Dr. Ulf-Christian Dißars, Prof. Dr. Stefan Müller
Die Ansatzvoraussetzungen für eine Rückstellung für Altersfreizeit war Gegenstand des Urteils des BFH vom 5.6.2024 (IV R 22/22).
Die Klägerin bildete in ihrer Steuerbilanz zum 31.12.2016 in Höhe von 338 TEUR eine Rückstellung für sog. Altersfreizeit. Hintergrund war eine Regelung im Manteltarifvertrag, nach der langjährigen Mitarbeitern unter bestimmten Voraussetzungen ab dem 60. Lebensjahr eine zusätzliche bezahlte Freizeit von 2 Arbeitstagen je vollem Jahr der Betriebszugehörigkeit zustand. Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer Betriebsprüfung die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung nicht vorliegen würden. Insbesondere bestehe kein Erfüllungsrückstand, da die Arbeitnehmer keine Mehrleistungen für die zusätzlichen freien Tage erbracht haben. Dies ist etwa bei einer Altersteilzeitvereinbarung regelmäßig der Fall. Gegen die geänderten Steuerbescheide erhob die Klägerin nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren Klage. Diese hatte Erfolg. Allerdings wandte sich das Finanzamt mit einer Revision an den BFH.
Der BFH wies die Revision allerdings als unbegründet ab und bestätigte die Entscheidung des Finanzgerichts Köln. Die Klägerin hat nach Ansicht des BFH zu Recht eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten passiviert. Insbesondere liegt hier kein schwebendes Geschäft vor, das nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen keine Rückstellung rechtfertigt. Erforderlich ist in jedem Fall ein Erfüllungsrückstand. Der Verpflichtete muss sich danach mit seiner Leistung gegenüber dem Vertragspartner in Rückstand befinden. Dies ist hier bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise Fall, da der Anspruch des Arbeitnehmers durch seine Arbeitsleistung realisiert ist. Der Arbeitnehmer hat durch seine Arbeit eine Vorleistung erbracht, die sukzessive während der Jahre der Betriebszugehörigkeit aufgebaut wird. Insofern bestand zum Bilanzstichtag die Verpflichtung zur Bildung einer Rückstellung.
Die Entscheidung des BFH stellt in sehr informativer Weise die gesetzlichen Voraussetzungen dar, die für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten bestehen. Handelsrecht und Steuerrecht unterscheiden sich hier nicht. Voraussetzung für die Bildung einer solchen Rückstellung ist das Bestehen einer nur der Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach. In beiden Fällen muss die wirtschaftliche Verursachung in die Zeit vor dem Bilanzstichtag fallen. Schließlich muss der Schuldner ernsthaft mit einer Inanspruchnahme rechnen, und es darf sich nicht um ein schwebendes Geschäft handeln, denn bei einem solche besteht die Vermutung, dass sich die Rechte und Pflichten der Vertragsbeteiligten bis zum Vertragsende ausgleichen. Zentrale Bedeutung hat damit die Frage, ob in einer Vertragsbeziehung eine Vertragspartei sich gegenüber der anderen Vertragspartei im Rückstand mit der Erfüllung ihrer von ihr geschuldeten Leistung befindet. Dieser Erfüllungsrückstand ist zum jeweiligen Bilanzstichtag zu passivieren. Steht die Höhe der Verpflichtung fest, geschieht dies durch Einbuchung einer Verbindlichkeit. Steht die Höhe nicht fest, ist eine Rückstellung zu bilden. Alle diese Voraussetzungen prüft der BFH geradezu schulbuchmäßig durch, um dann zur zentralen Frage zu kommen, worin hier der Erfüllungsrückstand der Klägerin zu sehen ist. Zutreffend sieht der BFH diesen in der bereits erbrachten Arbeitsleitung vor dem Erreichen der Grenze zur Altersfreizeit. Alles in allem eine sehr informative Entscheidung, der auch zuzustimmen ist.