Entscheidungsstichwort (Thema)
Überschuldung einer GmbH. Zweistufiger Überschuldensbegriff nach den Eigenkapitalersatzregeln. Positive Fortbestehensprognose. Zustimmungsvoraussetzung durch Gläubiger. Beschränkte eigenkapitalersetzende Höchstbetragsbürgschaften. Teilweise Darlehenstilgung durch GmbH. Erstattungspflicht. Erstattungshöhe
Leitsatz (amtlich)
a) Im Rahmen der Ermittlung der Überschuldung i. S. d. Eigenkapitalersatzregeln nach dem bis zum In-Kraft-Treten der Insolvenzordnung geltenden zweistufigen Überschuldungsbegriff kann eine positive Fortbestehensprognose nicht auf einseitige Sanierungsbemühungen der Gesellschaft und ein von ihr entworfenes Sanierungskonzept gestützt werden, wenn dessen Umsetzung vom Einverständnis eines Gläubigers abhängt und dieser seine Zustimmung verweigert hat.
b) Eine bereits seit längerem bestehende, ansteigende rechnerische Überschuldung einer GmbH ist auch für die Beurteilung ihrer Kredit(un)würdigkeit durch einen wirtschaftlich denkenden außenstehenden Kreditgeber von wesentlicher Bedeutung.
c) Beschränken sich die von den Gesellschaftern für einen Bankkredit der GmbH als selbstständige Nebenbürgschaften übernommenen eigenkapitalersetzenden Höchstbetragsbürgschaften jeweils auf einen Teil der Kreditsumme, so sind die Gesellschafter im Falle teilweiser Darlehenstilgung durch die GmbH dieser nur insoweit zur Erstattung verpflichtet, als der jeweilige Erstattungsbetrag zusammen mit dem Betrag, für den sie der Bank weiter verhaftet bleiben, die jeweilige Bürgschaftssumme nicht übersteigt (im Anschl. an BGH, Urt. v. 2.4.1990 - II ZR 149/89, GmbHR 1990, 258 = MDR 1990, 1094 = ZIP 1990, 642 f.).
Normenkette
GmbHG §§ 30-31, 32b
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 7.6.2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 16. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Konkursverwalter in dem am 28.4.1998 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der Z. A. GmbH (nachfolgend: Gemeinschuldnerin), an deren Stammkapital von 50.000 DM die Beklagten zu 2) und 3) (nachfolgend: Beklagte) je zur Hälfte als Gesellschafter beteiligt sind. Die Beklagten waren zugleich Gesellschafter der früheren Beklagten zu 1), der Z. GbR (nachfolgend: Z. GbR), die der Gemeinschuldnerin das Grundstück H.-S.-Straße 7a in Hi. zum Betrieb ihres Unternehmens als langjähriger Mi.-Vertragshändlerin vermietet hatte. Auf Grund des mit der M. GmbH (nachfolgend: M.) als Generalimporteurin geschlossenen Händlervertrages war das Betriebsgrundstück "integrierter Bestandteil" der Vertragsbeziehungen und deshalb mit Signalisationselementen der Marke Mi. auszustatten; der Gemeinschuldnerin war es grundsätzlich untersagt, Neufahrzeuge einer mit Mi. im Wettbewerb stehenden anderen Marke zu vertreiben; ein solcher Vertrieb sollte vielmehr nur in räumlich getrennten Verkaufslokalen unter getrennter Geschäftsführung und mit eigener Rechtspersönlichkeit zulässig sein.
