Leitsatz
Die Bierbesteuerung ist trotz der Nichtbesteuerung von Wein mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Sie stellt keine verbotene Schutzmaßnahmen i.S.d. Art. 90 Abs. 2 EG dar.
Normenkette
Art. 95 EGV , Art. 90 EG , Art. 1 EGRL 92/83/EWG , Art. 3 EGRL 92/83/EWG , Art. 7 Abs. 1 EGRL 92/83/EWG , Art. 5 EGRL 92/94/EWG , Art. 6 EGRL 92/94/EWG , Art. 9 Abs. 1 EGRL 92/94/EWG , Art. 4 Buchst. d EGRL 92/12/EWG , Art. 16 Abs. 1 bis 3 EGRL 92/12/EWG
Sachverhalt
Ein deutscher Bierhändler hatte von der Guinness Brauerei aus Irland Stout Bier bezogen, also ein relativ hochwertiges Bier. Darüber hatte er bei der Zentralstelle Biersteuer in Stuttgart eine Biersteuererklärung abzugeben, was er gatan hatte. Mit Biersteuerbescheid nahm ihn das örtliche HZA auf Biersteuer in Anspruch. Sprungklage und Revision hatten dagegen keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat die Bierbesteuerung vor allem unter dem Gesichtspunkt des Art. 90 Abs. 2 EG geprüft. Er sieht die Wettbewerbsneutralität für Import-Bier gewährleistet, obwohl Wein in Deutschland keiner vergleichbaren Verbrauchbesteuerung unterworfen ist wie Bier.
Der BFH bezweifelt, ob Bier aus der Sicht des Konsumenten überhaupt in einem Konkurrenzverhältnis zu Konsumwein steht, jedenfalls wenn es sich um teures Importbier wie Guinness Stout handelt. Jedenfalls aber sei eine protektionistische Wirkung der Bierbesteuerung auszuschließen. Die Bierbesteuerung habe keine Auswirkungen auf das Verbraucherverhalten dahin gehend, dass der Verbrauch des Importbiers zugunsten des Verbrauchs an deutschem Wein zurückginge.
Hinweis
1. Der Verkehr mit Bier (und vielen anderen verbrauchsteuerpflichtigen Waren) wird im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft nicht nach Maßgabe der Zollvorschriften, sondern in einem speziellen, eigenständig (wenn auch den Zollvorschriften rechtsähnlich) geregelten Steuerversandverfahren mit sog. Steueraussetzung abgewickelt (vgl. § 12 BierStG). Biersteuer entsteht bei Anwendung dieses Verfahrens u.a. mit der Aufnahme von aus einem anderen Mitgliedstaat im Steuerversandverfahren nach Deutschland gebrachten Bier (zollrechtlich: "eingeführtes Bier") in einen Betrieb, der als berechtigter Empfänger zugelassen ist (vgl. § 12 Abs. 2 und 5 Satz 1 BierStG). Der Empfänger wird Steuerschuldner.
2. Materiell-rechtlich müssen Sie bei verbrauchsteuerrechtlichen Fragen vor allem die Richtlinien der Gemeinschaft im Auge haben. So schreibt die Richtlinie 92/83/EWGzur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke (ABlEG Nr. L 316, 21) vor, dass die Mitgliedstaaten eine Verbrauchsteuer auf Bier erheben müssen und wie diese zu bemessen ist bzw. bemessen werden darf (Wahlrechte). Auch die Steuersätze sind den Mitgliedstaaten gleichsam rahmenrechtlich u.a. in Form eines Mindeststeuersatzes vorgegeben (vgl. Richtlinie 92/84/EWG über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke, ABlEG Nr. L 316, 29).
3. Auch für Wein ist eine Steuererhebung gemeinschaftsrechtlich an sich vorgeschrieben. Der Mindeststeuersatz beträgt jedoch null 5. Zu deutsch: die Mitgliedstaaten müssen auf Wein keine Verbrauchsteuer erheben. Denn das eben geschilderte Gemeinschaftsrecht (Erhebungspflicht, Null-Satz) kann von ihnen auch so umgesetzt werden, dass sie von der Einführung einer Weinsteuer von vornherein absehen (vgl. BFH, Urteil vom 21.5.1999, VII R 25/97, BFHE 189, 223).
4. Die beträchtliche Weite dieses Rahmens für die Regelung der Verbrauchbesteuerung hat der EuGH unter dem Gesichtspunkt des EG-Vertragsrechts (sog. primäres Gemeinschaftsrecht) gebilligt. Deutschland nutzt ihn seit jeher dahin, dass es Bier (gering) besteuert, Wein hingegen nicht. Daran entzündet sich der hier entschiedene Rechtsstreit.
5. Art. 90 Abs. 1 EG schützt den freien Wettbewerb in der Europäischen Gemeinschaft. Nach dieser Vorschrift dürfen die Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten keine höheren inländischen Abgaben erheben, als gleichartige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben. Art. 90 Abs. 1 EG enthält also ein Verbot (in der Regel "offener") Diskriminierungen. Jenes Verbot war aber im Streitfall nicht einschlägig, weil ausländisches und inländisches Bier gleich hoch besteuert wird und Bier und Wein, die unterschiedlich besteuert werden, nicht i.S.d. Art. 90 Abs. 1 EG gleichartig sind. Der Streitfall zeigt dadurch beispielhaft, dass der Wettbewerbsschutz des Art. 90 Abs. 1 EG unvollkommen ist, weil er nur gleichartige Waren vor einer unterschiedlichen Besteuerung nach Herkunft schützt. Inländische und ausländische Waren sind zwar oftmals nicht gleichartig, stehen aber trotzdem miteinander im Wettbewerb.
Der Wettbewerbsschutz wird mit Rücksicht auf diese Erkenntnis durch Art. 90 Abs. 2 EG ergänzt, der auf (meist) verdeckte und mittelbar wirksame Diskriminierungen ausländischer Erzeugnisse zielt. Er verbietet den Mitgliedstaaten, Schutzmaßnahmen zu Gunsten ihrer ( nicht gleichartigen) heimischen Erzeug...