Prof. Dr. rer. pol. Hanno Kirsch
2.1 Überblick
Rz. 24
Anknüpfend an die unter Rz. 19–21 dargestellten Formen der Bilanzpolitik lassen sich in Anlehnung an Heinhold die in Abbildung 2 dargestellten Instrumente unterscheiden.
Zeitliche Instrumente |
Materielle Instrumente |
Formelle Instrumente |
Bilanzstichtag |
Sachverhaltsgestaltung (vor dem Bilanzstichtag) |
Gliederung von Bilanz und GuV-Rechnung (insbesondere Ausübung von größenabhängigen Erleichterungen, einschließlich Wahlrecht zur rückwirkenden Anwendung von (erhöhten) monetären Schwellenwerten, sowie Wahlrecht zwischen Aufstellung der GuV im Gesamtkosten- oder Umsatzkostenverfahren) |
Bilanzvorlagetermin |
Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte (nach dem Bilanzstichtag) |
Bruttoprinzip |
Bilanzveröffentlichungstermin |
Gewinnverwendung (nach dem Bilanzstichtag) |
Inanspruchnahme oder Verzicht von Aufstellungserleichterungen für den Anhang kleiner und mittelgroßer Kapitalgesellschaften Inanspruchnahme oder Verzicht auf die Anwendung von Schutzklauseln für den Anhang
- Wahl der Form der Offenlegung bei Kleinstkapitalgesellschaften
- Ausführlichkeit des Lageberichts (z. B. künftige Nachhaltigkeitsberichterstattung nach § 289b HGB-RefE, insbes. von kleinen und mittelgroßen kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften i. S. des § 264d HGB)
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Abgabetermin für die Steuererklärung |
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Veröffentlichung von Zusatzrechnungen, wie z. B. Kapitalflussrechnung oder Segmentberichterstattung |
Abb. 2: Instrumente der Bilanzpolitik
Rz. 25
Der Unterscheidung zwischen Instrumenten der Bilanzpolitik vor dem Bilanzstichtag und den Instrumenten, die erst nach dem Bilanzstichtag ergriffen werden, kommt in anderen Systematisierungsansätzen eine gewisse Bedeutung zu. Beispielsweise kann unter der Bilanzpolitik im engeren Sinne verstanden werden, wenn nach dem Stichtag Maßnahmen ergriffen werden, die auf die Abbildung des realen Geschehens in Bilanz und GuV-Rechnung und die Art der Berichterstattung im Anhang und Lagebericht gestaltend einwirken. Bei der Bilanzpolitik im engeren Sinne bleibt das reale wirtschaftliche Geschehen unbeeinflusst. Nach dieser Abgrenzung würden Instrumente der Bilanzpolitik im weiteren Sinn darüber hinaus auch die Gestaltung von Sachverhalten vor dem Bilanzstichtag umfassen, sofern diese zumindest in einem deutlich überwiegenden Maße abschlusspolitisch motiviert sind.
2.2 Zeitliche Instrumente der Bilanzpolitik
2.2.1 Wahl des Bilanzstichtags
Rz. 26
Da gesetzliche Vorschriften zur Fixierung des Bilanzstichtags nicht bestehen, kann grundsätzlich ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr gewählt werden (§ 4a EStG). Wenngleich sich die Bedeutung dieses Instruments im Regelfall auf die erstmalige Festlegung des Bilanzstichtags konzentriert, kann dennoch zu einem späteren Zeitpunkt ein Wechsel des Geschäftsjahrs erfolgen, sofern dies nicht willkürlich erfolgt. Eine solche Willkür kann u. a. in häufigen Wechseln des Bilanzstichtags gesehen werden. Bei der Umstellung des Geschäftsjahrs sind insbesondere auch die einschränkenden steuerlichen Vorschriften zu beachten (vgl. § 4a Abs. 1 Nr. 2 Satz 2EStG, § 8b Satz 2 i. V. m. Satz 1 Nr. 2 EStDV).
Das bilanzpolitische Instrument der Wahl des Bilanzstichtags hat vor allem Bedeutung bei Saisonbetrieben, bei denen sich die Vermögens-, die Kapital- und die Liquiditätsstruktur rhythmisch ändern.
2.2.2 Wahl des Bilanzaufstellungstermins
Rz. 27
Für die Wahl des Aufstellungstermins des Jahresabschlusses und des Konzernabschlusses gelten gesetzlich vorgeschriebene Fristen (§§ 243 Abs. 3, 264 Abs. 1 Sätze 3, 4 2. Halbsatz, 290 Abs. 1, 336 Abs. 1, 341a Abs. 1, 5 HGB, §§ 5 Abs. 1, 13 Abs. 1 PublG). Der Wahl des Bilanzaufstellungstermins kommt deshalb eine erhebliche bilanzpolitische Bedeutung zu, da im Zeitraum zwischen Abschlussstichtag und Bilanzaufstellung zahlreiche neue wertaufhellende Informationen auftreten können. Sowohl das Vorliegen wertaufhellender Informationen (insbesondere Vorsichtsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 1. Halbsatz HGB) als auch das Fehlen wertaufhellender Tatsachen bei bewusster Wahl eines frühen Aufstellungstermins (beispielsweise zwecks Vermeidung von Wertminderungen oder Rückstellungen) kann gezielt für die materielle Bilanzpolitik eingesetzt werden.
Ebenso können mit der Wahl des Bilanzaufstellungstermins Umfang und Inhalt der Nachtragsberichterstattung nach §§ 285 Nr. 33 bzw. 314 Abs. 1 Nr. 25 HGB beeinflusst werden. Demgegenüber spielt der für die Durchführung der Inve...