Dr. Ulf-Christian Dißars, Prof. Dr. Stefan Müller
Eine Erhöhung der monetären Schwellenwerte in den §§ 267, 267a und 293 HGB war seit einiger Zeit überfällig – die Schwellenwerte wurden zuletzt im Jahr 2013 angepasst und die Europäische Kommission ist gem. Art. 3 Abs. 13 RL 2013/34/EU dazu verpflichtet, die Schwellenwerte mindestens alle 5 Jahre zu überprüfen und ggf. im Wege von delegierten Rechtsakten zu ändern, wobei die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Inflationsdaten zu berücksichtigen sind. Angesichts der hohen Inflationsraten war die Anpassung somit auch dringend nötig, um nicht durch den Inflationseffekt immer mehr Unternehmen in höhere Größenklassen mit deutlich erweiterten Rechnungslegungspflichten rutschen zu lassen. Nachdem die EU-Kommission am 21.12.2023 im EU-Amtsblatt (Reihe L) die Delegierte Richtlinie (EU) 2023/2775 mit einer Anhebung der Schwellenwerte für die monetären Größenmerkmale Bilanzsumme und Nettoumsatzerlöse um grundsätzlich 25 % bekannt gemacht hat, konnte der deutsche Gesetzgeber dies nun in das HGB integrieren. Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften, welches erst am 16.4.2024 im Bundesgesetzblatt als Nr. 120 veröffentlicht wurde, wurden die von der EU erlaubten Erhöhungen der monetären Schwellenwerte in den §§ 267, 267a und 293 HGB in vollem Umfang vorgenommen und auch das Wahlrecht zur zeitlichen Anwendung wurde voll genutzt.
Damit ist eine Erhöhung in Kraft getreten nicht nur planmäßig für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2024 beginnen, sondern auch die Möglichkeit einer rückwirkenden Anwendung für Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2022 begonnen haben. Nach Art. 93 Abs. 2 EGHGB dürfen § 267 Abs. 1 und 2, § 267a Abs. 1 und § 293 Abs. 1 Satz 1 HGB in der Neufassung bereits auf Jahres- und Konzernabschlüsse, Lageberichte sowie Konzernlageberichte für das nach dem 31.12.2022 beginnende Geschäftsjahr angewendet werden, jedoch nur insgesamt.
Der Gesetzgeber hat somit die monetären Schwellenwerte in den §§ 267 und 267a HGB um mind. 25 % auf die folgenden Werte angehoben:
|
Kleinst-unternehmen |
Kleine Unternehmen |
Mittelgroße Unternehmen |
Große Unternehmen |
Bilanzsumme |
≤ 450.000 EUR (vorher ≤350.000 EUR) |
≤ 7.500.000 EUR (vorher ≤6.000.000 EUR) |
≤ 25.000.000 EUR (vorher ≤20.000.000 EUR) |
> 25.000.000 EUR (vorher >20.000.000 EUR) |
Umsatzerlöse |
≤ 900.000 EUR (vorher ≤700.000 EUR) |
≤ 15.000.000 EUR (vorher ≤12.000.000 EUR) |
≤ 50.000.000 EUR (vorher ≤40.000.000 EUR) |
> 50.000.000 EUR (vorher >40.000.000 EUR) |
Mitarbeiter |
≤ 10 |
≤ 50 |
≤ 250 |
> 250 |
Für die Konzernberichterstattung sind als Schwellenwerte in § 293 HGB nun die Folgenden relevant:
|
Bruttomethode |
Nettomethode |
Bilanzsumme |
≤ 30.000.000 EUR (vorher ≤ 24.000.000 EUR) |
> 25.000.000 EUR (vorher > 20.000.000 EUR) |
Umsatzerlöse |
≤ 60.000.000 EUR (vorher ≤ 48.000.000 EUR) |
> 50.000.000 EUR (vorher > 40.000.000 EUR) |
Mitarbeiter |
> 250 |
> 250 |
Die rückwirkende Erhöhung führt zu der Herausforderung, dass viele Unternehmen, die bislang noch als mittelgroß eingestuft waren, nun aus der Prüfungspflicht fallen. Daher ist zu prüfen, ob noch von der Prüfung der Abschlusses für das Geschäftsjahr 2023 zurückgetreten werden kann oder ob die ggf. freiwillig dennoch (weiter) durchgeführt werden soll. Zudem dürften viele Unternehmen, die sich bislang als "große Kapitalgesellschaften" für die Ergänzung des Lageberichts um einen Nachhaltigkeitsbericht ab dem Geschäftsjahr 2025 vorbereitet haben, sich als nunmehr mittelgroße Kapitalgesellschaften auch davon befreit sehen. Mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD) in das HGB (bislang liegt ein RegE vor) soll nur § 267 Abs. 3 Satz 2 HGB-E bezüglich der kapitalmarktorientierten Unternehmen im Sinne des § 264d geändert werden, die künftig nur dann als große Kapitalgesellschaften gelten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Damit bekommen kapitalmarktorientierte KMU grundsätzlich (es gibt noch weitere Erleichterungsmöglichkeiten) bis zum Geschäftsjahr 2026 Zeit, einen Nachhaltigkeitsbericht zu erstellen. Ansonsten bleibt es bei den gesetzlichen Regelungen, dass an 2 aufeinanderfolgenden Stichtagen jeweils mind. 2 der 3 Schwellenwerte überschritten sein müssen, um in der jeweiligen Klasse zu sein. Dabei sind die angehobenen monetären Schwellenwerte bereits zurückbezogen anzuwenden, d. h. die für den Stichtag der Prüfung geltenden Werte können auch für die Ermittlung der Vorjahreswerte verwendet werden.
Eine Kapitalgesellschaft mit kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr, die das Wahlrecht zur Anwendung der erhöhten Schwellenwerte schon für das Geschäftsjahr 2023 in Anspruch nimmt, wäre zum 31.12.2023 retrospektiv auf Basis der neuen Schwellenwerte des § 267 HGB als klein einzustufen, wenn sie entweder zum 31.12.2023 und 31.12.2022 oder zum 31.12.2022 und 31.12.2021 mindestens 2 der 3 angehobenen Schwellenwerte für mittelgroße Kapitalgesellschaften nicht überschritten hatte. Die Größenklasse im Vorjahr nach den alten Werten ist somit nicht relevant.
Ei...