Leitsatz
Beantragt der Steuerpflichtige im Rahmen seiner Steuererklärung eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen (hier: Verzicht auf eine Bilanzierung von Feldinventar nach Maßgabe von R 131 Abs. 2 Satz 3 EStR 2001, R 14 Abs. 2 Satz 3 EStR 2005) und veranlagt das FA erklärungsgemäß, aber unter Vorbehalt der Nachprüfung, erstreckt sich der Vorbehalt nicht auf den gewährten Billigkeitserweis. Die abweichende Festsetzung der Steuer ist deshalb für die Steuerfestsetzung regelmäßig verbindlich.
Normenkette
§ 130 Abs. 2, § 131 Abs. 2, § 163, § 164, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH mit kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr, betrieb einen landwirtschaftlichen Betrieb. Bis zum Streitjahr 2007 hatte sie ihr Feldinventar (d.h. die aufgrund der Feldbestellung auf den Feldern vorhandenen Pflanzenbestände) bilanziert.
Das FA setzte die KSt-Vorauszahlungen für 2007 auf 18.778 EUR fest. Die Klägerin teilte daraufhin dem FA mit, dass sie eine Anpassung der KSt-Vorauszahlungen nicht als sachgerecht ansehe. Ab dem Streitjahr nehme sie die steuerliche Billigkeitsregelung gem. R14 Abs. 2 Satz 3 EStR i.V.m. R 34 Satz 2 KStR in Anspruch und verzichte auf die Bilanzierung des Feldinventars; dies führe zu einer Ergebnisminderung von rd. 220.000 EUR. Der verbleibende Gewinn sei vollständig durch die bestehenden Verlustvorträge abgedeckt. Das FA änderte die festgesetzten Vorauszahlungen nicht.
In der Bilanz zum 31.12.2007, die sie mit der KSt-Erklärung für das Streitjahr am 17.12.2008 einreichte, setzte die Klägerin den Wert des Feldinventars mit 0 EUR an. Sie fügte dazu als Erläuterung folgenden Hinweis bei: "Im Berichtsjahr wird erstmalig gem. R131 Abs. 2 EStR vom Wahlrecht der Nichtaktivierung des Feldinventars Gebrauch gemacht. Das Feldinventar ist ausgebucht worden …" Das FA veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO). In dem Bescheid setzte es außerdem die KSt-Vorauszahlungen für die Kalenderjahre 2008 bis 2010 fest.
Nach einer Außenprüfung vertrat das FA in einem auf § 164 Abs. 2 Satz 1 AO gestützten Änderungsbescheid die Auffassung, dass das Feldinventar bilanziert werden müsse, weil ein Landwirt aufgrund der Bilanzstetigkeit an eine einmal erfolgte Bilanzierung des Feldinventars gebunden sei. Mit diesem Bescheid, der keine Ausführungen zur Billigkeitsregelung enthält, hob das FA zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg (Sächsisches FG, Urteil vom 16.3.2011, 2 K 1833/10, Haufe-Index 2688939, EFG 2011, 1758).
Entscheidung
Der BFH hat das FG bestätigt: Es habe in entsprechender Anwendung des § 133 BGB und in Anwendung des § 124 Abs. 1 Satz 2 AO zutreffend darauf abgestellt, wie die Klägerin nach den ihr bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben habe verstehen können, und es sei deshalb zu Recht davon ausgegangen, die Klägerin habe aus dem ursprünglichen Steuerbescheid ableiten können und dürfen, dass das FA die billigkeitsweise Bilanzierung habe ermöglichen wollen.
Hinweis
1. Die Kernaussage und auch die Brisanz der Entscheidung des BFH ergeben sich eigentlich schon erschöpfend aus dem Leitsatz in Kombination mit den üblichen Abläufen einer Steuerveranlagung bei Steuerpflichtigen, denen u.U. eine Betriebsprüfung droht:
Danach reicht besagter Steuerpflichtiger seine Steuererklärung beim FA ein, dieses veranlagt kurzerhand, ohne weiter in die Prüfung einzusteigen, zunächst erklärungsgemäß und stellt den Steuerbescheid sodann unter Vorbehalt der (späteren) Nachprüfung. Materiell ist der Bescheid dann uneingeschränkt "offen" und kann jederzeit zugunsten wie zuungunsten korrigiert werden.
In dieser Weise geht das FA gemeinhin auch dann vor, wenn aus der Steuererklärung ersichtlich wird, dass der Steuerpflichtige von einem Billigkeitserweis gem. § 163 AO Gebrauch machen will, zumeist eines solchen, den ihm eine Steuerrichtlinie oder ein Steuererlass prinzipiell und unter bestimmten Voraussetzungen offeriert. Das FA wird dann ebenfalls nicht weiter differenzieren, vielmehr davon ausgehen, dass sich der Nachprüfungsvorbehalt auch auf den gleichsam konkludent und mehr oder weniger "automatisch" erteilten Billigkeitserweis erstreckt.
2. Das Urteil zeigt auf, dass dieses praktische Vorgehen aller Üblichkeit zum Trotz "gefährlich" werden kann: Der Billigkeitserweis wird mit der steuerlichen Sachentscheidung in dem Steuerbescheid nur äußerlich verbunden. "An sich" handelt es sich hierbei aber um zweierlei und das eine – der Steuerbescheid – ist von dem anderen – dem Billigkeitserweis in der Gestalt eines "normalen" Verwaltungsaktes – streng zu unterscheiden. Nur der Steuerbescheid kann nach gegenwärtiger Regelungslage aber mit einem Nachprüfungsvorbehalt versehen werden, der Billigkeitserweis hingegen nicht. Folglich wird Letzterer nicht nur formell bestandskräftig, sondern auch materiell bindend. Aus dieser Bindung kann sich die Finanzbehörde später ka...