Rz. 19

Nachdem im ersten Schritt die Ziele der Bilanzpolitik abgegrenzt wurden, stellt sich die Frage, welche Formen der Bilanzpolitik zur Erreichung der Ziele eingesetzt werden können. In Anlehnung an Heinhold können 3 größere Gruppen von bilanzpolitischen Instrumenten unterschieden werden:[1]

  • Zeitliche Bilanzpolitik, die sich insbesondere auf die Wahl des Bilanzstichtags, den Bilanzvorlagetermin, den Bilanzveröffentlichungstermin und den Abgabetermin für die Steuererklärung erstreckt. Ebenso kann der zeitlichen Bilanzpolitik das Wahlrecht zur rückwirkenden Anwendung von erhöhten monetären Schwellenwerten zugeordnet werden (vgl. Rz. 18), mittels derer es möglich sein kann "vorzeitig" Erleichterungen (in Bezug auf Aufstellung des Jahresabschlusses, insbesondere des Anhangs, Prüfung und Offenlegung[2]), die mit der Einstufung in eine geringere Unternehmensgrößenklasse verbunden sind, zu nutzen.

     
    Praxis-Beispiel

    Eine Kapitalgesellschaft mit einem kalenderjahrgleichen Geschäftsjahr war zum 31.12.2022 als kleine Kapitalgesellschaft (i. S. des § 267 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 HGB) klassifiziert. Die nachfolgende Tabelle enthält die Größenmerkmale zu den Abschlussstichtagen 31.12.22 und 31.12.23.

     
      31.12.2022 31.12.2023
    Bilanzsumme 7.200.000 EUR 7.400.000 EUR
    Umsatzerlöse 12.500.000 EUR 14.000.000 EUR
    durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern 65 80

    Im Falle der Regelanwendung der Erhöhung der monetären Schwellenwerte sind die erhöhten Schwellenwerte in § 267 Abs. 1 und 2 HGB erstmals für das nach dem 31.12.2023 beginnende Geschäftsjahr anzuwenden (vgl. Art. 93 Abs. 1 Satz 1 EGHGB), mithin auf die Größenfeststellung zum 31.12.2024. Dementsprechend liegt zum 31.12.2023 nach den bisher anzuwendenden Größenkriterien des § 267 Abs. 1 und Abs. 2 HGB eine mittelgroße Kapitalgesellschaft i. S. des § 267 Abs. 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 HGB vor, da alle Größenkriterien für eine kleine Kapitalgesellschaft an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen überschritten (Bilanzsumme: 6.000.000 EUR, Umsatzerlöse: 12.000.000 EUR und im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer) und alle Größenkriterien für eine große Kapitalgesellschaft nicht überschritten wurden.

    Sofern jedoch die Kapitalgesellschaft von dem in Art. 93 Abs. 2 Satz 1 EGHGB enthaltenen Wahlrecht Gebrauch macht, sind die erhöhten Schwellenwerte erstmals bereits für die Größenfeststellung zum 31.12.2023 anzuwenden. Aufgrund der Gesetzesbegründung werden – entsprechend der Praxis bei früheren Anhebungen – die erhöhten monetären Schwellenwerte bei ihrer Anwendung rückbezogen.[3]

    Dies bedeutet, dass zur Größenfeststellung der Kapitalgesellschaft am 31.12.2023 die erhöhten Schwellenwerte auf die Abschlussstichtage 31.12.2023 und 31.12.2022 Anwendung finden. Dementsprechend ist die Kapitalgesellschaft zum 31.12.2023 (weiterhin) als klein zu kategorisieren, da sie an beiden in Rede stehenden Abschlussstichtagen zwar das Arbeitnehmer-Kriterium für eine mittelgroße Kapitalgesellschaft erfüllt, nicht jedoch das Bilanzsummen- (7.500.000 EUR) und das Umsatzerlös-Kriterium (15.000.000 EUR).

    Dementsprechend kann die Kapitalgesellschaft bereits zum 31.12.2023 – sofern noch möglich[4] – insbesondere die Aufstellungserleichterungen in Bezug auf die Bilanz (vgl. §§ 266 Abs. 1 Satz 3, 274a HGB) und den Anhang (vgl. § 288 Abs. 1 HGB) in Anspruch nehmen, auf die Erstellung eines Lageberichts verzichten (vgl. § 264 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 1 HGB), auf eine externe Abschlussprüfung verzichten (vgl. Umkehrschluss aus § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB) und auf die Offenlegung der GuV-Rechnung und die die GuV-Rechnung betreffenden Angaben verzichten (vgl. § 326 Abs. 1 HGB).

  • Materielle Bilanzpolitik stellt ab auf die Beeinflussung der Höhe des im Abschluss ausgewiesenen Jahresergebnisses und die im Jahresabschluss ausgewiesenen Bilanzrelationen. In Bezug auf das Jahresergebnis bezieht sich die materielle Bilanzpolitik sowohl auf den handelsrechtlichen als auch auf den steuerrechtlichen Gewinn oder Verlust. Diese Form der Bilanzpolitik steht zumeist im Mittelpunkt, da sich hierdurch die Zahlungsströme an den Fiskus und die Anteilseigner beeinflussen lassen, aber auch die Finanzierungsvolumina und -bedingungen durch externe Kreditgeber.
  • Formelle Bilanzpolitik befasst sich mit der Gliederung, dem Ausweis und der Erläuterung der Abschlussposten. Hier geht es zunächst um die Beeinflussung der Struktur der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung. Der formellen Bilanzpolitik sind aber auch der Umfang und die Gestaltung des Anhangs und des Lageberichts zuzurechnen. Die vorgenannten Fragen sind vor allem für die Informationspolitik von Bedeutung, die sich darüber hinaus speziell mit der Frage befasst, in welchem Umfang das Unternehmen Wahlrechte im Zusammenhang mit der Aufstellung und der Offenlegung in Anspruch nimmt (insbesondere Offenlegung vs. Hinterlegung bei – den nicht unter § 267a Abs. 3 HGB fallenden – Kleinst-Kapitalgesellschaften i. S. d. § 267a Abs. 1 HGB sowie Inanspruchnahme von Aufstellungs- und Offenlegungserl...

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