Leitsatz
1. Eine Verbindlichkeit, die nach einer im Zeitpunkt der Überschuldung getroffenen Rangrücktrittsvereinbarung nur aus einem zukünftigen Bilanzgewinn und aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss zu tilgen ist, unterliegt dem Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG (insoweit Bestätigung des Senatsurteils vom 30.11.2011, I R 100/10, BStBl II 2012, 332, BFH/NV 2012, 631, BFH/PR 2012, 149).
2. Beruht der hierdurch ausgelöste Wegfallgewinn auf dem Gesellschaftsverhältnis, ist er durch den Ansatz einer Einlage in Höhe des werthaltigen Teils der betroffenen Forderungen zu neutralisieren (insoweit Abkehr vom Senatsurteil in BStBl II 2012, 332, BFH/NV 2012, 631, BFH/PR 2012, 149).
Normenkette
§ 5 Abs. 2a EStG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, deren Wirtschaftsjahr jeweils zum 30.6. endete, erhielt von ihrer Muttergesellschaft, der E-GmbH, im Zuge einer Konzernumstrukturierung Darlehen i.H.v. 7 Mio. EUR sowie 2,6 Mio. $.
Für beide Darlehen vereinbarten die Vertragsbeteiligten jeweils in gesonderten Urkunden am 7.10.2004 zur Abwendung der Überschuldung i.S.d. InsO einen Rangrücktritt folgenden Inhalts: "Die (E-GmbH) tritt als alleinige Gesellschafterin mit ihrem Anspruch auf Tilgung und Verzinsung des der (Klägerin) gewährten Darlehens im Betrag von (7 Mio. EUR/2,6 Mio. $) dergestalt im Rang hinter die Forderung sämtlicher anderer Gläubiger, einschließlich aller in § 39 Abs. 1 und Abs. 2 InsO genannten Gläubiger zurück, dass sie Tilgung und Verzinsung des Darlehens nur aus einem künftigen Bilanzgewinn oder aus einem etwaigen Liquidationsüberschuss verlangen kann. Für den Fall der Insolvenz tritt die (E-GmbH) auf den Rang des § 199 Satz 2 InsO zurück."
In dem auf den 30.6.2005 (Streitjahr) erstellten Jahresabschluss ist auf der Aktivseite – neben Erinnerungswerten für Finanzanlagen (insgesamt i.H.v. 3 EUR) und Forderungen gegen verbundene Unternehmen (rd. 155 Mio. EUR) – ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Jahresfehlbetrag i.H.v. rd. 9 Mio. EUR sowie sind unter den Passiva u.a. ein Verlustvortrag (rd. 8 Mio. EUR), eine Kapitalrücklage i.H.v. rd. 640.000 EUR und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaftern i.H.v. insgesamt rd. 9,5 Mio. EUR ausgewiesen; hiervon entfielen rd. 9,2 Mio. EUR auf die der Klägerin von der E-GmbH gewährten Kredite.
Das FA vertrat die Ansicht, dass § 5 Abs. 2a EStG der Passivierung der gegenüber der E-GmbH bestehenden Verbindlichkeiten in der Steuerbilanz der Klägerin entgegenstehe.
Der dagegen erhobenen Klage hat das FG stattgegeben (Niedersächsisches FG, Urteil vom 12.6.2014, 6 K 324/12, Haufe-Index 7220072, EFG 2014, 1601).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück. Es fehle angesichts der vereinbarten Befriedigungsmöglichkeit aus zukünftigen Gewinnen zwar an der gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung für einen Schuldausweis. Der Befriedigungsweg über etwaige Liquidationsüberschüsse ändere daran nichts. Aufzuklären bleibe jedoch, ob der erklärte Rangrücktritt gesellschaftlich veranlasst war. Aufzuklären bleibe zudem die Werthaltigkeit der hiervon betroffenen Darlehensforderungen. Je nachdem handele es sich dann um eine (vorübergehende) Einlage.
Hinweis
Es geht um die (fortbestehende) Passivierung der Verbindlichkeit bei einem (einfachen) Rangrücktritt, der eine Gläubigerbefriedigung (nur) aus künftigen Gewinnen und Liquidationsüberschüssen vorsieht. Das dazu ergangene, in der Fachwelt vielfach erwartete Urteil des BFH bringt allerdings nur zum Teil (das aber durchaus überraschend) "kehrtwendend" Neues. Im Ausgangspunkt bestätigt sich hingegen die bisherige Linie:
1. Entscheidet sich der Gläubiger eines notleidenden Unternehmens, seinen Sanierungsbeitrag mittels eines (einfachen) Rangrückritts zu leisten, tritt er also überschuldungsbedingt im Rang hinter alle anderen Gläubiger zurück, dann ist die zugrundeliegende Schuld gleichwohl nach wie vor "passivisch" auszuweisen. Letzteres gilt jedenfalls dann, wenn der Gläubiger fortan nur noch gleichrangig mit dem Eigenkapital und nur noch aus künftigen Gewinnen, Liquidationsüberschüssen und dem sonstigen freien Vermögen des Schuldners Befriedigung erlangen kann. Der BFH spricht hierbei von einem "spezifizierten" Rangrücktritt.
2. Anders liegen die Dinge indessen, wenn die Befriedigung aus dem sonstigen freien Vermögen ausscheidet und sich alles auf die Befriedigung aus künftigen Gewinnen reduziert. Es fehlt für diesen Fall an der gegenwärtigen wirtschaftlichen Belastung des Schuldners am Bilanzstichtag. § 5 Abs. 2a EStG ordnet für diesen Fall ein Ausweisverbot an. Das ändert sich erst, wenn die künftigen Gewinne "real" werden; die Schuld ist dann wieder einzubuchen. Dieses wirtschaftliche Verständnis gilt gleichermaßen für den einfachen ebenso wie den (besagten) spezifizierten Rangrücktritt. In beiden Konstellationen hängen Einnahmen und Verbindlichkeiten voneinander ab.
3. Das alles fand sich bereits in dem BFH-Urteil vom 30.11.2011, I R 100/10 (BStBl II 2012, 332, BFH/NV 2012, 631, BFH/PR 2012, 149). Der BFH hat ...