Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeinnützige GmbH. Fakultativer Aufsichtsrat als Vertreter vor Gericht wegen Versorgungszusage eines ehemaligen Geschäftsführers
Leitsatz (amtlich)
Der fakultative Aufsichtsrat einer GmbH vertritt diese in einem Rechtsstreit mit einem (ehemaligen) Geschäftsführer über den Widerruf einer Versorgungszusage, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält (§ 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 112 AktG).
Normenkette
GmbHG § 52 Abs. 1; AktG § 112
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 28.3.2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 23. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main v. 8.9.1999 weiter gehend abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger war von 1970 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1992 Geschäftsführer der Beklagten, einer als "W. gemeinnützige Gesellschaft mbH" firmierenden Wohnungsbaugesellschaft. Bei dieser besteht auch nach Aufhebung des Rechts der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen ein - nunmehr fakultativer - Aufsichtsrat, der sowohl für die Bestellung der Geschäftsführer und die Regelung ihres Anstellungsvertrages zuständig ist (§ 11 Abs. 1 S. 2 lit. a GV) als auch die Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern gerichtlich und außergerichtlich vertritt (§ 11 Abs. 1 S. 2 lit. g GV).
Unmittelbar nach der Pensionierung des Klägers wurde aufgedeckt, dass er während seiner Zeit als Geschäftsführer der Beklagten in erheblichem Umfang Schmiergelder und sonstige Vergünstigungen angenommen und zudem nicht versteuert hatte; wegen dieser Straftaten wurde er rechtskräftig zu einer - zur Bewährung ausgesetzten - Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie zu einer Gesamtgeldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 200 DM verurteilt. Nach dem daraufhin durch Beschluss ihres Aufsichtsrats v. 7.12.1998 erfolgten Widerruf der dem Kläger erteilten Versorgungszusage stellte die Beklagte die weitere Zahlung von Versorgungsleistungen an ihn ein. Seitdem erhält der Kläger lediglich eine Rente aus der Angestelltenversicherung i. H. v. 3.570,96 DM sowie eine gekürzte Rente der Zusatzversorgungskasse von 883,48 DM.
Der Kläger, der den Widerruf seiner Versorgungszusage für unwirksam hält, hat gegen die Beklagte, "vertreten durch die Geschäftsführer", Klage auf Feststellung ihrer Verpflichtung zur Weiterzahlung eines ungekürzten Ruhegehalts nach Maßgabe der Versorgungszusage in bestimmter Höhe und auf Zahlung eines Bruttobetrages von 25.768,60 DM nebst Zinsen erhoben. Das LG hat der Klage mit Ausnahme einer - beide Klageanträge betreffenden - Einschränkung hinsichtlich der Höhe des Ruhegehalts stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Feststellungsbegehren der Höhe nach weiter gehend auf jährlich 13 - anstatt der verlangten 14,5 - Ruhegehälter reduziert, im Übrigen jedoch das Rechtsmittel zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil - soweit nachteilig - wendet sich die Beklagte mit der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt im Umfang der Anfechtung unter Aufhebung bzw. Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen zur Abweisung der Klage als unzulässig.
Die Beklagte ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten (§ 551 Abs. 1 Nr. 5 a.F. ZPO). Die Klage ist gegen die Beklagte, vertreten durch ihre Geschäftsführer, erhoben worden, die ihre Vertretung vor Gericht auch wahrgenommen haben. Vertreter der Beklagten war jedoch gem. § 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. § 112 AktG ihr Aufsichtsrat. Dies gilt auch für den hier vorliegenden Fall eines Prozesses der Gesellschaft mit einem ausgeschiedenen Geschäftsführer um Ansprüche aus einer Versorgungszusage bzw. um die Zulässigkeit ihres Widerrufs (vgl. BGH, Urt. v. 21.6.1999 - II ZR 27/98, GmbHR 1999, 1140 = MDR 1999, 1397 = ZIP 1999, 1669 [1670] m. w. N. aus der st. BGH-Rspr.). Eine Änderung der Vertretungszuständigkeit ist nicht dadurch eingetreten, dass das für gemeinnützige Wohnungsunternehmen - wie der Beklagten - zunächst gem. § 1 der Verordnung zur Durchführung des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes (WGGDV) i. d. F. v. 24.11.1969 (BGBl. I, 2141) bestehende System des obligatorischen Aufsichtsrats durch die Aufhebung des Rechts der Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen (vgl. Art. 21 § 1 Nr. 2 Steuerreformgesetz 1990v. 25.7.1988 - BGBl. I, 1093) entfallen ist; denn nach §§ 9 ff. des unverändert gebliebenen Gesellschaftsvertrages hat die Beklagte weiterhin einen - nunmehr fakultativen - Aufsichtsrat. Eine gem. § 52 Abs. 1 GmbHG mögliche, von der grundsätzlichen Vertretungszuständigkeit entsprechend § 112 AktG abweichende Regelung sieht die Satzung der Beklagten nicht vor; vielmehr bestimmt § 11 Abs. 1 S. 2 lit. g GV - in Übereinstimmung mit § 112 AktG - ausdrücklich, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Geschäftsführern gerichtlich und außergerichtlich vertritt (vgl. zum fakultativen Aufsichtsrat bereits BGH, Urt. v. 5.3.1990 - II ZR 86/89, AG 1990, 359 = GmbHR 1990, 297 = MDR 1990, 803 = WM 1990, 630 [631]).
Der danach zur Vertretung der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit allein berufene Aufsichtsrat hat die Genehmigung der bisherigen Prozessführung der Geschäftsführung verweigert. Dies ist nicht rechtsmissbräuchlich (BGH, Urt. v. 22.4.1991 - II ZR 151/90, AG 1991, 269 = GmbHR 1991, 324 = MDR 1991, 732 = ZIP 1991, 796 m. w. N.). Der Vertretungsmangel ist auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu beachten (BGH, Urt. v. 5.3.1990 - II ZR 86/89, AG 1990, 359 = GmbHR 1990, 297 = MDR 1990, 803 = WM 1990, 630 [631]).
Fundstellen
Haufe-Index 1099274 |
BB 2004, 126 |
DB 2004, 245 |
DStR 2004, 565 |
DStZ 2004, 279 |
WPg 2004, 130 |
NWB 2004, 899 |
BGHR 2004, 408 |
GmbH-StB 2004, 107 |
NJW-RR 2004, 330 |
DNotI-Report 2004, 38 |
EWiR 2004, 183 |
NZG 2004, 327 |
WM 2004, 227 |
WuB 2004, 671 |
WuB 2004, 677 |
ZIP 2004, 237 |
MDR 2004, 284 |
GmbHR 2004, 259 |