Am 22.2.1995 übernahmen die Beklagten zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Stadtsparkasse Ha. gegen die Gemeinschuldnerin aus der Geschäftsverbindung jeweils eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 150.000 DM mit der Maßgabe, dass Leistungen des einen Bürgen den anderen nicht von seiner eigenen Verpflichtung befreien sollten und jeder den vollen Höchstbetrag schuldete. Der der Gemeinschuldnerin seinerzeit eingeräumte Kontokorrentkredit war auf 250.000 DM begrenzt. Infolge rückläufiger Verkaufszahlen geriet die Gemeinschuldnerin zunehmend in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Zwar konnte zum 31.12.1995 der Verlustvortrag aus dem Vorjahr von 338.812,10 DM durch einen Jahresüberschuss von 111.690,67 DM reduziert werden; jedoch erwirtschaftete die Gemeinschuldnerin im Jahre 1996 wiederum einen Verlust von 19.510,81 DM, so dass sie Anfang 1997 unter Berücksichtigung des gezeichneten Kapitals einen durch Eigenkapital nicht gedeckten Fehlbetrag von knapp 200.000 DM bilanzierte; dieser erhöhte sich zum Ende des Jahres 1997 auf über 350.000 DM. Stille Reserven waren nicht vorhanden. Angesichts dieser ungünstigen Entwicklung kündigte die Gemeinschuldnerin bereits Ende August 1997 "aus wirtschaftlichen Gründen" den Händlervertrag und bat um vorzeitige Aufhebung schon zum Jahresende. Die M. bestand jedoch auf der Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist zum 30.9.1999. Daraufhin kündigte die Z. GbR mit Schreiben v. 15.10.1997 das Mietverhältnis mit der Gemeinschuldnerin über das Betriebsgelände H.-S.-Straße 7a wegen Mietrückständen von mehr als 100.000 DM fristlos und verlangte die Räumung zum 31.12.1997. Gleichzeitig gründeten die Beklagten die Mo. GmbH, die als F.-Vertragshändlerin das bisherige Betriebsgrundstück zum 1.1.1998 übernahm; die vorhandene Mi.-Signalisation wurde demontiert und durch eine F.-Signalisation ersetzt. Die Gemeinschuldnerin verlagerte zum Jahreswechsel ihren Betrieb auf das - preiswertere - Grundstück H.-S.-Straße 14, setzte jedoch wegen dort fehlender Ausstellungs- und Verkaufsräume den Vertrieb der Mi.-Neuwagen im Einvernehmen mit der Mo. GmbH zunächst im Außenbereich des bisherigen Betriebsgeländes fort. Am 21.1.1998 eröffnete die Gemeinschuldnerin der M., dass der Betrieb auf dem ursprünglichen Gelände nicht fortgesetzt werden könne, und erörterte mit ihr die weiteren wirtschaftlichen Perspektiven. Eine Woche später überreichte sie der M. eine "Ergebnisplanung" ihres Wirtschaftsprüfers Sch., die auf der Grundlage der Betriebsverlagerung für das laufende Geschäftsjahr Überschüsse von 330.000 DM bis 437.000 DM prognostizierte. Die M. war mit diesem "Sanierungskonzept" indessen nicht einverstanden, sondern ließ der Gemeinschuldnerin am 6.2.1998 durch einstweilige Verfügung des LG D. untersagen, auf dem Grundstück H.-S.-Straße 7a Neufahrzeuge einer anderen Marke als Mi. zu vertreiben bzw. deren Vertrieb unmittelbar oder mittelbar zu fördern oder zu dulden sowie Signalisationselemente der Marke F. anzubringen; gleichzeitig wurde ihr aufgegeben, die Mi.-Signalisationselemente wieder zu installieren und die Kraftfahrzeuge dieser Marke wieder in dem dortigen Verkaufsraum auszustellen. Über den Widerspruch der Gemeinschuldnerin gegen die ihr am 11.2.1998 zugestellte einstweilige Verfügung wurde infolge der späteren Eröffnung des Konkursverfahrens nicht mehr entschieden.
Am 12.2.1998 gewährte die Stadtsparkasse Ha. der Gemeinschuldnerin "im Rahmen der bestehenden selbstschuldnerischen Bürgschaften" der beiden Beklagten über den bereits überzogenen Kreditrahmen von 250.000 DM hinaus einen bis zum 13.5.1998 befristeten Zusatzkredit i. H. v. 50.000 DM. Auch diese Kreditlinie reichte indessen nicht aus. Am 24.2.1998 übereignete die Gemeinschuldnerin deshalb der Sparkasse auf deren Verlangen 20 gebrauchte Kraftfahrzeuge zur (weiteren) Sicherung aller Forderungen gegen sie und die beiden Beklagten aus der Geschäftsverbindung. Der Sollsaldo des Geschäftskontos der Gemeinschuldnerin belief sich schließlich am 27.2.1998 auf 345.865,53 DM.
