Leitsatz (amtlich)
1. Der durch die Vereinbarung benachteiligte Ehegatte trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung. Dies setzt insbesondere einen umfangreichen Vortrag zu den vorhandenen Altersvorsorge- und sonstigen Vermögenswerten der Eheleute voraus.
2. Es besteht keine generelle Verpflichtung, von Amts wegen zur Vorbereitung einer Ausübungs- und Wirksamkeitskontrolle (§ 8 Abs. 1 VersAusglG) stets die erforderlichen Auskünfte zum Versorgungsausgleich einzuholen.
Vermerk:
Die Antragsgegnerin hat ihre Beschwerde nachfolgend zurückgenommen.
Verfahrensgang
AG Prenzlau (Aktenzeichen 7 F 193/17) |
Tenor
Der Antrag der Antragsgegnerin vom 31. Dezember 2018 auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Dem Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe fehlt die gem. §§ 113 Abs. 1, 137 Abs. 1 FamFG i.V.m. §§ 114, 119 Abs. 1 ZPO notwendige Erfolgsaussicht. Ihre in zulässiger Weise gem. §§ 58 ff. FamFG eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Das Amtsgericht hat mit in jeder Hinsicht zutreffenden Erwägungen den Versorgungsausgleich ausgeschlossen und dabei die Wirksamkeit des von den Eheleuten vereinbarten vollständigen Verzichts auf den Versorgungsausgleich in Ziff. II der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom ... 2006 (Notar E, Urkundenrolle Nr. ...., vgl. Bl. 10 HA) bejaht.
Gemäß § 6 Abs. 1 VersAusglG können die Ehegatten Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich schließen. Sie können diesen insbesondere ganz ausschließen. Von dieser Möglichkeit haben die Eheleute in der notariellen Scheidungsfolgenvereinbarung vom.... 2006 in rechtswirksamer Weise Gebrauch gemacht.
I. Form
Die formellen Anforderungen sind gewahrt. Die notarielle Vereinbarung vom ... 2006 entspricht den Formvorschriften sowohl des alten (§§ 1408, 1410 BGB a.F.) als auch des neuen Rechts (§ 7 Abs. 3 VersAusglG). Dabei sind die §§ 6 ff. VersAusglG anzuwenden, obgleich es sich hier um eine vor Inkrafttreten des VersAusglG zum 01. September 2009 geschlossene Vereinbarung handelt (vgl. Senat, FamRZ 2016, 2104; OLG Koblenz, FamRZ 2012, 130).
II. Inhaltskontrolle
Der Ehevertrag vom ... 2006 hält der Inhaltskontrolle gemäß §§ 6, 8 VersAusglG, 138 BGB in Verbindung mit den vom BGH entwickelten Grundsätzen (grundlegend BGH, FamRZ 2004, 601) stand.
1. Grundlagen
Die gesetzlichen Regelungen über nachehelichen Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich unterliegen generell der vertraglichen Disposition der Ehegatten. Der Versorgungsausgleich ist - als gleichberechtigte Teilhabe beider Ehegatten am beiderseits erworbenen Versorgungsvermögen - einerseits dem Zugewinnausgleich verwandt und wie dieser der ehevertraglichen Disposition grundsätzlich zugänglich. Er ist jedoch andererseits einem vorweggenommenen Altersunterhalt vergleichbar (§ 1571 BGB); von daher steht er einer vertraglichen Abbedingung nicht schrankenlos offen. Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich müssen deshalb nach denselben Kriterien geprüft werden wie ein vollständiger oder teilweiser Unterhaltsverzicht. Der Versorgungsausgleich zählt zum geschützten Kernbereich der Ehe. Er rangiert hinter dem Ehegattenunterhalt auf der 2. Stufe; das Gesetz misst ihm als Ausdruck ehelicher Solidarität besondere Bedeutung zu. Die grundsätzliche Disponibilität des Versorgungsausgleichs nach § 6 VersAusglG darf nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Eine evident einseitige, durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse und die Berücksichtigung der Belange der Ehegatten nicht gerechtfertigte Lastenverteilung ist nicht hinzunehmen.
Dabei ist zunächst im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle zu prüfen, ob die Vereinbarung schon zum Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der zukünftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung aller Umstände, die auf die individuellen Verhältnisse bei Vertragsabschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens - und Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und evtl. vorhandene Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu entsprechen (BGH, FamRZ 2017, 884; BGH, FamRZ 2013, 770; BGH, FamRZ 2004, 601; Senat, FamRZ 2018, 1658; Senat, FamRZ 2016, 2104). Das Verdikt de...