Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 145
Schadenersatzpflicht
Eine zivilrechtliche Schadenersatzpflicht kann sich zunächst wegen Verletzung eines Schutzgesetzes aus § 823 Abs. 2 BGB ergeben. Als Schutzgesetz sind die §§ 400, 403 und 404 AktG anerkannt.
Rz. 146
Außerdem sind Vorstandsmitglieder, die bei der Geschäftsführung nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anwenden oder andere Pflichten verletzten, der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 AktG zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet (Vorstandshaftung).
Rz. 147
Nichtigkeit und Anfechtbarkeit des Jahresabschlusses
Der festgestellte Jahresabschluss einer AG kann nichtig sein, wenn er bestimmte in § 256 Abs. 1 bis 5 AktG aufgezählte Mängel enthält und keine Heilung durch Zeitablauf nach § 256 Abs. 6 AktG eingetreten ist. Die zur Nichtigkeit führenden Mängel lassen sich in Fehler bei der Aufstellung, bei der Prüfung und bei der Feststellung des Jahresabschlusses einteilen.
Aufstellungsfehler, d. h. im Einzelnen:
- inhaltliche Verletzung von Vorschriften zum Schutze der Gläubiger (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG),
- wesentliche Verletzung von Gliederungs- oder Formblattvorschriften (§ 256 Abs. 4 AktG) (ein Gliederungsverstoß liegt vor, wenn die Bilanz oder GuV-Rechnung nicht hinreichend tief gegliedert ist, wenn Vermögensgegenstände, Kapital oder Verbindlichkeiten an falscher Stelle aufgeführt sind oder verbotenerweise saldiert wurden; die Wesentlichkeit bestimmt sich nach der Bedeutung der verletzten Vorschriften und dem Umfang des Verstoßes; Bagatellverstöße reichen nicht aus; der Leser muss wegen des Verstoßes vielmehr zu einem wesentlich anderen Bild über die Vermögens-, Ertrags- und Liquiditätslage der Gesellschaft kommen),
Verletzung von Bewertungsvorschriften
- wenn Posten überbewertet sind (§ 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG) (Aktivposten sind überbewertet, wenn sie mit einem höheren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 ff.HGB zulässig ist; gleichzusetzen sind unzulässige Aktivierungen und unterbliebene, aber gebotene Passivierungen einschließlich nach § 249 HGB gebotener Rückstellungen, weil sie zu vergleichbaren Folgen wie Überbewertungen führen; entgegen dem Wortlaut kann jedoch nicht jede kleinste Überbewertung ausreichen; es sollten daher nur wesentliche und schwerwiegende Beeinträchtigungen der Rechnungslegung zur Nichtigkeit führen) oder
- unterbewertet sind und dadurch die Vermögens- und Ertragslage vorsätzlich unrichtig dargestellt ist (§ 256 Abs. 5 Nr. 2 AktG) (Aktivposten sind unterbewertet, wenn sie mit einem niedrigeren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 ff. HGB zulässig ist; auch hier sind Ansatzfehler, also unterbliebene, aber gebotene Aktivierung oder unzulässige Passivierung gleichzustellen; zusätzlich erforderlich ist, dass die an Aufstellung oder Feststellung des Jahresabschlusses beteiligten Organmitglieder die Falschbilanzierung gekannt und gewollt haben; bedingter Vorsatz reicht aus),
Verletzung von Ansatzvorschriften
Die Verletzung von Ansatzvorschriften dem Grunde nach ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, Kommentarmeinungen und Rechtsprechung nehmen aber – wie schon erwähnt – an, dass es einer fehlerhaften Bewertung gemäß § 256 Abs. 5 Nr. 1 AktG gleichzustellen ist, wenn z. B. ein Vermögensgegenstand unzulässig aktiviert ist. Positionen auf der Aktiv- und Passivseite sind dabei getrennt zu beurteilen, eine Kompensation verschiedener Bilanzposten ist bei der Prüfung der Tatbestände der fehlerhaften Bilanzierung bzw. der Über- oder Unterbewertung unzulässig.
Prüfungsfehler, d. h. im Einzelnen:
- unterlassene Prüfung (§ 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG) (gleichzustellen ist die unvollständige Prüfung, bei der die Mindestanforderungen an eine Abschlussprüfung nicht erfüllt wurden, z. B. schlechthin unzureichende Prüfungshandlungen, wie Nichtbeachtung ganzer Bilanzposten, Fehlen des Prüfungsberichts oder des Bestätigungs- bzw. Versagungsvermerks),
- Prüfung durch nicht berechtigten Prüfer (§ 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG),
- verspäteter Bestätigungsvermerk bei von der Hauptversammlung geänderten Jahresabschlüssen (§ 173 Abs. 3 AktG);
Feststellungsfehler, d. h. im Einzelnen:
- Verletzung der Bestimmungen über Rücklagen (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG),
- fehlende Mitwirkung eines Organs (§ 256 Abs. 2 AktG) (gleichzustellen ist die nicht ordnungsgemäße Mitwirkung bei der Feststellung),
- Verfahrensfehler bei der Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung (§ 256 Abs. 3 AktG),
- verspätete Eintragung ins Handelsregister bei vereinfachter Kapitalherabsetzung (§ 234 Abs. 3 AktG),
- verspätete Eintragung ins Handelsregister bei gleichzeitiger Kapitalerhöhung (§ 235 Abs. 2 AktG).
Rz. 148
Die Feststellung des Jahresabschlusses durch die Hauptversammlung kann zudem nach §§ 257, 243 AktG angefochten werden. Die Anfechtung kann jedoch nicht darauf gestützt werden, dass der Inhalt des Jahresabschlusses gegen Gesetz oder Satzu...