Mit Schreiben v. 2.3.1998 übersandte der Wirtschaftsprüfer Sch. der Gemeinschuldnerin den Bilanzentwurf zum 31.12.1997, der infolge des weiteren Jahresfehlbetrags von 154.002,20 DM einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 350.634,44 DM auswies; gleichzeitig riet er der Gemeinschuldnerin angesichts des "dramatischen Verlustes" und "der Unsicherheiten und Unwägbarkeiten" bezüglich der weiteren Zusammenarbeit mit der M., die Eröffnung des Konkursverfahrens zu beantragen. Am 4.3.1998 ließ die Stadtsparkasse Ha. - nachdem sie über das einstweilige Verfügungsverfahren unterrichtet worden war - keine weiteren Verfügungen über das Geschäftskonto mehr zu. Die Gemeinschuldnerin stellte daraufhin am 10.3.1998 Konkursantrag wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Nach den umstrittenen - im Verlaufe des Prozesses mehrfach wechselnden - Berechnungen des Klägers wurde der Sollsaldo des Kontokorrentkontos der Gemeinschuldnerin bei der Stadtsparkasse Ha. - der bei Konkurseröffnung 250.093,59 DM betrug - seit dem 28.2.1998 um insgesamt 233.751,94 DM zurückgeführt; davon sollen 177.980 DM aus der Verwertung der sicherungsübereigneten Kraftfahrzeuge stammen.
Mit der Klage hat der Kläger aus dem Gesichtspunkt des Eigenkapitalersatzes zunächst die gesamtschuldnerische Verurteilung der beiden Beklagten sowie der Z. GbR zur Zahlung von 227.091,94 DM begehrt. Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger - nach Rücknahme seines Rechtsmittels hinsichtlich der Z. GbR - die Klage zunächst auf 233.751,94 DM erhöht, dann jedoch Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen. Nach Einspruchseinlegung hat er die Aufhebung des Versäumnisurteils und Verurteilung der beiden Beklagten zur Zahlung von jeweils 116.875,97 DM begehrt. Das Berufungsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klage gegen beide Beklagten im Umfang der in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet und führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts (§ 565 Abs. 1 a. F. ZPO).
I. Das OLG (OLG Düsseldorf v. 7.6.2001 - 6 U 194/99, OLGReport Düsseldorf 2002, 33 = GmbHR 2002, 271 = ZIP 2001, 2278) ist der Ansicht, die Beklagten hafteten dem Kläger nicht nach den Rechtsprechungsregeln analog §§ 30, 31 GmbHG aus den jeweils übernommenen Höchstbetragsbürgschaften. Eine Überschuldung oder Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin sei erst im Zusammenhang mit der Kontensperre durch die Stadtsparkasse Ha. Anfang März 1998 eingetreten; die Beklagten hätten daher durch rechtzeitige Konkursantragstellung am 10.3.1998 die Umqualifizierung ihrer Gesellschafterhilfen in Eigenkapitalersatz verhindert. Trotz der - auch bei Ansatz von Liquidationswerten seit längerem anzunehmenden - erheblichen rechnerischen Überschuldung sei die mittelfristige Fortbestehensprognose für die Gemeinschuldnerin bis zur Kontensperre positiv gewesen. Das mit der Betriebsverlegung verbundene Sanierungskonzept ihres Wirtschaftsprüfers habe positive Planzahlen ausgewiesen und sei bis zum endgültigen Scheitern der Verhandlungen mit der M. Erfolg versprechend gewesen. Selbst die Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens habe noch nicht das Ende der Sanierungschancen bedeutet, weil die Betriebsfortführung bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist auch im wirtschaftlichen Interesse von M. gelegen habe. Vor der Kontensperrung sei die Gemeinschuldnerin auch nicht kreditunwürdig gewesen. In diesem Zusammenhang sei weder die längerfristige rechnerische Überschuldung der Gemeinschuldnerin noch die Kündigung des Mietverhältnisses über das Betriebsgrundstück wegen sechsstelliger Mietrückstände von maßgeblicher Bedeutung; vielmehr sei ausschlaggebend, dass die Gemeinschuldnerin noch am 24.2.1998 in der Lage gewesen sei, durch die Sicherungsübereignung der 20 Gebrauchtwagen zusätzlich eigene freie Sicherheiten zu stellen. Selbst wenn die Krisensituation bzw. Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin bereits im Zeitpunkt des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 5.2.1998 eingetreten sein sollte, hätten die Beklagten dies nicht sofort, sondern erst Anfang März anlässlich der Mitteilung ihres Wirtschaftsprüfers erkennen müssen; dessen Empfehlung auf Stellung des Konkursantrages hätten sie innerhalb angemessener Überlegungsfrist befolgt.
Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II. Die Ablehnung einer Umqualifizierung der von den Beklagten für die Kredite der Gemeinschuldnerin übernommenen Bürgschaften in Eigenkapitalersatz beruht auf einer teils unterlassenen, teils unzureichenden Würdigung entscheidungserheblichen unstreitigen Prozess-Stoffs wie auch auf einer verfahrensfehlerhaften Zugrundelegung streitigen Vorbringens der Beklagten zum Nachteil des Klägers (§ 286 ZPO).
1. a) Bei der Prüfung der für eine Umqualifizierung der Gesellschafterhilfen der Beklagten in Eigenkapitalersatz relevanten Überschuldung der Gemeinschuldnerin ist das Berufungsgericht allerdings noch zutreffend von dem im vorliegenden Fall einschlägigen zweistufigen Überschuldungsbegriff (st. Senatsrechtsprechung für die Zeit der Geltung der "alten" Konkursordnung: vgl. BGH v. 13.7.1992 - II ZR 269/91, BGHZ 119, 201 [213] = GmbHR 1992, 659 = MDR 1992, 1135; Urt. v. 12.7.1999 - II ZR 97/98, ZIP 1999, 1524 [1525]) ausgegangen. Noch rechtsfehlerfrei hat es auch eine bereits längere Zeit vor Beantragung des Konkursverfahrens bestehende rechnerische Überschuldung der Gemeinschuldnerin - mit einem Spitzenwert von über 350.000 DM zum 31.12.1997 - festgestellt.
b) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet indessen die Verneinung der vom Kläger für spätestens Anfang Februar 1998 im Zusammenhang mit der Beantragung des einstweiligen Verfügungsverfahrens durch M. behaupteten negativen Fortbestehensprognose für die Gemeinschuldnerin. Soweit das Berufungsgericht seine gegenteilige positive Prognose bis Anfang März 1998 auf ein angeblich Erfolg versprechendes Sanierungskonzept der Gemeinschuldnerin stützt, fehlt es dafür bereits an einer tragfähigen Grundlage. Angesichts der kontinuierlich rückläufigen Verkaufszahlen und der schon bestehenden beträchtlichen wirtschaftlichen "Schieflage" des Unternehmens war allein mit den vom Berufungsgericht in den Vordergrund gestellten Kosteneinsparungen durch die Betriebsverlegung und das Ausscheiden der Beklagten als Geschäftsführer eine Sanierung der Gemeinschuldnerin ersichtlich nicht einmal mittelfristig - d. h. hier maximal bis zu der Vertragsbeendigung auf Grund der Kündigung zum 30.9.1999 - zu erreichen. Abgesehen davon, dass das - nicht sachverständig beratene - Berufungsgericht die angeblichen Kosteneinsparungen nicht - für das Revisionsgericht nachprüfbar - beziffert hat, hat es die für die Gesamtbeurteilung der Kostenfaktoren ebenfalls bedeutsamen, mit der Betriebsverlagerung und der Einsetzung eines Fremdgeschäftsführers zwangsläufig neu entstehenden Kosten außer Betracht gelassen; das gilt insb. hinsichtlich der zweifellos erheblichen Kosten für das auf dem neuen Betriebsgelände nicht vorhandene und daher erst noch zu errichtende Verkaufs- und Ausstellungsgebäude. Das erhebliche Überschüsse als "erwarteten Planwert" ausweisende Konzept des Wirtschaftsprüfers Sch. durfte das Berufungsgericht als bestrittenen Parteivortrag der Beklagten nicht zur Grundlage seiner Entscheidung machen. Ohnehin handelte es sich angesichts der kontinuierlichen negativen Entwicklung der Gemeinschuldnerin