder im Wege der Vertragsübernahmevereinbarung an die Stelle des ursprünglichen Darlehensnehmers getreten wäre (BGH, Urt. v. 27.6.2000 - XI ZR 322/98 WM 2000, 1799, 1801). Aufgrund dessen kann der Schutz des Beitretenden zu einer Verbindlichkeit nicht geringer sein, aber auch nicht weiter gehen als der Schutz desjenigen, der eine solche Verbindlichkeit eingeht. Beide genießen Verbraucherschutz nur in dem Umfang, in dem der Gesetzgeber solchen im Zeitpunkt der Verpflichtung zur Verfügung stellt (vgl. BGH, Urt. v. 10.5.1995 - VIII ZR 264/94, BGHZ 129, 371, 379; v. 26.5.1999 - VIII ZR 141/98, BGHZ 142, 23, 29; Senat, Urt. v. 16.10.2007 - XI ZR 132/06, BGHZ 174, 39 Rz. 18).
Rz. 15
b) Danach stand dem Beklagten in Bezug auf seine Haftungserklärung entsprechend § 495 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (nunmehr: § 495 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB) kein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB zu.
Rz. 16
Diese Vorschriften schließen ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB für solche Darlehensverträge aus, bei denen dem Darlehensnehmer in bestimmter Höhe eine Überziehungsmöglichkeit eingeräumt wird und die Laufzeit nach der Auszahlung höchstens drei Monate beträgt oder der Darlehensgeber ohne Einhaltung einer Frist kündigen kann. Diese Voraussetzungen lagen bei dem von der Ehefrau des Beklagten abgeschlossenen Kontokorrentkreditvertrag vor, so dass für sie - unabhängig von ihrer (fehlenden) Verbrauchereigenschaft - kein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB bestand und auch dem Beklagten für den Fall, dass er selbst Darlehensnehmer gewesen wäre, ein solches nicht zugestanden hätte.
Rz. 17
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts stehen die von ihm angeführten Gesichtspunkte des Verbraucherschutzes einer hier ohnehin nur entsprechenden Anwendung des § 495 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 504 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. nicht entgegen. Das Berufungsgericht hat dabei verkannt, dass der Beitretende nicht schutzwürdiger ist, als wenn er den Darlehensvertrag selbst abgeschlossen hätte oder im Wege der Vertragsübernahmevereinbarung an die Stelle des ursprünglichen Darlehensnehmers getreten wäre. In diesem Fall hätte vorliegend - wie bereits dargelegt - ein Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB nicht bestanden. Ein Mehr an Verbraucherschutz widerspräche den Wertungen des Gesetzgebers und wäre auch mit dem Prinzip der Rechtssicherheit nur schwer zu vereinbaren, wenn bei dem Hauptvertrag ein Widerrufsrecht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ausgeschlossen ist, für den gesetzlich nicht geregelten Schuldbeitritt, der die Hauptschuld lediglich sichern soll, durch eine Nichtanwendung dieser Vorschrift aber geschaffen würde.
III.
Rz. 18
Da sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO), ist es aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, so dass sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird sich mit den weiteren Einwendungen des Beklagten zu befassen haben.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem bei dem BGH zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils bei dem BGH, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
Fundstellen
Haufe-Index 14891612 |
BGHZ 2022, 131 |
BB 2021, 2637 |
DB 2021, 2756 |
NJW 2021, 9 |
NJW 2022, 190 |
EWiR 2022, 3 |
JR 2022, 593 |
WM 2021, 2147 |
WuB 2022, 5 |
ZIP 2021, 2327 |
DZWir 2022, 165 |
JZ 2021, 735 |
MDR 2021, 1477 |
NZI 2021, 7 |
VersR 2022, 55 |
VuR 2022, 80 |
ZInsO 2021, 2478 |
BKR 2022, 123 |
RÜ 2022, 273 |
ZBB 2022, 63 |
ZRI 2022, 76 |