Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Verfassungsbeschwerde gegen Nichtaussetzung des Ermittlungsverfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Nichtaussetzung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 396 AO 1977 ist nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbar.

2. Die Führung eines Ermittlungsverfahrens beschwert als solche einen Beschuldigten nicht im Rechtssinne. Sie dient lediglich der Sachverhaltsaufklärung – der Ermittlung belastender wie entlastender Umstände – und bereitet die Entschließung der Staatsanwaltschaft darüber vor, ob sie Anklage erhebt oder das Verfahren einstellt. Dadurch möglicherweise bedingte faktische Beeinträchtigungen hat der Einzelne grundsätzlich hinzunehmen.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1; BVerfGG § 90 Abs. 1; AO 1977 § 396; StPO § 160 Abs. 1-2, § 170

 

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

 

Gründe

Die Führung eines Ermittlungsverfahrens beschwert als solche einen Beschuldigten nicht im Rechtssinne (vgl. § 90 Abs. 1 BVerfGG). Sie dient lediglich der Sachverhaltsaufklärung – der Ermittlung belastender wie entlastender Umstände – und bereitet die Entschließung der Staatsanwaltschaft darüber vor, ob sie Anklage erhebt oder das Verfahren einstellt (vgl. §§ 160 Abs. 1 und 2, 170 StPO). Dadurch möglicherweise bedingte faktische Beeinträchtigungen hat der Einzelne grundsätzlich hinzunehmen. Für eine objektiv willkürliche Einleitung und Führung der Ermittlungen besteht hier kein Anhalt (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG; BVerfG (Vorprüfungsausschuß), NJW 1984, S. 1451 (1452)).

Die Nichtaussetzung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft (nach § 396 AO) ist nicht selbständig mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbar. Es handelt sich um einen auch einfachrechtlich nicht beschwerdefähigen Akt in einem die Entscheidungsfindung vorbereitenden Verfahren (vgl. BVerfGE 15, 303 (305); 58, 1 (23)). Der Beschwerdeführer erfährt dadurch keinen bleibenden rechtlichen Nachteil. Denn er kann den Aussetzungsantrag jederzeit und – falls es zur Anklage kommt – auch im gerichtlichen Verfahren erneuern. Auch der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG; BVerfGE 33, 247 (258); 59, 63 (83)) gebietet es, daß der Beschwerdeführer zunächst diesen Weg beschreitet. Ein dringendes schutzwürdiges Interesse an einer sofortigen verfassungsgerichtlichen Entscheidung besteht angesichts des Standes des Ausgangsverfahrens ersichtlich nicht. Die engen Voraussetzungen einer Vorabentscheidung liegen nicht vor (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG; vgl. BVerfGE 22, 349 (355)). Die Funktion des Bundesverfassungsgerichts und der Blick auf das fachgerichtliche Rechtsschutzsystem lassen es auch angezeigt erscheinen, dem Bundesverfassungsgericht zunächst die Fallanschauung und Rechtsauffassung der Fachgerichte zu vermitteln (zu den in der Literatur zur Frage der Aussetzung des Strafverfahrens nach § 396 AO vertretenen Ansichten siehe u.a. Kohlmann, Festschrift für Ulrich Klug (1983), Bd. II S. 507 ff.; von Wallis, DStZ 1983, S. 135; Blumers, DB 1983, S. 1571; List, BB 1984, S. 460 (464 ff.); vgl. aber auch – in anderem Zusammenhang – BFH, DStZ 1985, S. 49).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1567798

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