erkennbar um "geschönte", weil viel zu optimistische Zahlen; das Berufungsgericht hat übersehen, dass diese Zahlen in unüberbrückbarem Gegensatz zu der kurz danach erfolgten Einschätzung desselben Wirtschaftsprüfers stehen, der nunmehr angesichts des von ihm so bezeichneten "dramatischen Verlustes" per 31.12.1997 und der weiteren "Unwägbarkeiten" der Gemeinschuldnerin den Gang zum Konkursrichter empfahl. Danach ist es auch unerheblich, dass ein betriebswirtschaftlicher Berater der M. Mitte Januar 1998 - offensichtlich unter dem Eindruck der Planrechnungen des Wirtschaftsprüfers Sch. und in Unkenntnis des vorläufigen Abschlusses zum 31.12.1997 - ebenfalls von einem - wenn auch geringeren - "erwarteten Überschuss" für 1998 ausging. Hinzu kommt, dass das sog. Sanierungskonzept der Gemeinschuldnerin - wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt - von der Mitwirkung der M. abhing. Indessen beruht die Annahme des Berufungsgerichts, Verhandlungen über die Zustimmung der M. zur Betriebsverlagerung seien nicht vor Ende Februar 1998 gescheitert, auf verfahrensfehlerhafter Nichtberücksichtigung erheblichen Prozess-Stoffs. Nach dem unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers hat die M., die letztlich unstreitig mit dem Konzept auch nicht einverstanden war, zu keiner Zeit den Eindruck erweckt, sie billige die Betriebsverlagerung und die darauf aufbauenden bloßen Planzahlen des Wirtschaftsprüfers. Objektiv war durch die Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens spätestens zu diesem Zeitpunkt eine etwaige Bemühung der Gemeinschuldnerin um einverständliche Verlagerung des Betriebes und damit auch die vage Hoffnung auf eine Sanierung gescheitert. Die vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen zu mutmaßlichen "eigenen" Interessen der M. an der Weiterführung des Betriebes auf dem neuen Grundstück - trotz des eingeleiteten Rechtsstreits - sind spekulativ; anstatt aus solchen ungesicherten Mutmaßungen seine Überzeugung abzuleiten, das einstweilige Verfügungsverfahren habe noch nicht das Ende der Sanierungschancen markiert, hätte es zumindest die vom Kläger für das Gegenteil benannten Vertreter der M. als Zeugen vernehmen müssen.
Schließlich hat das Berufungsgericht bei seiner Prognoseentscheidung zu Unrecht außer Betracht gelassen, dass von den Beklagten ohnehin keine wirkliche Sanierung beabsichtigt war, sondern der Mi.-Vertrag nur notgedrungen höchstens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist am 30.9.1999 erfüllt werden sollte, weil eine vorherige einverständliche Aufhebung nicht zu erreichen war. Da die Beklagten bereits durch Gründung eines neuen Unternehmens für eine F.-Vertretung ihre wirtschaftlichen Interessen anders ausgerichtet hatten, sollte nach ihrem eigenen Verständnis der Mi.-Vertrag nur "eine Weile weitergeführt werden, da er ja nicht ruinös" gewesen sei. Diesem Versuch einer - mehr oder minder (un)geordneten - faktischen "Liquidation" außerhalb des Konkursverfahrens liegt kein taugliches Konzept zur Rechtfertigung einer - vom Gesetz vorausgesetzten - mittelfristigen Überlebensprognose zu Grunde.
