Leitsatz
1. Es ist nicht sachlich unbillig, wenn eine KiSt auch insoweit erhoben wird, als sie auf der Berücksichtigung von Veräußerungsgewinnen und Übergangsgewinnen beruht.
2. Ist die Bestimmung der Besteuerungsgrundlagen für die KiSt den Kirchengemeinden übertragen, so ist die einzelne Kirchengemeinde insoweit nicht an die von anderen Kirchengemeinden getroffenen Regelungen gebunden.
Normenkette
§ 227 AO, § 4 KiStG NW, § 34 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Die klagenden Eheleute wurden zusammen zur ESt veranlagt. Der Kläger ist römisch-katholisch, die Klägerin gehört der evangelischen Kirche an.
Der Kläger veräußerte seinen Anteil an einer GbR, deren Einkünfte gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt worden waren. Er erzielte dabei einen Übergangsgewinn und einen Veräußerungsgewinn. Ferner gab er sein Einzelunternehmen auf, wobei er einen Übergangsgewinn und einen Veräußerungsgewinn erzielte. Das FA setzte unter Ansatz dieser Werte eine ESt von 208 337 EUR fest. Ferner wurde der Klägerin gegenüber, ausgehend von einer auf sie entfallenden ESt von rd. 104 000 EUR, evangelische KiSt i.H.v. rd. 9 300 EUR festgesetzt.
Daraufhin beantragten die Kläger bei der Beklagten, der evangelischen Gemeinde, einen Teilerlass der evangelischen KiSt i.H.v. 2 785 EUR. Dies ist die Hälfte des Differenzbetrags zwischen der festgesetzten Steuer und derjenigen, der sich ohne Berücksichtigung der Übergangsgewinne und der Veräußerungsgewinne ergeben hätte. Die Kläger beriefen sich dabei auf eine Praxis, nach der sich die evangelischen KiSt-Ämter auf eine 50 %ige KiSt-Kappung verständigt hätten, soweit Veräußerungsgewinne betroffen seien.
Die Gemeinde lehnte den Antrag ab. Die daraufhin erhobene Klage wies das FG (FG Köln, Urteil vom 09.07.2008, 11 K 3041/07, Haufe-Index 2039219, EFG 2008, 1769) ab.
Entscheidung
Dem ist der BFH gefolgt:
Ein Billigkeitserlass der KiSt scheide aus. Es entspreche dem Leistungsfähigkeitsprinzip, besagte einmalige Veräußerungs- und Übergangsgewinne steuerlich zu erfassen. Das gelte für die ESt nicht anders als für die KiSt. Wenn dem aber so sei, bestehe auch kein zwingender sachlicher Grund, die KiSt aus Billigkeit zu erlassen. Wenn einzelne Landeskirchen anderes empfählen und wenn einzelne Kirchengemeinden sich einer derartigen Empfehlung anschlössen, dann sei das deren Sache. Die KiSt-Erhebungsautonomie der jeweiligen Kirchengemeinde bleibe davon unberührt und ermögliche es ihr, von einem Billigkeitserlass von KiSt auf jene Gewinne unbeschadet einer andernorts geübten anderweitigen Erlasspraxis abzusehen.
Hinweis
Nochmals in kurzer Zeit (s. zuletzt BFH, Urteil vom 01.07.2009, I R 76/08, BFH/NV 2009, 1708, BFH/PR 2009, 414) ein Urteil an der Schnittstelle von ESt- und KiSt-Recht:
1. Veräußerungs- und Übergangsgewinne unterliegen der ESt, zumindest Veräußerungsgewinne werden allerdings regelmäßig über § 34 EStG tarifbegünstigt. Die so bestimmte Steuermilderung ist beanstandungsfrei; sie trägt dem Umstand, dass Einkünfte beim Steuerpflichtigen "zusammengeballt" zufließen, hinreichend Rechnung. Weiterer Steuermilderungen bedarf es nicht.
2. Auch dem KiSt-Recht sind gemeinhin besondere Entlastungen für Veräußerungs- und Übergangsgewinne fremd. Der BFH erkennt darin jedoch keine systemwidrige oder verfassungsrechtlich bedenkliche Überbesteuerung. Vielmehr sei das Fehlen von Sonderregelungen insoweit geradezu systemgerecht: Es gilt, die aufgesummten stillen Reserven in der Veräußerungs- und Übergangssituation zu besteuern; das entspricht dem Leistungsfähigkeitsprinzip.
3. Infolgedessen ist denn auch eine darüber hinausgehende Entlastung für Zwecke der KiSt-Festsetzung mittels Billigkeitserweises aus Sachgründen nicht geboten. Das entspricht ständiger Rechtsprechung des BFH und wird im Urteilsfall bekräftigt.
4. Allerdings scheint es unter den KiSt-Ämtern und den einzelnen Landeskirchen hierzu eine unterschiedliche Erlasspraxis zu geben, so auch in NRW, wo es einen Empfehlungsbeschluss der evangelischen Kirchenleitung an die Gemeinden gibt, "in allen Fällen der Tarifvergünstigungen des § 34 EStG die KiSt auf Antrag um die Hälfte zu reduzieren". Die Mehrzahl der evangelischen Kirchengemeinden in NRW hat sich dem wohl auch angeschlossen. Gleichermaßen verfahren etliche römisch-katholische Gemeinden.
Der BFH stellt indes klar: Zwingenden Charakters ist weder jene Empfehlung noch jene Erlasspraxis. Schließt sich eine Gemeinde ihr nicht an, dann ist das Ausfluss der ihr übertragenen autonomen Erlasskompetenz. Insbesondere gebietet der grundgesetzliche Gleichheitssatz es insoweit nicht, dass flächendeckend gleich vorgegangen wird.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 01.07.2009 – I R 81/08