Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 10. Juni 1999 im Einzelstrafausspruch zu Fall II. 2. e (Einkommensteuerhinterziehung 1995) und im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen –
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt und ihn im übrigen freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft – die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird – richtet sich zum einen gegen den Teilfreispruch vom Vorwurf des Betruges. Zum andern wird ein höherer Verkürzungserfolg bei der Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 1995 geltend gemacht. Die Revision hat im Umfang der Urteilsformel Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet.
I.
Der Angeklagte war in der Verwaltung des Bayerischen Landtages tätig, zuletzt als Verwaltungschef im Range eines Ministerialdirektors. Der Freispruch vom Betrugsvorwurf betrifft die Schädigung von Kollegen und Bekannten des Angeklagten, die er zu Geldanlagen in einen vorgetäuschten Handel mit sogenannten Bankgarantien veranlaßt hat. Bei der Steuerhinterziehung geht es darum, daß der Angeklagte die Finanzbehörde über im Jahr 1995 „erzielte Renditen” aus seiner eigenen Geldanlage in Höhe von 30.000 DM in Unkenntnis gelassen hat.
1. Initiator des betrügerischen Anlagesystems war der Rechtsanwalt U. Er gab vor, mit den Anlagebeträgen Bankgarantien zu erwerben. Durch deren Wiederverkauf würden risikolos außergewöhnlich hohe Renditen – ca. 70 % im Jahr – erzielt werden. Da es keinen Markt für Bankgarantien gab, zielte seine Tätigkeit spätestens seit Mitte 1993 allein darauf ab, an das Geld gutgläubiger Anleger zu kommen. Um den Betrug über längere Zeit durchführen zu können, zahlte er die „Renditen” der zuerst angeworbenen Anleger aus den später geworbenen Anlagebeträgen aus. Im Mai 1995 brach das System zusammen und U. stellte die Zahlungen ein. Der dem Angeklagten angelastete Betrugsvorwurf umfaßt Anwerbungen im letzten Jahr vor dem Zusammenbruch.
Der Angeklagte, der schon länger auf der Suche nach lukrativen Kapitalanlagemöglichkeiten war, kam im Frühjahr 1994 in Kontakt mit U. Er fragte Bekannte und Kollegen, was sie von dieser Geldanlage hielten. Sie rieten ihm davon ab. Ein Kollege hatte ihm von seinen darauf getätigten Erkundigungen in Bankenkreisen berichtet. Das Ergebnis der Recherche war, daß es keinen Handel für Bankgarantien gäbe; der Kollege äußerte vielmehr den Verdacht eines betrügerischen Schneeballsystems. Gleichwohl, und obwohl er keine detaillierten Informationen über das Anlagesystem einholte, legte der Angeklagte am 1. Mai 1994 selbst einen Betrag von 100.000 DM an.
In der Folgezeit warb der Angeklagte zehn Bekannte und Kollegen an, die im Vertrauen auf seine Angaben jeweils Geldbeträge zwischen 50.000 DM und 150.000 DM, insgesamt über 700.000 DM, an U. zahlten und letztlich etwa zwei Drittel ihrer Anlage verloren. Für die Anwerbung erhielt der Angeklagte, was er den Anlegern verschwieg, Vermittlungsprovisionen in Höhe von insgesamt ca. 65.000 DM. Im März 1995 veranlaßte der Angeklagte zwei Anleger, jeweils weitere 10.000 DM an Anlagevermittler U. zu übergeben – der das Geld selbst vereinnahmte – mit dem Versprechen, das Geld in sogenannten „Blocked Funds” anzulegen. Dafür stellte er eine Rendite von 100 % bis 150 % innerhalb von acht Wochen in Aussicht.
2. Hinsichtlich des Betrugsvorwurfs hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Er habe ohne Täuschungswillen und damit ohne Betrugsvorsatz gehandelt. An die Existenz eines derartigen Handels mit Bankgarantien habe er selbst geglaubt. Er sei von dieser Anlagemöglichkeit begeistert gewesen. Gerade der Umstand, daß Banken einen solchen Markt in Abrede stellten, habe ihn wegen der „Faszination des Geheimen gefangengenommen”; er glaube sogar noch heute an die Existenz dieses geheimen Marktes. Bezüglich der „Blocked Funds” seien seine Angaben über die Rendite für die Entscheidung der Anleger nicht kausal gewesen.
Soweit es die Steuerhinterziehung betrifft, geht das Landgericht davon aus, der Angeklagte habe bezüglich des Unterlassens der Angabe der 1995 „erzielten Renditen” aus seiner eigenen Anlage – da er keine Einkommensteuererklärung abgab, wurde seine Steuer am 18. März 1997 im Wege der Schätzung festgesetzt – ohne Vorsatz gehandelt. Ihm sei seine Einlassung nicht zu widerlegen gewesen. Er habe sich dahin eingelassen, einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung vom 27. Juni 1996 gelesen zu haben, in dem von einem Beschluß des Bundesfinanzhofs berichtet wurde, wonach scheinbare Gewinne von betrogenen Anlegern nicht versteuert werden müßten. Deshalb sei er davon ausgegangen, daß er seine „vereinnahmten Renditen” nicht versteuern müsse. Auch ein leichtfertiges Handeln könne ihm nicht zur Last gelegt werden.
II.
Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Freispruch vom Betrugsvorwurf richtet. Sie hat jedoch bezüglich des Schuldumfangs der Steuerhinterziehung Erfolg; insoweit waren die wegen Einkommensteuerhinterziehung im Jahre 1995 verhängte Einzelstrafe und als Folge davon die Gesamtstrafe aufzuheben.
1. Daß das Landgericht keinen Betrugsvorsatz, auch keinen wenigstens bedingten Vorsatz, feststellen konnte, begründet keinen durchgreifenden Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten. Der Revision ist allerdings zuzugeben, daß es kaum nachvollziehbar erscheint, daß der Angeklagte das betrügerische Anlagesystem nicht erkannt oder wenigstens für möglich gehalten haben soll. Immerhin war er von Kollegen gewarnt worden. Die Vertragsgestaltung war – wie er aus seinem eigenen „Treuhandauftrag” an U. erkennen konnte – äußerst dubios und enthielt zahlreiche Unklarheiten. Die versprochene Rendite von 6 % – pro Monat – hätte insbesondere bei einem Juristen mit der beruflichen Erfahrung des Angeklagten – mindestens – den Verdacht erwecken müssen, daß hinter dem System nur ein Betrug stecken kann. Auch erscheint es nicht fernliegend, daß er, um an seine Vermittlungsprovision zu kommen, eine Schädigung der Anleger billigend in Kauf genommen hat.
Diese für einen Betrugsvorsatz sprechenden signifikanten Indizien hat das Landgericht indes gesehen und gewürdigt. Es hat bedacht, daß ein objektiver Betrachter das Anlagesystem als abstrus erkennen mußte. Es hat die Diskrepanz zwischen dem intellektuellen Vermögen des Angeklagten und seinem gleichwohl irrationalen Verhalten in Anlagefragen – wie seine eigene Geldanlage zeigt – gesehen. Hinzu kommt, daß es sich bei den – grob leichtfertig handelnden – Anlegern um Bekannte und Kollegen des Angeklagten handelt, was gegen einen, auch bedingten, Schädigungsvorsatz sprechen kann.
Auch ein strafbares Handeln ohne Erlaubnis nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG liegt nicht vor. Bei den Geldanlagen handelte es sich nicht um Bankgeschäfte, die einer Erlaubnis nach § 32 KWG bedürfen (vgl. BGH, Beschluß vom 24. August 1999 – 1 StR 385/99 –). Das unerlaubte Erbringen von Finanzdienstleistungen nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG ist erst ab dem 1. Januar 1998 strafbar.
2. Hingegen hat das Landgericht zu Unrecht einen Irrtum des Angeklagten – offenbar ist ein Tatbestandsirrtum gemeint – hinsichtlich der Steuerpflichtigkeit der Renditen angenommen.
Das Landgericht hat bei der Annahme eines vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums zu hohe Anforderungen an den Vorsatznachweis gestellt. Allein aufgrund der vom Angeklagten behaupteten Lektüre eines für die konkrete steuerrechtliche Frage wenig aussagekräftigen Zeitungsartikels durfte das Landgericht nicht von der Unwiderlegbarkeit der Angaben des Angeklagten ausgehen. Zudem ist nur festgestellt, daß der Angeklagte nach der Lektüre dieses Artikels „davon ausgehen konnte”, daß er die Renditen nicht zu versteuern habe, nicht aber, ob er tatsächlich davon ausgegangen ist.
Das Landgericht hat sich darüber hinaus auch nicht damit auseinandergesetzt, daß der Angeklagte die aus der eigenen Kapitalanlage erzielten Renditen nicht nur für das Jahr 1995, sondern bereits für das Jahr 1994 nicht erklärt hatte. Für 1994 konnte das Verhalten des Angeklagten nicht durch den Zeitungsartikel vom 27. Juni 1996 beeinflußt worden sein, da der für die Vollendung und Beendigung der Tat maßgebliche Abschluß der Veranlagungsarbeiten der Finanzbehörden (vgl. BGHSt 30, 122, 123) bereits Ende Mai 1996 erfolgt war. Damit liegt nahe, daß die Nichterklärung der genannten Einkünfte nicht auf der Kenntnis des Zeitungsartikels beruhte. Im übrigen stellte der Zeitungsartikel, auf dessen Lektüre sich der Angeklagte beruft, ohnehin keine hinreichende Vertrauensgrundlage dar. In dem Zeitungsartikel wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Finanzämter von einer Steuerpflicht derartiger Renditen ausgehen. In einem solchen Fall trifft den Steuerpflichtigen gemäß § 90 Abs. 1 Satz 2 AO eine Offenbarungspflicht für den zugrunde liegenden Sachverhalt, auch wenn er hinsichtlich der Steuerpflicht eine andere Rechtsauffassung als die Finanzbehörden vertritt (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1999 – 5 StR 221/99 –). Schließlich hat das Landgericht auch nicht näher begründet, weshalb nicht wenigstens eine leichtfertige Steuerverkürzung nach § 378 AO (iVm § 21 OWiG) vorliegt.
Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung der im Fall II. 2. e festgesetzten Einzelstrafe (Einkommensteuerhinterziehung 1995), da deren Schuldumfang nicht zutreffend bemessen wurde, und zur Aufhebung der Gesamtstrafe.
Unterschriften
Harms, Häger, Nack, Tepperwien, Gerhardt
Fundstellen
Haufe-Index 556906 |
HFR 2000, 896 |
NStZ 2000, 320 |
wistra 2000, 217 |
PStR 2000, 123 |