2. Obwohl es, wenn Überschuldung vorliegt, nicht mehr auf eine - ihr vorgelagerte - Kreditunwürdigkeit ankommt, weist der Senat darauf hin, dass das Berufungsgericht auch eine Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin bereits in dem vom Kläger behaupteten Zeitraum zwischen Anfang Januar 1998 und (spätestens) Erlass der einstweiligen Verfügung rechtsfehlerhaft verneint hat.
Zu Unrecht misst das Berufungsgericht der anhaltenden rechnerischen Überschuldung, die sich Ende 1997 auf über 350.000 DM zuspitzte, sowie der außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses über das Betriebsgrundstück wegen sechsstelliger Mietrückstände der Gemeinschuldnerin nur eine begrenzte Bedeutung für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Gemeinschuldnerin im Januar bzw. Anfang Februar 1998 zu. Diese Umstände sind vielmehr bei objektiver wirtschaftlicher Betrachtungsweise wesentliche Indikatoren nicht erst für die (rechtliche) Überschuldung, sondern erst recht für das "vorgelagerte" Stadium der Kreditunwürdigkeit, mithin hier für die Frage, ob eine Gesellschaft wie die Gemeinschuldnerin ohne die Gesellschafterleistung aus eigener Kraft ihren Finanzbedarf (von zunächst 300.000 DM und sodann über 350.000 DM) decken kann. Jedenfalls im Zusammenhang mit den durch Kündigung des Betriebsgrundstücks zusätzlich verursachten Unsicherheiten und Unwägbarkeiten bezüglich der weiteren Zusammenarbeit mit der M. - die den Wirtschaftsprüfer Sch. später sogar zur Empfehlung der Konkursantragstellung bewegten - können keine Zweifel daran bestehen, dass kein wirtschaftlich vernünftig handelnder Kreditgeber ohne taugliche Drittsicherheit (wie der hier vorliegenden Gesellschafterbürgschaften) der Gemeinschuldnerin noch Kredit in dem verlangten erheblichen Umfang gewährt hätte; lediglich auf die mehr oder minder vagen Sanierungsbemühungen wäre kein - ungesicherter - "Wechsel auf die Zukunft" ausgestellt worden. Hierauf deutet auch der - vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang unberücksichtigt gelassene - Umstand hin, dass die Sparkasse Ha. - offenbar noch in Unkenntnis der tatsächlichen Zahlen per 31.12.1997 und des von der M. eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahrens - die Krediterweiterung um 50.000 DM auf 300.000 DM nur im Rahmen der bestehenden selbstschuldnerischen Bürgschaften der Beklagten, die zusammengerechnet den neuen Höchstbetrag abdeckten, gewährte; weiter gehend sprechen die Gesamtumstände sogar dafür, dass ein wirtschaftlich vernünftig handelndes Kreditinstitut - hätte es sogleich von der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens und dem kumulierten Verlust per 31.12.1997 erfahren - der Gemeinschuldnerin nicht einmal mehr einen - durch die Gesellschafter verbürgten - Kredit gewährt, sondern sogleich, wie später die Stadtsparkasse Ha., bereits zu diesem Zeitpunkt keine Verfügung über das Konto mehr zugelassen hätte.
