Dr. Florian Müller, Dr. Daniel Licht
Rz. 17
Für die AG sind die Gründe, die zur Nichtigkeit, d. h. zur Rechtsunwirksamkeit des festgestellten Jahresabschlusses, führen, in § 256 AktG geregelt. Nach h. M. gelten die aktienrechtlichen Nichtigkeitsgründe in entsprechender Anwendung auch für die GmbH. Verstöße gegen Bilanzierungs-, Bewertungs- und Gliederungsvorschriften führen mindestens im gleichen Umfang zur Nichtigkeit wie bei einer AG. Demnach kann ein bereits festgestellter Jahresabschluss aus folgenden Gründen nichtig sein:
Aufstellungsfehler
- Verletzung von Gläubigerschutzvorschriften.
- Verletzung von Gliederungsvorschriften sowie Nichtbeachtung von bestimmten Formvorschriften, wenn die Klarheit und Übersichtlichkeit des Jahresabschlusses dadurch wesentlich beeinträchtigt wird.
- Verletzung von Bewertungsvorschriften, wenn Posten nicht nur unwesentlich über- oder unterbewertet worden sind und durch die Unterbewertung die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Das Vorliegen einer Über- bzw. Unterbewertung richtet sich dabei nach der Zulässigkeit der Bewertung i. S. der §§ 253 bis 256a HGB. Das Weglassen oder Hinzufügen von Posten ist zwar gesetzlich nicht geregelt, die h. M. nimmt jedoch eine Gleichstellung mit einem Verstoß gegen die zulässige Bewertung an.
Prüfungsfehler
- Verstöße gegen die gesetzliche Prüfungspflicht nach § 316 Abs. 1, 3 HGB.
- Prüfung durch nicht berechtigte Abschlussprüfer.
- Fehlender fristgerechter uneingeschränkter Bestätigungsvermerk bei von der Hauptversammlung geändertem Jahresabschluss.
Feststellungsfehler
- Verletzung der Bestimmungen über die Einstellung in oder Auflösung von Rücklagen.
- Nicht ordnungsmäßige Mitwirkung von Vorstand oder Aufsichtsrat bei ausschließlicher Zuständigkeit über die Feststellung des Jahresabschlusses.
- Verfahrensfehler bei einem Hauptversammlungsbeschluss und dessen Beurkundung bei ausschließlicher Zuständigkeit über die Feststellung des Jahresabschlusses.
- Erfolgreiche Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Jahresabschlusses bei ausschließlicher Zuständigkeit der Hauptversammlung.
Rz. 18
Die Nichtigkeit eines Jahresabschlusses nach § 256 Abs. 4, 5 AktG hat nur Auswirkungen, wenn diese geltend gemacht wird. Gemäß § 256 Abs. 6 AktG kann die Nichtigkeit – außer in den Fällen des nicht berechtigten Abschlussprüfers und einer erfolgreichen Anfechtungsklage – durch Fristablauf geheilt werden. Nach Heilung der Nichtigkeit kann eine Verpflichtung des für die Jahresabschlussfeststellung zuständigen Organs der AG zur Ersetzung des fehlerhaften Jahresabschlusses nicht mehr angenommen werden. Ein etwaig gefasster Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung teilt dabei das Schicksal des Jahresabschlusses hinsichtlich der Nichtigkeit. Aus einem Gewinnverwendungsbeschluss können daher bei Zugrundelegung eines nichtigen Jahresabschlusses keine Rechte hergeleitet werden. Tritt eine Heilung der Nichtigkeit des zugrunde gelegten Jahresabschlusses ein, so wird die Nichtigkeit des Gewinnverwendungsbeschlusses ebenfalls geheilt.
Rz. 19
Die h. M. der Literatur geht aus Gründen der Verhältnismäßigkeit respektive Wirtschaftlichkeit davon aus, dass es sich um erhebliche Fehler handeln müsse, um von einer Nichtigkeit ausgehen zu können. Demzufolge besteht eine Verpflichtung zur Neuvornahme der Feststellung des Jahresabschlusses, wenn der fehlerhafte Jahresabschluss z. B. Grundlage eines Gewinnverteilungsbeschlusses war und die Gewinnausschüttung wegen des fehlerhaften Ansatzes dazu geführt hat, dass das zur Erhaltung des Grundkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft an die Gesellschafter – trotz des Verbots der Einlagenrückgewähr – ausgezahlt worden ist und die Erstattung dieser Beträge – aufgrund des Ausschlusses der Rückforderung der Gewinnausschüttung – zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. Soweit bereits Gewinnanteile an die Gesellschafter einer GmbH geflossen sind, sind diese verpflichtet sie als rechtlich unzulässige Auszahlungen grundsätzlich vollständig an die Gesellschaft zurückzuerstatten. Sind die Gesellschafter jedoch in gutem Glauben über den empfangenen Gewinnanteil, so kann nur der Teil zurückgefordert werden, der zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger notwendig ist.
Rz. 20
Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses ergreift somit auch einen bereits gefassten Gewinnverwendungsbeschluss. Da der Jahresabschluss neu festzustellen ist, besteht keine Bindung mehr an die Bilanzansätze des nichtigen Jahresabschlusses. Dagegen sind bei Änderungen aufgrund fehlerhafter Bilanzansätze, die gerade nicht zur Nichtigkeit führen, bestehende Gewinnansprüche der Aktionäre zu berücksichtigen. Die mittels des Gewinnverwendungsbeschlusses entstandenen Gewinnansprüche können nur mit Zustimmung aller davon Betroffenen verkürzt werden. Ergibt sich bei Änderung eines Bilanzansatzes eine solche Kürzung des ursprünglichen Gewinnanspruchs, kann diese, z. B...