Mit den Verfahren der Kreditwürdigkeitsprüfung soll erreicht werden, dass Kreditnehmer, bei denen mit Störungen im Kreditverlauf zu rechnen ist, entsprechend ihres Risikos eingeschätzt werden. Gerade die große Anzahl an Unternehmensschieflagen hat gezeigt, dass die traditionelle Jahresabschlussanalyse nicht ausreicht, dieses Risiko richtig abzubilden. Um den Prozess der Bonitätsprüfung qualitativ zu verbessern, werden deshalb zusätzlich mathematisch-statistische Analyseverfahren eingesetzt.
3.2.1 Diskriminanzanalyse
Ein solches Verfahren ist die Diskriminanzanalyse, die zur Insolvenzprognose angewendet wird. Dazu werden Kennzahlen der Jahresabschlussanalyse von Unternehmen, die in einem bestimmten Zeitraum insolvent wurden, mit den Kennzahlen verglichen, die bei Unternehmen erhoben wurden, die im gleichen Zeitraum solvent geblieben sind (die Unternehmen sollten hinsichtlich spezifischer Merkmale wie Branche, Betriebsgröße u. a. vergleichbar sein). Im Anschluss werden aus den vorhandenen Daten die Kennzahlen ermittelt, die als Merkmale für eine Prognose zur Insolvenzgefährdung angesehen werden können. Häufig ausgewählte Kennzahlen beziehen sich beispielsweise auf die Rentabilität und die Liquidität sowie auf den Verschuldungsgrad. Aus diesen spezifischen Kennzahlen wird eine Trennfunktion (Diskriminanzfunktion) gebildet.
Mit dieser Funktion lässt sich dann für jedes Unternehmen ein Diskriminanzwert errechnen, der auch als Bonitätsindikator bezeichnet wird. Außerdem wird ein cut-off point ermittelt, der als kritischer Grenzwert insolvenzgefährdete Unternehmen von bonitätsmäßig besseren Unternehmen trennt. Liegt der Diskriminanzwert des jeweiligen Unternehmens über dem cut-off point, so wird das Kreditengagement als bonitätsmäßig gut eingestuft und umgekehrt.
Die Diskriminanzanalyse basiert auf der Überlegung, dass Merkmale, die in der Vergangenheit bei insolvent gewordenen Unternehmen beobachtet wurden, auch zukünftig für eine mögliche Insolvenz hohe Prognosekraft haben. Deshalb wird ein schlechter Diskriminanzwert als Frühwarnsignal für zukünftige Unternehmensrisiken angesehen.
Auch die Diskriminanzanalyse benötigt Daten, die zum Teil aus alten Veröffentlichungen stammen. Die Kritik der Vergangenheitsorientierung gilt also auch hier. Gleichzeitig werden eventuell bereits unternommene Anstrengungen zur Verbesserung der Lage im Unternehmen unberücksichtigt gelassen.
3.2.2 Kreditscoring-Systeme
Gerade im Mengengeschäft ist eine schnelle und kostengünstige Beurteilung von Vertragspartnern erwünscht. Diesen Vorteil bietet das Kreditscoring, mit dem als automatisiertes Punktbewertungsverfahren Kreditentscheidungen standardisiert werden können.
Wie bei der Diskriminanzanalyse werden dafür zunächst Kundenmerkmale problemloser Kredite und die mit Zahlungsausfällen verbundenen Kreditengagements untersucht. Die Zuordnung wird dann auf einer so genannten Scorekarte aufgelistet und mit Punkten entsprechend des eingeschätzten Risikos bewertet. Bei jeder Kreditentscheidung kann dann ein Scorewert ermittelt werden, der die Kreditausfallwahrscheinlichkeit widerspiegelt. Für die Entscheidung selbst wird der errechnete Wert mit dem Grenzscore verglichen und dementsprechend wird dann das Geschäft getätigt oder abgelehnt.
Auch wenn eine solche Standardisierung eigene Probleme mit sich bringt (z. B. Fehlzuordnungen, keine optimale Merkmalsauswahl), so hat sich doch gezeigt, dass mit diesem Verfahren in Hinblick auf die Anzahl der Kreditausfälle qualitativ bessere Entscheidungen getroffen werden können.
Die Weiterentwicklung der mathematisch-statistischen Analyseverfahren ist darauf gerichtet, die Beziehungen zwischen der Bonität des Kunden und der Prognose des Kreditverlaufs noch genauer und umfassender abzubilden (z. B. durch den Einsatz von Expertensystemen). Dennoch stehen bei der Analyse und Bewertung die numerischen Informationen im Mittelpunkt. Qualitative Faktoren, die eben nicht vollständig formalisiert werden können, müssen vernachlässigt werden, obwohl der personelle Faktor durchaus als wichtige Determinante angesehen wird.
Das Kreditscoring wird durch Verbraucher- und Datenschützer stark kritisiert. Die Ablehnung eines Kredites oder der Lieferung von Waren gegen Rechnung aufgrund des Scorings ist dem Kunden oft nicht verständlich. Dieser Kritik wurde im neuen Bundesdatenschutzgesetz (BDSG [ab 25.05.2018]) Rechnung getragen. Die Verwendung von Kreditscoring-Systemen ist zulässig, wenn
- die Vorschriften des Datenschutzrechts beachtet werden,
- dafür wissenschaftlich anerkannte mathematisch-statistische Verfahren genutzt werden,
- für die Berechnung des Wahrscheinlichkeitswerts nicht ausschließlich Anschriftendaten genutzt wurden und
- im Fall der Nutzung von Anschriftendaten die betroffene Person vorher über die vorgesehene Nutzung dieser Daten unterrichtet worden ist. Dabei ist die Unterrichtung zu dokumentieren (§ 31 BDSG [ab 25.5.2018]).
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