Angesichts dessen erweist sich auch der vom Berufungsgericht als ausschlaggebend angesehene Umstand der Sicherungsübereignung der 20 Gebrauchtwagen durch die Gemeinschuldnerin am 24.2.1998 nicht als tragfähiges Argument für die Annahme ihrer Kreditwürdigkeit. Zwar scheidet nach der Senatsrechtsprechung eine Kreditunwürdigkeit solange aus, wie die Gesellschaft noch über Vermögensgegenstände verfügt, welche ein vernünftig handelnder Kreditgeber als Sicherheit akzeptieren würde (vgl. BGH, Urt. v. 28.9.1987 - II ZR 28/87, GmbHR 1988, 58 = MDR 1988, 382 = ZIP 1987, 1541 f. m. w. N.). Das OLG hat jedoch schon nicht bedacht, dass selbst auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ein Kreditinstitut bei der gebotenen objektiven Würdigung der - obengenannten - Gesamtumstände die Sicherungsübereignung der 20 Gebrauchtwagen schon wegen des Risikos einer späteren Konkursanfechtung nicht zur Absicherung eines Kredits von bis zu 350.000 DM akzeptiert, sondern - wie die Sparkasse Ha. - auf der Drittsicherung (durch die Gesellschafterbürgschaften) bestanden hätte. Zudem kann von ausreichenden Sicherheiten durch die Gebrauchtwagenübereignung schon deshalb keine Rede sein, weil sie seinerzeit von einem außenstehenden Kreditgeber bei vorsichtiger Taxierung ohne Sachverständigen allenfalls global mit einem Wert von ca. 70.000 DM - entsprechend der Schätzung des Klägers bei Konkurseröffnung - in Ansatz gebracht worden wären, mithin die Gesellschafterbürgschaften nicht überflüssig gemacht hätten. Schließlich hat das Berufungsgericht insoweit beweisbewehrten Vortrag des Klägers übergangen, wonach die Stadtsparkasse Ha. bereits die bis zum 13.5.1998 befristete Erweiterung des Kredits von 250.000 DM auf 300.000 DM nur unter der Bedingung zugesagt hat, dass ihr die 20 Fahrzeuge zusätzlich zu der persönlichen Haftung der Beklagten aufgrund ihrer Bürgschaften sicherungsübereignet würden. Ausweislich des Sicherungsübereignungsvertrages v. 24.2.1998 diente die Fahrzeugübereignung nicht nur als Sicherheit für alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerin, sondern auch als "Rücksicherung" für die Bürgschaftsverbindlichkeiten der Beklagten selbst.
3. Von Rechtsirrtum beeinflusst sind schließlich auch die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts zur Erkennbarkeit der Krisensituation für die Beklagten im Falle des objektiven Eintritts der Überschuldung bzw. Kreditunwürdigkeit bereits im Zeitpunkt des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung am 5.2.1998. Seine Annahme, die Beklagten hätten die Krisensituation nicht sogleich, sondern erst Anfang März 1998 anlässlich der Information durch das Schreiben des Wirtschaftsprüfers Sch. erkennen können, lässt offensichtlich die ständige Senatsrechtsprechung zum subjektiven Kriterium der Erkennbarkeit der Krise für den Gesellschafter außer acht (vgl. BGH v. 7.11.1994 - II ZR 270/93, BGHZ 127, 336 [346] = GmbHR 1995, 38 = MDR 1995, 162; Urt. v. 26.6.2000 - II ZR 370/98, GmbHR 2000, 932 = NJW 2000, 3565 m. w. N.). Danach dürfen an die Möglichkeit, die Krise wenigstens erkennen zu können, keine hohen Anforderungen gestellt werden, vielmehr ist die Erkennbarkeit prinzipiell als gegeben anzusehen: Die grundsätzliche Verantwortlichkeit für eine seriöse Finanzierung der im Rechtsverkehr auftretenden GmbH folgt schon allein aus der Stellung eines Gesellschafters; um dieser Verantwortung gerecht zu werden, muss der Gesellschafter von sich aus sicherstellen, dass er laufend zuverlässig über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, insb. den eventuellen Eintritt der Krise, informiert ist. Deshalb ist - von besonderen, hier nicht vorliegenden, Ausnahmefällen abgesehen - anzunehmen, dass der Gesellschafter die wirtschaftlichen Umstände, welche die Umqualifizierung seiner Hilfe in funktionales Eigenkapital begründen, gekannt hat oder jedenfalls hätte kennen können. So liegt es hier. Nachdem die Beklagten selbst "aus wirtschaftlichen Gründen" das Vertragsverhältnis mit M. gekündigt und eine Vertragsaufhebung schon zum 31.12.1997 erbeten hatten, sie ferner selbst auch das Mietverhältnis mit der Gemeinschuldnerin über das Betriebsgrundstück wegen der erheblichen Mietrückstände fristlos gekündigt hatten, war ihnen die prekäre wirtschaftliche Situation der Gemeinschuldnerin offensichtlich seit längerem bekannt; daher hätten sie sich schon damals ständig über die weitere Entwicklung auf Grund aktueller Zahlen (Quartals-, Monatsübersichten) auf dem Laufenden halten müssen und nicht etwa die Erstellung der vorläufigen Jahresbilanz ihres Wirtschaftsprüfers Anfang März 1998 abwarten dürfen. Das Scheitern der "Sanierungsbemühungen" durch die Ablehnung der Betriebsverlagerung seitens der M. war spätestens auf Grund der Einleitung des einstweiligen Verfügungsverfahrens erkennbar und hätte ohne weiteres Zuwarten zur Stellung des Konkursantrages oder der Ausübung der Rechte aus § 775 Abs. 1 Nr. 1 BGB zur Vermeidung der Umqualifizierung ihrer "stehen gelassenen" Bürgschaften in Eigenkapitalersatz Veranlassung geben müssen.
III. Wegen der aufgezeigten Rechtsfehler unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung (§ 564 Abs. 1 a. F. ZPO). Der Senat kann mangels Ententscheidungsreife (vgl. § 565 Abs. 3 Nr. 1 a. F. ZPO) nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - die weitere entscheidungserhebliche Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagten durch Rückflüsse auf das Geschäftskonto der Gemeinschuldnerin bzw. durch Sicherheitenerlöse von ihrer Bürgenhaftung entlastet wurden, offen gelassen hat. Für die neue Berufungsverhandlung weist der Senat insoweit auf Folgendes hin:
Stellt das Berufungsgericht nunmehr - entsprechend dem Klägervorbringen - eine Überschuldung oder Kreditunwürdigkeit der Gemeinschuldnerin spätestens für Anfang Februar 1998 fest und haben daher die von den Beklagten übernommenen Bürgschaften spätestens seitdem eigenkapitalersetzenden Charakter, so wird hinsichtlich der daraus dem Grunde nach resultierenden Haftung der Beklagten nach Rechtsprechungsgrundsätzen analog §§ 30, 31 GmbHG das Senatsurteil v. 2.4.1990 (BGH v. 2.4.1990 - II ZR 149/89, II ZR 149/89, GmbHR 1990, 258 = MDR 1990, 1094 = ZIP 1990, 642 [643] m. w. N.) zu beachten sein. Beschränkt sich danach die Bürgschaft, die ein Gesellschafter unter den Voraussetzungen einer kapitalersetzenden Leistung für einen Bankkredit der Gesellschaft übernimmt, auf einen Teil der Kreditsumme, so ist der Gesellschafter, wenn die Gesellschaft den Kredit teilweise zurückzahlt, nur insoweit zur Erstattung verpflichtet, als der Erstattungsbetrag zusammen mit dem Betrag, für den er dem Gläubiger weiter verhaftet bleibt, die Bürgschaftssumme nicht übersteigt. Auch im Falle von Höchstbetragsbürgschaften der Beklagten in der - hier vorliegenden - besonderen Form selbstständiger Nebenbürgschaften ist die Anspruchshöhe begrenzt durch die vereinbarte betragsmäßige Höhe der Bürgenhaftung im Zahlungszeitpunkt. Sollte - was die Beklagten bislang in den Vorinstanzen behauptet haben - die Darlehensforderung der Stadtsparkasse Ha. auch im Zeitpunkt der neuen mündlichen Verhandlung noch in einer den jeweiligen Höchstbetrag aus der übernommenen Bürgschaft übersteigenden Summe valutieren, so müsste die Zahlungsklage als derzeit unbegründet abgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 1157800 |
BB 2004, 1240 |
DB 2004, 1256 |
DStR 2004, 1053 |
DStR 2004, 928 |
DStZ 2004, 584 |
WPg 2004, 639 |
NWB 2004, 2330 |
BGHR 2004, 1025 |
GmbH-StB 2004, 234 |
NZG 2004, 619 |
StuB 2004, 944 |
WM 2004, 1075 |
WuB 2004, 591 |
ZIP 2004, 1049 |
InVo 2004, 402 |
NZI 2005, 284 |
ZInsO 2004, 679 |
GmbHR 2004, 898 |
ZBB 2004, 249 |
LMK 2004, 190 |
www.judicialis.de 2004 |